‚Macbeth‘ am Volkstheater: An die Macht morden

Drei Hexen prophezeien Macbeth, dass er der zukünftige König von Schottland ist. Angetrieben auch von Lady Macbeth, beschließt er, König Duncan zu töten.

Doch das ist nur der blutige Auftakt von Shakespeares Tragödie, die Regisseur Philipp Arnold am Volkstheater neu inszeniert hat. Premiere ist am Freitag um 20 Uhr.

AZ: Herr Arnold, „Macbeth“ stand zuletzt 2007 im Volkstheater auf dem Spielplan. Wann haben Sie das Stück zum ersten Mal gesehen?
PHILIPP ARNOLD: Ich habe das Stück 2011 in der Inszenierung von Karin Henkel an den Kammerspielen zum ersten Mal gesehen, aber davor auch schon gelesen.

Dort haben wir in den letzten Jahren gelernt, dass Hauptfiguren am besten von einem halben Dutzend Darstellern gespielt werden.
Ich habe natürlich viel darüber nachgedacht, wie man das Stück heute zeigen kann mit dem jungen Ensemble des Volkstheaters. Ich habe mich dann für einen Schauspieler entschieden, der Macbeth darstellt. Shakespeare hat mit Macbeth eine tiefe und facettenreiche Figur entworfen, das Stück ist fast ein Kammerspiel und ich möchte die Entwicklung der Figur mit einer Person durchlaufen. Ich denke auch, dass man jetzt, nach der coronabedingten Pause, unbedingt Menschen sehen will, denen man folgen kann und keine Thesen.

Das Stück ist sehr gradlinig mit relativ wenigen Nebenhandlungen, es ist aber auch stockfinster. Oder gibt es bei Ihnen Humor?
Wir hatten eine Generalprobe vor zwei Monaten, da wurde zu Beginn des Stückes schon gelacht. Es gibt anfangs eine gewisse Leichtigkeit, weil den Figuren noch gar nicht bewusst ist, in welcher Welt sie leben und in welche Tragödie sie dann hineinstolpern.

Banquo ist weiblich besetzt

Warum ist Banquo bei Ihnen weiblich besetzt?
Warum nicht?

Sie hätten ja auch Macbeth weiblich besetzen können?
Absolut, das hat Karin Henkel damals an den Kammerspielen auch gemacht. Aber ich wollte Jakob Immervoll als Macbeth und Henriette Nagel als Banquo.

In dieses Stück kann man nicht hineindeuten, dass Frauen die besseren Menschen wären.
Nein. Man muss überhaupt sagen, dass Shakespeare hier auf den ersten Blick kein positives Menschenbild beschreibt. Aber ich glaube nicht, dass die Menschen die Bluttaten anfangs so wollten, sie sind ein bisschen Opfer ihrer eigenen Sozialisation.

Das Residenztheater spielt „Hamlet“, die Staatoper „Lear“, nun folgt „Macbeth“ im Volkstheater. Shakespeare scheint noch gut im Saft zu stehen für seine über 400 Jahre.
Auf jeden Fall. Ich lese gerade das Buch „Der Fetzen“ von Philippe Lançon, über den Anschlag auf Charlie Hebdo. Am Vorabend des Attentats hat er noch „Was ihr wollt“ im Theater gesehen. Und er beschreibt, dass Shakespeare irgendetwas hat, was den Menschen hilft, über Schicksalsschläge hinwegzukommen. Skakespeare hilft den Menschen, Sinn in ihrer Existenz zu finden. Da würde ich ihm Recht geben. Auch bei den Proben haben wir gemerkt, wie diese Texte immer tiefer werden. Man hat auch nach wochenlanger Arbeit an dem Stück immer wieder Momente, bei denen man staunt über die Tiefe seines Menschenverständnisses oder wie bestimmte Sätze bei einem selbst anklingen.

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Macbeth braucht also keine Putin-Maske, um ihn aktuell erscheinen zu lassen?
Nein, auf gar keinen Fall, auch wenn man Macbeth natürlich als Tyrannen inszenieren könnte, der alles niedermetzelt, was ihm vor das Schwert kommt. Aber man muss das nicht so sehen. Ich hatte einen „Spiegel“-Artikel über QAnon gelesen, über Verschwörungsmythen. Für mich liegt die Aktualität des Stückes darin, dass die Hexen Macbeth ein Bild vorgeben, eine Deutung der Wahrheit, in die er sich dann verrennt. Das ist für mich eine Angriffsstelle, bei der ich dachte, das Stück kann man auch so lesen und in die Aktualität holen. Man sollte einfach auf diese toll beschriebenen, tiefschürfenden Figuren zurückgreifen, mit denen man dann den Weg gehen kann.

Die letzte Inszenierung in der Brienner Straße

Ihr Stück ist nicht nur die letzte Premiere, sondern am 20. Juni auch die letzte Inszenierung des Volkstheaters an der Brienner Straße. Spüren Sie einen besonderen Druck?
Ich finde das erst einmal ganz toll. Und ursprünglich war das nicht so geplant, wir wollten im März spielen, aber Corona hat den Spielplan durcheinandergewirbelt. Und es ist auch kein trauriges Ende, wir ziehen ja um in ein neues Haus.

Sie sind dann auch Hausregisseur des neuen Volkstheaters. 2018 haben sie erstmals bei „Radikal jung“ mit dem Haus Kontakt gehabt. Was zeichnet das Volkstheater aus?
Durch das junge Ensemble und die junge Regie herrscht im Volkstheater eine ganz besondere Atmosphäre. Das beginnt bei der Stücksuche, geht weiter bei der Kommunikation mit dem Haus bis hin zu den Proben. Als Hausregisseur werde ich für den ganzen Spielplan mehr Verantwortung tragen. Ich ziehe jetzt auch nach München, weil ich enger am Haus mit dem Haus arbeiten möchte. Das geht nicht mit einem Wohnsitz in Berlin.

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Machen Sie sich Gedanken darüber, wie das neue Volkstheater sich zwischen Residenztheater und Kammerspielen positioniert?Eigentlich nicht. Hier im Volkstheater bekommt jede Regisseurin und jeder Regisseur den Raum, ihre oder seine Vorstellung von Theater zu entwickeln, was natürlich zu sehr unterschiedlichen Herangehensweisen und Ergebnissen führt. Wir betreiben hier aber keine Theaterpolitik, sondern versuchen, unsere Ideen bestmöglich auf der Bühne umzusetzen.

Volkstheater, Premiere am 27. Mai, 20 Uhr. Auch am 1., 4., 11., 14. und 20 Juni, Karten unter Telefon 523 46 55

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