Wird es irgendwann keine Alben mehr geben?

Jan Delay (45) veröffentlicht am 21. Mai sein neues Album "Earth, Wind & Feiern" – in einer Zeit, in der Plattenverkäufe immer weiter zurückgehen. Musiker verdienen ihr Geld heutzutage vor allem durch das Livegeschäft, was durch die Corona-Pandemie jedoch ebenso nahezu vollständig weggebrochen ist. Lohnt es sich da überhaupt noch, ganze Alben zu veröffentlichen oder werden bald nur noch Singles auf den Markt gebracht? Auch Jan Delay weiß noch nicht, ob bei ihm noch einmal ein Album entstehen wird. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der Musiker über die Eroberung der Musikbranche durch Streamingdienste und erklärt, warum es heutzutage mehrere One-Hit-Wonder pro Tag gibt.

Immer weniger Alben werden verkauft. Lohnt es sich überhaupt noch, eins aufzunehmen und zu veröffentlichen?

Delay: Das ist eine gute Frage. Bei mir lief es immer so, dass ich eine Platte veröffentlicht habe, mit der ich dann im Anschluss auf Tour gegangen bin. Das ist natürlich momentan mit Corona schwierig. Ich bin auch ein etablierter Künstler, aber für die Newcomer mit 16 oder 20 Jahren lohnt es sich überhaupt nicht, noch Alben aufzunehmen. Die Jungen, die erst jetzt mit Musik anfangen, werden keine Alben mehr veröffentlichen. Mit dem heutigen Musikkonsum ergibt das keinen Sinn mehr.

Zukünftig wird es nicht mehr so sein, dass du dir ein Jahr Zeit nimmst, um zwölf Songs zu schreiben und dann als Album zu veröffentlichen. Nein, du bringst in einem Jahr jeden Monat einen Song raus. Dann hast du auch immer etwas Neues. Wenn du ein Album rausbringst, ist es am gleichen Tag schon out. So ist das heutzutage. Selbst wenn nach der Pandemie das Live-Geschäft wieder möglich sein wird, werde auch ich mir überlegen, ob es noch mal zu einem Album kommt. Aber das weiß ich jetzt noch nicht.

Ist es nicht auch schade, wenn es irgendwann keine Alben mehr geben wird?

Delay: Das stimmt schon. Auf der anderen Seite: Seitdem Alben einem nicht mehr so viel wert sind, wird auch weniger Arbeit und Energie reingesteckt. Seit etwa zehn Jahren nimmt die Qualität immer mehr ab. Es gibt immer weniger Alben, die man gerne am Stück durchhört.

Es werden ja auch immer mehr Singles ausgekoppelt. Wenn das Album dann erscheint, kennt man die Hälfte der Songs schon.

Delay: Genau. So könnte man es auch belassen. Man könnte dann alle Songs zusammen in eine Playlist packen und das ist dann eben das Album.

Einer der Gründe, warum weniger Platten verkauft werden, sind die Streamingdienste. Wie bewerten Sie die Entwicklung, dass Streaming die Musikbranche immer mehr erobert?

Delay: Auf der einen Seite ist es schön, weil das die Demokratisierung der Musik ist. Vorher – selbst mit Downloads – war es so, dass man immer Geld haben musste, um Musik zu konsumieren. CD-Player, MP3-Player, Plattenspieler, das kostet ja alles Geld. Seit ein paar Jahren braucht man das nicht mehr, weil jeder ein Handy hat. Gerade Jugendliche haben Zeit, um Musik zu hören, und bestimmen dadurch das Geschehen in den Pop-Charts.

Früher war es so: Jan Delay hat meinetwegen 10.000 Fans, jeder davon kauft sein neues Album. Die hören sich das ein- bis zweimal an und stellen es sich dann in den Schrank oder gehen aufs Konzert. Heute ist das anders, denn diese Fans können das Album jetzt auch streamen, werden es sich also nicht mehr kaufen. Um den Wert eines verkauften Albums per Streaming zu erzeugen, müsste man das Album aber 1.000-mal streamen. Was früher 10.000 verkaufte Alben waren, die jetzt zweimal per Streaming angehört werden, sind vom Wert heute 20 Alben.

Obwohl die gleiche Anzahl an Leuten die Musik konsumiert, werden aus 10.000 verkauften Alben auf einmal nur noch 20. Das zeigt, wie schwer es Leute haben mitzuhalten, die aus der Zeit vor dieser Transformation stammen. Die jungen Leute stellen manche Songs ja auch auf Repeat und generieren dadurch enorm hohe Streamingzahlen. Das gibt es in meiner Generation gar nicht. Das wäre auch irgendwie peinlich, wenn ich als Jan Delay wie die jungen Rapper plötzlich meinen Fans sage: "Stellt mal meinen Song die ganze Zeit auf Repeat."

In den Single-Charts liest man oft Namen, die man noch nie gehört hat. Da erzielen Künstler einen großen Hit, tauchen dann aber auch schnell wieder ab.

Delay: Das ist die Kehrseite der Medaille. In dem heutigen Modell geht ganz schnell ganz viel, schwindet dann aber genauso wieder. Durch die kurze Aufmerksamkeitsspanne hören die heutigen Kids auch viel Verschiedenes, aber nichts bleibt wirklich hängen. Alben als Format haben dazu geführt, dass etwas leichter bestehen bleibt. Man geht ja auch auf ein Konzert, auf dem dieses bestimmte Album gespielt wird. Damit werden die Langlebigkeit und Halbwertszeit angekurbelt. Aber diese Tausenden Einzelsongs von Typen, von denen man noch nie gehört hat, hat man am nächsten Tag wieder vergessen. Das ist schade, aber so ist es nun mal. Heute gibt es an jedem Tag mehrere One-Hit-Wonder.

Was haben Sie für dieses Jahr noch geplant – auch mit den Beginnern?

Delay: Ich will unbedingt in diesem Sommer Konzerte spielen. Mit den Beginnern ist noch nichts in Planung. Ich habe momentan zu viel Arbeit mit meinem eigenen Album. Das wird auch noch etwas dauern, ich will die Platte ja auch live spielen. Danach setzen wir uns aber garantiert wieder zusammen ins Studio.

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