Die größte Angst der Kommissarin gilt ihrer Familie

Süß ist an diesem „Tatort“ gar nichts: Donuts, das sind in diesem Fall die engen Kreise, die sich mit hochgetunten Autos drehen lassen.

Eine KritikvonIris Alanyali

Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Rauchende Reifen und kreisrunde Bremsspuren zeichnen die Könner aus bei den nächtlichen Treffen der Szene. Marie, ihr Freund Gheorghe und dessen Bruder Oleg gehören dazu, so bringen sie Nervenkitzel in ihren öden Alltag. Marie ist hinter dem Steuer besonders gut. Aber was die Kontrolle über ihr restliches Leben angeht, damit sieht es ziemlich mies aus.

Mehr News zum „Tatort“

Und jetzt geht es so richtig den Bach hinunter. Denn die Autos, die sich die drei für ihre nächtlichen Spritzfahrten „ausleihen“, stammen vom Bremerhavener Autoterminal. Das riesige Hafengelände ist Deutschlands Nadelöhr für Fahrzeugimporte, jährlich werden dort rund zwei Millionen Wagen umgeschlagen. Der Onkel von Gheorghe (Adrian But) und Oleg (Jonas Halbfas) hat dort gearbeitet. Aber jetzt ist er tot, und das bringt Kommissarin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) auf den Plan.

„Tatort“ wohl nicht oberste Priorität für Dar Salim

Marie und Liv sind zusammen aufgewachsen. Aber anders als Marie (Luisa Böse) hat Liv etwas aus ihrem Leben gemacht. Und wird jetzt zurückgeworfen in ihre Bremerhavener Kindheit, von der wir bereits im letzten Bremer „Tatort“ ein paar hässliche Ausschnitte gesehen haben. In „Donuts“ wird Liv Moormann mit einer erneuten Ladung Familiendrama konfrontiert, und das steht im Zentrum des Krimis.

Da war es nur noch eine: Eigentlich gehören zu diesem „Tatort“-Team ja drei. Neben Liv Moormann noch die eigenwillige Kriminaltechnikerin Linda Selb (Luise Wolfram) und Mads Andersen (Dar Salim), der Undercover-Spezialist aus Kopenhagen. Der Verdacht, dass der „Tatort“ für den dänischen Schauspieler Dar Salim nicht gerade oberste Priorität bei der Terminplanung haben wird, hat sich bewahrheitet. Im vierten Fall ist Mads Andersen nur per Videocall zugeschaltet, weil er irgendetwas wahnsinnig Wichtiges bei Interpol zu tun hat. Neu ist allerdings, dass plötzlich auch Linda Selb nach Brüssel verschwindet. Immerhin hat sie in „Donuts“ vorher noch schnell einen ihrer typischen Linda-„Sherlock“-Selb-Auftritte, bei denen sie dank ihres Beobachtungs- und Kombinationsgenies mal eben maßgebliche Informationen ans Licht bringt.

Nicht, dass Darstellerin Jasna Fritzi Bauer und ihre Figur Liv Moormann einen „Tatort“ nicht auch locker alleine tragen können. Aber ein bisschen verhöhnt fühlt man sich als Zuschauerin schon, wenn der Teamgeist sich auf Telefonkonferenzen konzentriert. Da können wir ja gleich einen Radio-„Tatort“ hören.

Axel Milberg hört beim "Tatort" auf: So lange will er Borowski noch spielen

Gestohlene Kindheiten und Ersatzfamilien

Aber genug gemeckert. Am neuen Fall aus Bremen gibt es ansonsten nicht viel auszusetzen: coole Kulisse, coole Autos, coole Kommissarin. Hier geht es nur vordergründig um gestohlene Autos und Ersatzteile, mit denen in der Werkstatt des toten Onkels von Oleg und Georghe gehandelt wurde. In der Geschichte von Drehbuchautoren Mathias Schnelting und Sebastian Ko geht es vor allem um gestohlene Kindheiten und Ersatzfamilien.

Marie ist, was aus Liv zu werden drohte, hätte sie nicht die Kurve gekriegt, anstatt immer nur im Kreis zu fahren. Marie liebt und hasst mit einer Intensität, die sie für ihre Mitmenschen zu einem Leuchtstern und einer Gefahr zugleich macht. Und Liv Moormann muss sich fragen, ob sie daran eine Mitschuld trägt. Ob sie Marie im Stich gelassen hat.

Man kann der ohnehin ja nie besonders lockeren Kommissarin die Anstrengung förmlich ansehen, die es sie kostet, sich wieder mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen. Auch räumlich dorthin zurückzukehren, wo sie nie wieder hinwollte.

Eine Geschichte voller Verlierer

Unbarmherzig wirft der Fall Liv Moormann mitten hinein in ihre alten Kreise. Als sollte ihr Widerwille sich in der Stadt spiegeln, zeichnet der Krimi das Verhältnis zwischen Bremen und seiner Exklave in starken Bildern (Regie: Sebastian Ko, Kamera: David Hofmann) als das einer zerrütteten Familie. „Donuts“ ist ein Bremerhafener „Tatort“ voller Verlierer – und das bezieht sich nicht nur auf die Familie der Ermittlerin. Das Kommissariat, wo Liv Moormann vorübergehend einen Schreibtisch bekommt, wird von einem so selbstgefälligen wie unfähigen Widerling namens Lennard Krupp (Bozidar Kocevski) geleitet, dem die Einmischung aus Bremen gar nicht passt. Und Liv Moormanns Exkollege Robert Petersen (Patrick Güldenberg), der ihr an die Seite gestellt wird, ist zwar nett, aber nicht gerade die schillerndste Ermittlerleuchte.
„Donuts“ geht der Kommissarin an die Substanz. Hoffentlich ist das eigentliche Bremer Team beim nächsten Mal wieder komplett.

Joshua Kimmich hat einen Auftritt im "Tatort"

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel