So viel verdienen die "Tatort"-Stars

Über keinen Krimi wird so gerne gestritten wie über den „Tatort“. Millionen Zuschauer, Millionenbeiträge, die ihn finanzieren. t-online hat die Budgets unter die Lupe genommen – und erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.

56 Millionen Euro. Diese Summe gibt die ARD pro Jahr aus, um ihre Zuschauer jeden Sonntag mit einem neuen „Tatort“-Fall zu versorgen. Ist das viel – oder viel zu wenig? Bei internationalen Blockbustern könnte von dem Geld höchstens das Catering bezahlt werden. „Fluch der Karibik“- oder „Avengers“-Kracher kosten zwischen 370 und 430 Millionen Euro – pro Film. Beim „Tatort“ sind die 56 Millionen Euro Ergebnis einer Gesamtrechnung: Die ARD zeigt jährlich 35 neue Folgen und gibt nach Informationen von t-online zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Euro pro 90-Minuten-Produktion aus.

Ist das Aushängeschild der deutschen Krimilandschaft also ein Schnäppchen? Nein. Internationale Produktionen sind kein Vergleich. Sie spielen weltweit an den Kinokassen Milliarden ein, haben ein enormes Visual-Effects-Budget und sind mit Stars besetzt, die nahezu jeder Mensch der Erde kennt. In Deutschland hingegen sind Jan Josef Liefers und Axel Prahl die prominentesten Schauspieler – und man wird ihnen nicht zu nahe treten, wenn man sagt: Außerhalb von Deutschland kennt diese zwei Männer niemand.

Dennoch ist der Blick auf „Tatort“-Produktionen interessant. Denn auch wenn deutsche Kinofilme wie zuletzt „25 km/h“, für den die Hauptdarsteller Lars Eidinger und Bjarne Mädel mehrere Darstellerpreise gewannen, mehr Geld kosten, ist ein „Tatort“ das deutsche Nonplusultra der Kosten-Nutzen-Rechnung. „25 km/h“ kostete rund fünf Millionen Euro, während hierzulande eine Million Menschen dafür ein Kinoticket lösten. Eine Million Zuschauer beim „Tatort“? Undenkbar. Barrierefrei und bequem von der heimischen Couch aus schalten in der Regel zwischen sieben und zehn Millionen Zuschauer den Sonntagskrimi im Ersten ein.

„Auf ‚Tatort‘ entfallen 14 Cent des Rundfunkbeitrags“

Außerdem interessieren sich die Menschen in Deutschland ganz besonders für den „Tatort“, weil sie ihn quasi selbst finanzieren – und an ihren Rundfunkbeitrag auch Erwartungen knüpfen. „Auf den ‚Tatort‘ insgesamt entfallen rund 14 Cent des monatlichen Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro“, teilt uns ein Sendersprecher auf Nachfrage mit. Ein Anteil, der sich auch mit der Erhöhung auf 18,36 Euro pro Monat nicht wesentlich verändert. 

Verändert hat sich allerdings die Bewertung der öffentlich-rechtlichen Sender. Immer wieder, zuletzt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, gerät der Rundfunk in die Schlagzeilen.

Der „Tatort“ wird zwar wöchentlich von Millionen Deutschen eingeschaltet – aber von Kritikern gerne prominent verrissen, gänzlich verschmäht oder als „teures Gebührenvergnügen“ abgetan. Eine exklusive Umfrage von t-online bestätigt diesen Eindruck: Mehr dazu lesen Sie hier. 

t-online hat bei allen neun Landesrundfunkanstalten, die für die Produktion der „Tatort“-Ausgaben zuständig sind, nachgefragt. Wir wollten wissen: Wie kommt der Preis zustande, welcher Sender gibt am meisten Geld für seine Krimis aus – und wie werden die „Tatort“-Stars bezahlt? Dabei ist vor allem auffällig, wie wenig die öffentlich-rechtlichen Sender über ihre Prestigeprojekte preisgeben. WDR, NDR, BR, SWR und Co. geben auf Nachfrage zwar an, unsere Fragen zu beantworten – hüllen sich danach aber in Schweigen. Ein Sprecher der Programmdirektion Erstes Deutsches Fernsehen übernimmt die Kommunikation und antwortet auf die t-online-Anfrage im Namen aller Senderanstalten.

„Tatort“ aus der Schweiz kostet am meisten Geld

Nur zwei Sender scheren aus und lassen sich nicht vorschreiben, was sie zu antworten haben. Die Rundfunkrebellen kommen aus dem Ausland. Der ORF und der SRF geben separat Auskunft über ihre jeweiligen „Tatort“-Teams in Österreich und der Schweiz. Dabei fällt auf: Bei keinem anderen Sender wird so viel für einen „Tatort“ ausgegeben wie beim SRF. „Das höhere Budget gegenüber den deutschen ‚Tatort‘-Produktionen hat mehrere Gründe“, so eine Sprecherin zu den Kosten von rund zwei Millionen Schweizer Franken, umgerechnet also etwas mehr als 1,8 Millionen Euro. „Die Lohnkosten in der Schweiz sind rund 20 bis 30 Prozent höher als in Deutschland, es gibt keinerlei Beistellungen (Fahrzeuge, Schnitträume, Equipment und Ähnliches) vonseiten des Senders und für den Schweizer ‚Tatort‘ muss eine Synchronversion erstellt werden.“

Der teuerste „Tatort“ kommt also von den Eidgenossen. Zweimal im Jahr werden Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) in der Schweiz als Ermittlerteam auf Verbrecherjagd geschickt. Doch dass es ausgerechnet Schuler und ihre Kollegin sein sollen, die auch im Vergleich zu den anderen „Tatort“-Stars am besten verdienen, darf angezweifelt werden. „Die Kosten für die Darstellergagen schwanken, in der Regel liegt der Anteil am Gesamtbudget aber eher unter 20 Prozent“, teilt man uns aus der Schweiz auf Nachfrage mit.

Das neue Schweizer Ermittlerinnen-Team: Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler). (Quelle: ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek)

Bei Sendern wie dem WDR ist das nicht so. 20 Prozent Anteil für die Gagen der Stars werden dort zum Beispiel beim Team aus Münster problemlos erreicht. Zwar gehören Liefers und Prahl zu den Spitzenverdienern, doch wie genau die Rangliste nach Informationen aus Branchenkreisen aussieht, können Sie hier in unserer Fotoshow nachschauen: Etablierte Schauspieler kassieren zwischen 80.000 und 120.000 Euro pro Folge – doch es kann auch mal mehr sein.

Damit die Stars mit dem großen Geld gelockt werden können, greifen die Produktionen auf Tricks zurück. Um Kosten zu sparen, werden zum Beispiel viele Szenen nicht an Originalschauplätzen gedreht, sondern an den Standorten in Köln und Umgebung – dort wo der WDR seinen Sitz hat. Kamerateams fahren nur für die Außenszenen nach Münster, schließlich sollen Thiel und Boerne sowie der St.-Paulus-Dom authentisch zusammen in Szene gesetzt werden. Reise-, Logistik- und Übernachtungskosten können so auf ein Minimum reduziert werden – und die Stars erhalten dennoch ihre geforderten Topgagen. 

Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern? ARD reagiert

Weil die Budgets aber auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht größer, sondern kleiner werden, müssen die „Tatort“-Produktionen an anderen Stellen ebenfalls Einsparungen vornehmen. So sinkt die Anzahl der Drehtage, während die Anzahl der täglich erledigten Motive steigt – und das schon seit Jahren. Doch die wichtigste Faustregel lautet: populäre Namen in den Hauptrollen, die fürstlich entlohnt werden – und Nebendarstellerinnen, die mit deutlich weniger Geld auskommen müssen. 

Wie t-online erfahren hat, führt das zu absurden Konstellationen. Eine prominente „Tatort“-Ermittlerin des MDR, Karin Hanczewski, macht im Gespräch darauf aufmerksam: „Dass ich weniger verdiene als ein männlicher Kollege, ist mir schon häufiger passiert“, erzählt sie t-online. In ihrem Ermittlerteam aus Dresden ist Hanczewski Kriminaloberkommissarin Karin Gorniak und neben ihrer Kollegin Cornelia Gröschel die Hauptdarstellerin in den „Tatort“-Filmen. Doch ein anderer aus dem Team hat nach den branchenüblichen 20 bis 30 Drehtagen das meiste Geld in der Tasche: Martin Brambach. Dabei tritt der gebürtige Dresdner in seiner Rolle des Kommissariatsleiters weniger in Erscheinung als seine Mitspielerinnen. 

Das Erste gibt auf Nachfrage an, ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern vermeiden zu wollen. „Die gendergerechte Bezahlung ist für die ARD von hoher Bedeutung und wird von uns in den Verhandlungen berücksichtigt“, so ein Sendersprecher. Das Management von Martin Brambach hatte ebenfalls Gelegenheit, zu diesem Ungleichgewicht Stellung zu nehmen. Er habe „keine Kenntnis von den Gagen seiner Kolleginnen“ und könne sich zu diesem Thema nicht äußern. 

„Tatort“ aus Münster: Jan Josef Liefers verdient in seiner Rolle als Chef von Silke Haller (Christine Urspruch) deutlich mehr Geld als seine Schauspielkollegin. (Quelle: WDR/Martin Menke)

Auch andere „Tatort“-Schauspielerinnen, mit denen t-online im Verlauf des vergangenen Jahres sprechen konnte, geben an, sich benachteiligt zu fühlen. Doch die meisten wollen anonym bleiben. Oft sind es Beispiele wie beim MDR: Ein Schauspieler mit höherem Bekanntheitsgrad kommt mit weniger Arbeitstagen auf mehr Geld. Keine Seltenheit in der Branche. Christine Urspruch, die im Münster-„Tatort“ seit 2002 an der Seite von Jan Josef Liefers dessen Assistentin spielt, gab im September 2020 an, sie wäre schon froh, wenn sie nur zehn Prozent der Gage ihres Münster-Kollegen erhalten würde. Der verdiene bei einem „Tatort“ schon „über 100.000 Euro“, verriet sie damals. 

Aylin Tezel, die als Nora Dalay acht Jahre lang im Dortmunder „Tatort“ eine feste Ermittlerrolle hatte, bringt das Problem auf den Punkt: „Ich bin mir sicher, dass die oberen zehn Prozent sehr gut verdienen, aber ich habe mich immer damit herumschlagen müssen, dass ich gedrückt wurde in der Gage – vor allem als Frau.“ Vergangenes Jahr machte sie Schluss, um sich neu zu orientieren. „Theoretisch kann es sein, dass ich danach keine Arbeit mehr bekomme. Aber mit diesem Risiko muss man umgehen“, so Tezel zu t-online.

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„Die ARD ist sehr lukrativ“

Der „Tatort“ ist eben nicht nur für Zuschauer jeden Sonntag eine sichere Bank. Im deutschen Film- und Fernsehgeschäft ist ein Engagement beim ARD-Krimi ein Hauptgewinn, für den einige Schauspielerinnen offenbar auch Abstriche machen. Netflix, Amazon und Co. mögen internationalen Stars tolle Gehälter zahlen, wie eine jüngste Erhebung kürzlich offenlegte. Doch Filmschaffende aus Deutschland profitieren von diesem Boom nicht, wie uns mehrere Darstellerinnen unabhängig voneinander bestätigen. „Die ARD ist sehr lukrativ“, heißt es da und von einer „Schieflage“ in Bezug auf Streamingproduktionen ist die Rede. „Die Gagen liegen dort deutlich unter dem Durchschnitt“, berichtet eine andere.

Die 56 Millionen Euro für die „Tatort“-Produktionen mögen im internationalen Kontext betrachtet lächerlich mickrig wirken, doch sie sind es keinesfalls. Der „Tatort“, um den Vergleich zu Beginn des Textes noch einmal zu bemühen, ist so etwas wie der „Avengers“-Kosmos Deutschlands. Kaum einer zahlt so gut – aber fair geht es deshalb noch lange nicht zu.

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