‚The Flight Attendant‘: Der Filmriss der Stewardess

Der eine hat keine Haare mehr, der andere eine Gesichtstätowierung – und alle einen kreischenden Affen als nervigen neuen Begleiter an der Backe. Was die Partylöwen aus „Hangover 2“ am Morgen danach aber nicht mehr haben, ist eine Erinnerung an ihre nächtlichen Bangkok-Exzesse. Und dieser Filmriss in der thailändischen Metropole eint die Protagonisten der US-Komödie mit Cassie (Kaley Cuoco), Hauptfigur des US-Serienhits „The Flight Attendant“.

Ihr Problem bei der Rekonstruktion des Saufgelages ist aber noch weitaus schlimmer. Denn neben Cassie liegt mit aufgeschlitzter Kehle Lover Alex (Michiel Huisman). Und dann begeht die Flugbegleiterin auch noch verkatert den Fehler, panisch den Tatort – ein großzügiges Luxushotel-Zimmer – zu reinigen. Die Folgen sind für jeden erprobten Krimizuschauer ersichtlich.

Cassie: Alkoholproblem statt versierter Hobbydetektivin

Cassie wird nicht nur zur Zielscheibe des FBIs, sondern auch des wahren Täters, während sie selbst immer verzweifelter den Fall zu lösen versucht. Was die spritzige achtteilige Serie, die im nächsten Jahr auf Grund exzellenter Quoten fortgesetzt wird, von ähnlich gestrickten Thrillern unterscheidet, ist die Psychologie seiner Hauptfigur. Cassie ist nämlich das Gegenteil eines versierten Hobbydetektivs, sondern eher ein Fall für die Anonymen Alkoholiker. Ob Flachmann im Portemonnaie oder Wodkaflasche im Schrank: Die impulsive, das Chaos anziehende junge Frau greift von morgens bis abends zu Hochprozentigem – was ihre Erinnerung dann auch deutlich trübt und den Zuschauer an ihrer Zuverlässigkeit (ver)zweifeln lässt.

Lesen Sie auch

„In deinen Armen“: Eine filmische Flucht an Australiens Westküste

Lesen Sie auch

„The Booksellers – Aus Liebe zum Buch“: Bibliophilie oder schon Wahnsinn?

Trotz dieses massiven Problems und dem Hang, alle Mitmenschen, darunter ihre beste Freundin (Zosie Mamet), durch einen blinden Aktionismus zu vergraulen, bleibt Cassie stets sympathisch. Und diese Tatsache verdankt die Serie vor allem seiner Hauptdarstellerin: Kaley Cuoco, beliebt als Kellnerin Penny in der US-Sitcom „The Big Bang Theory“, besitzt die Gabe den Spleen von Cassie höchst amüsant auszuspielen ohne die Risse, ein Trauma aus der verkorksten Kindheit, dadurch zu überdecken.

Der Parforceritt dieses Stars deckt sich mit der künstlerisch gewagten, aber nie angestrengt verkünstelten Machart der Serie. Denn neben eleganten technischen Spielereien wie dem Einsatz von Split-Screens und einem lässig jazzigen Soundtrack setzt „The Flight Attendant“ auch auf eine aberwitzige Erzähltechnik.

Flight Attendant: selbstironische Adaption des Romans 

Immerhin bleibt hier neben Rückblenden in Cassies düstere Kindheit auch Zeit für absurde Auftritte des ermordeten Ex-Lovers. Mal blutend im Bett, dann wieder quicklebendig geht Alex in einem hochamüsanten Frage- und Antwortspiel quasi als inneren Monolog mit Cassie den Fall und auch die eigenen Abgründe durch. Nur um hin und wieder den Hinweis einzustreuen, dass es in seiner Mithilfe auch Grenzen gebe. Schließlich sei er doch tot.

Diese surrealen Hirngespinst-Momente funktionieren auch deswegen so gut, weil Serienschöpfer Steve Yockey die Adaption des gleichnamigen Romans von Chris Bohjalian immer mit einem selbstironischen Augenzwinkern reflektiert.

Das trickreiche, unterhaltsame Spiel mit Erwartungshaltungen spiegelt sich auch in der Berufsbeschreibung von Cassie und ihren Kolleginnen wider. Zwar wird das despektierliche Klischee vom „Kellner der Lüfte“ mit einem schrillen homosexuellen Steward, hohlen Partys, albernen Intrigenspielen und Cassies gefühlloser Affäre mit einem arroganten Piloten hemmungslos bedient – nur um es dann Folge für Folge aber auch wieder genüsslich zu unterwandern.

Zu sehen auf Amazon Prime

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel