Science Fiction: "Tribes of Europa": Im entscheidenden Moment fehlt der Mut

Mit „Tribes of Europa“ geht nach „Dark“ die nächste deutsche Sci-Fi-Serie bei Netflix an den Start. Ob ihr ein ähnlicher Hype beschienen sein wird?

Die deutsche Netflix-Serie „Tribes of Europa„, die ab dem 19. Februar beim Streaminganbieter abrufbar ist, entführt in eine düstere Zukunft. Diverse Gruppierungen, die titelgebenden „Tribes“, begeben sich darin auf die Jagd nach einem mächtigen Artefakt, dass die neue, fragile Weltordnung für immer aus dem Gleichgewicht werfen könnte. Schön anzusehen ist das ambitionierte Projekt, zu überraschen weiß es aber allenfalls absolute Sci-Fi-Neulinge – „Mad Max“ gibt es immerhin schon seit über 40 Jahren…

„Batsch – Licht aus und Finsternis“ – darum geht es

Im Jahr 2074 ist unsere heutige, hochtechnisierte Zivilisation kaum mehr als eine Fabel, die ungläubigen Kindern am Lagerfeuer erzählt wird. Im „Schwarzen Dezember“ im Jahr 2029 führte eine mysteriöse Cyberattacke zum Untergang jener Welt, wie wir sie kennen. Die Bevölkerung des europäischen Kontinents dünnte sich auf wenige Millionen Menschen aus, die sich in Mikrostaaten, den sogenannten Tribes, neu organisierten. So auch die friedfertigen Origines. Sie leben, wie der Name schon andeutet, im Einklang mit der Natur und entsagen auch weitestgehend den Formen der Technik, die es in die neue Ära herübergeschafft haben.

Doch eines Tages verändert sich ihr zurückgezogenes Leben schlagartig: Die drei Geschwister Liv (Henriette Confurius, 30), Kiano (Emilio Sakraya, 24) und Elja (David Ali Rashed, 18) werden Zeugen davon, wie ein Flugzeug der sagenumwobenen Atlantier in ihrem Wald abstürzt – mitsamt eines wertvollen Artefakts. Denn trotz des Blackouts erfreuen sich die Atlantier noch immer modernster Technik. Ein Umstand, der nun wiederum den kriegerischen Tribe der Crows auf den Plan ruft. Als diese Wind davon bekommen, dass das Geheimnis, sich die Technik wieder Untertan zu machen, in greifbarer Nähe zu sein scheint, mobilisieren sie ihre Streitkräfte – und vernichten jeden Tribe, der das Pech hat, sich im Weg zu befinden.

Der Mut zur deutschen Dystopie

Mit der Vielfalt bei deutschen Mainstream-Produktionen ist es schon seit einer ganzen Weile so eine Sache. Im Land der Dichter und Denker verfestigte sich im Filmfach augenscheinlich die Überzeugung, es bedürfe mindestens der Wörtchen „romantisch“ oder „Komödie“ in der Pitch-Beschreibung, um Erfolg zu haben – im besten Fall eine Kombination aus beidem. Bei Serien waren wir da zuletzt schon weiter.

Bereits mit „Dark“ bewies das Produzenten-Duo Quirin Berg (42) und Max Wiedemann (43) Mut zum Sci-Fi. Ein Genre, das hierzulande besonders stiefmütterlich behandelt zu werden scheint. Und auch mit ihrem neuen Projekt „Tribes of Europa“ trauen sie sich wieder in ein zumindest hiesiges TV-Neuland. Mit Ausnahme dieses Muts zur deutschen Dystopie haben „Dark“ und „Tribes of Europa“ aber im Grunde keine Schnittpunkte – weder inhaltlich noch in seiner letzten Konsequenz und Qualität.

Auf Archetypen ist Verlass

Für „Tribes of Europa“ zeichnet vor allem Philip Koch (38) als Ideengeber, Regisseur und Teil des Drehbuch-Teams verantwortlich. Er inszeniert den Kampf der Tribes bildgewaltig und ohne lange Umschweife, aber innerhalb des Genres auch ohne Innovationen oder große Überraschungen. Speziell solchen Vorbildern wie „Mad Max“ oder „Die Bestimmung – Divergent“ entlehnt „Tribes of Europa“ viel, zieht hierbei in Bezug aufs Budget und den damit verbundenen Schauwerten aber zwangsläufig den Kürzeren.

Bei der Figurenzeichnung verlässt sich die Serie in ihren sechs Folgen auf absolute Archetypen. Hier das friedfertige Naturvolk, das unverschuldet in einen Konflikt hineingezogen wird. Da die militant organisierte Crimson Republic, die „Weltpolizei“ spielt. Und dort die entmenschlichten Crows, die versklaven, vergewaltigen, brandschatzen und foltern. Letztere Gruppierung hat aus dem einstigen Berlin eine industriell-dekadente Sado-Maso-Hochburg gemacht, die Mitglieder sehen aus wie Backgroundtänzer einer Rammstein-Coverband.

Auch die Handlung weiß leider wenig zu überraschen. Die meisten Wendungen der sechs Folgen dürften die Zuschauer eine Meile gegen den Wind riechen. Das ist doppelt ärgerlich, da die Serie generell einiges an Potenzial hat. Im Interview mit spot on news sprach Schauspielerin Melika Foroutan (45), die die diabolische Crow-Anführerin Varvara spielt, schon vom „Falle einer Fortsetzung der Geschichte“ über eine erste Staffel hinaus. Vielleicht könnte bei einer etwaigen Fortsetzung dann darauf verzichtet werden, sich auf zu viele bekannte Versatzstücke (über-)großer Vorbilder zu verlassen.

Fazit

„Tribes of Europa“ traut sich allein schon durch seine Genre-Zugehörigkeit etwas. Diesen Mut hätte man sich auch bei Handlung und Figuren der Serie gewünscht. Als kurzweiliger Abstecher in eine dystopische, wenn auch nicht sonderlich innovative Zukunft mit leichtem „Guilty Pleasure“-Vibe dient „Tribes of Europa“ aber allemal.

spot on news

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