GNTM: Wenn sie nicht gestorben sind, dann wachsen sie noch heute

  • In dieser Woche geht es bei „Germany’s Next Topmodel“ auf der Berlin Fashion Week von einem Casting zum nächsten.
  • Das ist so öde, dass sich nicht einmal Heidi Klum in ihrer eigenen Show blicken lässt.

Karte, Name, kreischen, Karte, Name, kreischen. Nanu, was ist denn da los bei „Germany’s Next Topmodel“? Es ist Fashion Week in Berlin, verkündet Heidi Klum aus dem Off. Liliana! Ahhhhhhh!!!! Ja, ja, ja, ist schon gut. Wie war das nochmal? Ach ja, Fashion Week. Das wäre dem Normalsterblichen wohl kaum aufgefallen, denn es ist immer noch Pandemie und deswegen finden alle Modeschauen nur online statt. Den Kandidatinnen ist das offensichtlich egal. Romina! Ahhhhhhhhhhh!!!!! Na das kann ja heiter werden.

Was natürlich nur eine rhetorische Floskel ist. In dieser Woche von GNTM heißt das eher: Willkommen im längsten Werbeblock der Welt, der so öde ist, dass sich Heidi Klum die ersten 78 Minuten nicht einmal bei ihren Kandidatinnen blicken lässt. Wer könnte es ihr verdenken, die Folge läuft eigentlich immer nach dem gleichen Schema ab: Casting, über Körperteile philosophieren, irgendwie die Kurve zu Diversity bekommen, weil wichtig und außerdem verkauft sich das jetzt gut.

GNTM: Dascha könnte jeden Tag zehn Stunden hin und her laufen

Als erste ist Dascha dran, gecastet wurde sie bereits in der letzten Woche von GNTM, jetzt darf sie für Kilian Kerner laufen, der ganz begeistert ist: „Das hatte ich auch noch nicht so oft in meiner Karriere, dass mich Models so backgeflasht haben“, sagt er, jeglichen Wortbau ignorierend. Fehlt nur noch der Diversity-Block: „Nach 19 Shows, genau zum Jubiläum ein curvy Mädchen“, führt Kerner aus.

Respekt, das heißt, er hat also nur 20 Jahre gebraucht, um festzustellen, dass es Frauen oberhalb der Konfektionsgröße 34 gibt. Dascha ist das egal, sie könnte „zehn Stunden hin und her laufen“. Klingt nach einem Match. Oder einer Karriere als Kellnerin.

Weiter zum Körperteilevergleichen für die neue Marke Eli by Elias Rumelis. Es geht um Beine. Oder auch nicht. Yasmin weiß: „Wir wissen, dass die Welt sich verändert hat und dass es um die Personality geht.“ Und fügt hinzu: „Für Liliana ist es perfekt, weil sie nicht viel reden muss.“ Es wird dann aber trotzdem Romina. Die kann laut Designer zwar nicht laufen, hat aber rote Haare. Wer die Personality nicht im Kopf hat, muss sie eben aus dem Färbemittel schütteln.

Schnitt zum Casting bei LaLa Berlin. Soulin ist gewohnt bescheiden: „Ich mach halt nicht 08/15-Posen“, sagt sie zu ihren Verrenkungen, die jedem Chiropraktiker Schauer über den Rücken jagen. Sie fügt hinzu: „Ich überrasch mich selbst.“ Den Zuschauer eher nicht. Sie gewinnt und die anderen gratulieren säuerlich.

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Halbes Outfit, keine Tasche, falsche Unterwäsche

Das alles ist aber immer noch viel zu fad-freundlich für eine Folge von „Germany’s Next Topmodel“. Das passiert eben, wenn sich Heidi Klum nicht mal selbst in ihrer Sendung blicken lässt. Dann müssen das eben die Facharbeiterinnen des Magazin „Nylon“ übernehmen.

Die GNTM-Kandidatinnen geben ihnen aber auch allen Grund dazu. Liliana vergisst die Handtasche ihres Outfits, Ashley gleich die Hälfte ihres explodierten Bonbon-Kostüms. Und Yasmin? „Ich versuche halt so einen Stilbruch zu generieren, durch ein fairy tale cutest Kleid, das sehr verspielt ist, dann einen strong Blick zu haben.“ Äh ja, und jetzt kommen sie. Die Gesandten von „Nylon“ interessiert diese Denglische-Wortakrobatik nicht, sie schauen nur auf Yasmins schwarze, weil nicht hautfarbene Unterwäsche. Die ist zu sehen. Sapperlot! Es gewinnt Liliana. Warum, wird für immer ein Geheimnis bleiben, das niemanden interessiert.

Fehlt nur noch – genau: ein weiteres Casting. Oberflächlich geht es um Enthaarung, eigentlich aber um eine weitere Etappe in der „Akzeptiere deinen Körper wie er ist“-Show. Nur eben ohne störende Haare. Beschleunigen wir das ganze: Dascha gewinnt, alle sind glücklich, weil haarlos, und wenn sie nicht gestorben sind, dann wachsen sie noch heute.

Lästert man gemeinsam, ist man weniger allein

Zeit für das Finale, „the end of fucking fashion“, so wird es propagiert. Warum dann gleich geflucht werden muss, erklärt keiner. Der Modekreislauf soll auf dem Laufsteg durchbrochen werden, es geht um „Recycling“, „Downcycling“, „Second Hand Fashion“, also im Prinzip das Wahlprogramm der Grünen. Oder der CSU, so genau weiß das heute keiner mehr. Nach genau einer Stunde 18 Minuten läuft ein weißgekleideter Darth Vader ein – Heidi Klum mit Strass-Gesichtsmaske. In ihrem Schlepptau Lena Gercke. Beim zusammen lästern ist man weniger allein.

Los geht es für die verbliebenen acht Kandidatinnen von „Germany’s Next Topmodel“. Die haben mittlerweile eine innige Beziehung zueinander entwickelt: „Ich hab mit denen drei Monate zusammengewohnt, ob ich die hasse oder liebe, die fehlen einem trotzdem“, fasst es Yasmin zusammen. Der Zuschauer kennt das von der eigenen Familie, die Fachwelt nennt es Stockholm-Syndrom. Auf dem Laufsteg ist davon nichts zu spüren, der musikalische Gast Loredana rappt, dazu versuchen Tänzer, die jungen Frauen zu umzingeln. Die tragen zerfetzte Schirme zu ihren Outfits. Recycling, Downcycling, the end of fucking Fashion, Sie wissen schon.

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Yasmin ist Lena Gercke nicht aufgefallen

Zeit für den nächsten küchenphilosophischen Diversity-Block: „Es ist einfach echter, denn wir Menschen sind einfach anders“, sagt Heidi Klum und meint damit, na ja, das weiß wohl nur sie selbst. Dascha wird konkreter: „Jemand wie ich hätte früher kein Model werden können, ich bin einfach curvy und Romina ist es auch nicht.“ Pardon? Gut, lassen wir das. Wichtig ist: „Wenn man nur an sich glaubt, kann man alles schaffen.“ Und die Geduld besitzt, 16 Staffeln zu warten, bis sich der Grundton in „Germany’s Next Topmodel“ von Bodyshaming zu Diversity gedreht hat.

Was sagt denn eigentlich Lena Gercke zu all dem? Als erste GNTM-Gewinnerin muss sie doch mit den jungen Frauen mitfühlen können. „Yasmin, leider bist du mir nicht so aufgefallen.“ Oder auch nicht. „Ich hab die jetzt nur so kurz gesehen und schon wieder vergessen.“ Klingt nicht so nett. Was ist denn mit „Wir Menschen sind einfach anders?“. Das sagte doch gerade erst Heidi Klum! Die universelle Erkenntnis kann nur sein: Das können „wir Menschen“ ruhig sein. Nur eben nicht bei „Germany’s Next Topmodel“.

PS: Nur der Vollständigkeit halber: Luca hat in der ganzen Staffel keinen Job bekommen. Einsatz traurige Musik, sie ist raus. Wenigstens eine gute Nachricht. Herzlichen Glückwunsch, Luca!

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