Miriam Neureuther spricht erstmals über toxischen Diätdruck als Profisportlerin

„Stell dir vor, wie schnell du mit 3 Kilo weniger gewesen wärst“

Miriam Neureuther spricht erstmals über toxischen Diätdruck als Profisportlerin

„Der Sport war mein Leben. Für ihn habe ich alles getan, auch Gewicht verloren“ – mit diesen Worten beginnt Miriam Neureuther (32) die ARD-Doku „Hungern für Gold: Essstörungen im Spitzensport“. Die ehemalige Biathletin war eine von vielen, die im Teufelskreis um den gefährlichen Körperkult und Bodydruck im Hochleistungssport gefangen war. Nun bricht die 32-Jährige, die mittlerweile dreifache Mama ist, erstmals ihr Schweigen über die schwierigen Umstände und den Unfall, der ihr die Augen öffnete.

Miriam Neureuther verlor zehn Kilo "innerhalb kürzester Zeit"

Die ehemalige Skilangläuferin war eigentlich an einem Höhepunkt ihrer Karriere, als sie ihr persönliches Gewichtslimit erreichte. Bei der Biathlon-Heim-WM in Ruhpolding im Jahr 2012 holte die gebürtige Garmisch-Partenkirchenerin Gold. Doch im Leistungssport gilt das Mantra: Nach dem Sieg ist vor dem Sieg. Das machte ihr auch ihr Trainer ganz deutlich. „Und jetzt stell dir vor, wie schnell du mit drei Kilo weniger gewesen wärst“, habe er zu der damals 21-Jährigen gesagt. Ein Kommentar, der schnell Wirkung zeigen sollte, wie Neureuther erzählt: „Ab da fing ich an die Kohlenhydrate fast komplett von meinem Teller zu streichen. Ich nahm zehn Kilo innerhalb kürzester Zeit ab“. Für viele ihrer Kolleginnen sind solche Ratschläge und der ständige Drang nach Selbstoptimierung der Beginn einer Essstörung wie Magersucht.

„Zehn Prozent der Magersüchtigen sterben. Es ist die Essstörung mit der höchsten Todesrate“, zitiert die zweifache Weltmeister die Statistik. Doch bevor Betroffene an der Erkrankungen sterben äußert sie sich mit Symptomen wie eingeschränkter körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwäche, geringer Muskelkraft bis hin zum Muskelschwund oder Unfruchtbarkeit. Gerade letzteres wäre der Supergau für die Ehefrau von Felix Neureuther gewesen.

"Mein großes Glück war ein Unfall"

„Für mich war schon während meiner aktiven Karriere klar, dass ich Kinder haben möchte. Heute haben Felix und ich drei. Ein Leben ohne würde mich nicht ausfüllen“, weiß Neureuther heute. Dass sie aus dem Diät-Wahn rausgekommen sei, hatte sie einem Unfall zu verdanken. „So komisch es klingt, aber mein großes Glück war ein Unfall. Bei einem Sturz mit dem Mountainbike habe ich mir vier Wirbel gebrochen. Danach war nicht mehr an Leistungssport zu denken. Erst in dem Moment habe ich mein Essverhalten wirklich hinterfragt“, erklärt die 32-Jährige.

Es war der Moment, als sie gemerkt hat, dass sie mit der Jagd nach dem gefährlichen Körperkult ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt hatte. Vorher habe es ihr an Vorbildern wie der Skispringerin Maren Lundby (28) gefehlt, die dem Nachwuchs zeigen, dass „es auch anders geht“. Das möchte Neureuther nun aktiv ändern. Ihr „Glück“ war ein Unfall, doch das haben nicht alle Betroffenen. „Es ist längst an der Zeit, dass wir offen über das Thema Essstörungen im Spitzensport sprechen und dass wir neue Vorbilder finden, die einen anderen Weg gehen und nicht mehr für Gold hungern“, verdeutlicht Neureuther. Mit der Doku möchte sie das Tabuthema in den öffentlichen Diskurs rücken und bewirken, dass der gefährliche Status quo nicht weiter still schweigend hingenommen wird. Denn: „Keine Medaille ist es wert, seinen Körper zu ruinieren“. (lkr)

Felix Neureuther fährt Schlitten mit Tochter Matilda (3)


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