Das zerstört unsere Gesellschaft

Das Dschungelcamp erlebt eine historische Entgleisung. Eine Kandidatin beleidigt eine andere rassistisch und muss die Show verlassen. Der Sender reagiert richtig – und trotzdem: Wir müssen reden!

Die deutsche Sprache ist mächtig. Sie kann entwaffnend sein und einen polternden Idioten mit gut vorgetragenen Argumenten in die Schranken weisen. Sie kann überzeugen und heilen. Auch ein engstirniger Hornochse wird in der richtigen Tonlage und mit der angemessenen Wortwahl in seiner Meinung erschüttert, wenn er spürt: Ich bin auf dem Holzweg.

Die Sprache leitet an, sie ist Orientierung, sie konstituiert unser Denken. Sie ist unser Werkzeugkasten, mundgerecht und mobil. Permanent bei uns und bereit, zur Problemlösung beizutragen. Es mag wie ein Kalenderspruch klingen, aber: Wer laut brüllt, wird gehört. Wer sich gewählt ausdrückt, wird verstanden – die einfachste Handlungsmaxime zum Lebensglück. 

Denn ja, auch das ist Sprache: Sie kann verletzen, erniedrigen, diffamieren. Niemand kann verhehlen, dass es deutsche Ausdrücke gibt, die so schroff und roh sind, dass sie in der gesellschaftlichen Mitte unseres Landes nicht akzeptiert werden. Doch vor allem für einen Bereich der Sprache gilt in unserer Gesellschaft das Motto „No-go-Area“: Halte dich fern von rassistischen Äußerungen. Rassismus hat in unserer Sprache nichts verloren. Nur wer seine Sprache anpasst, kann auch seine Gedanken ändern.

Denn wer rassistisch spricht, bei dem stellt sich die Frage: Wie voll von Ressentiments und Vorurteilen mag dann erst seine Gedankenwelt sein? „Sie hätte alles sagen können, beleidige mich, mach alles, was du willst, aber lass die Hautfarbe aus dem Spiel“, gab daher Linda Nobat gestern in der RTL-Sendung „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ fassungslos zu Protokoll, nachdem sie einen Spruch zu hören bekam, der vor Rassismus nur so strotzte. 

Ein Millionenpublikum sah die Entgleisung von Janina

Man mag diesen Satz gar nicht zitieren, so schändlich ist er. Aber es muss sein. Ein jeder soll wissen: Wer so redet, gehört nicht zu uns – und tritt unsere Werte mit Füßen. „Geh doch zurück in den Busch, wo du hingehörst“, giftete Janina Youssefian, einstmals als angebliche „Teppichluder“-Affäre von Dieter Bohlen bekannt geworden, gegen ihre Kontrahentin. 

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Für einen Moment stand die Welt im Dschungel still. 

Die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Show waren überfordert, schockiert – angeekelt. „Hat sie das gerade wirklich gesagt?“, stand in ihren Augen geschrieben, groß und grell. 3,84 Millionen Menschen schauten am Montagabend bei RTL zu, als dieser unsägliche Kommentar die zehn Mitinsassen am Lagerfeuer, aber auch die Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich sprachlos zurückließ. Man muss sich das vergegenwärtigen: Fast jeder dritte Fernsehzuschauer, der gestern um 22.15 Uhr noch vor der Glotze saß, sah, wie eine 39-jährige Deutsch-Iranerin eine 27 Jahre alte Frau mit kamerunischen Wurzeln herabwürdigte. 

Am Vortag machten sie gemeinsam eine Prüfung, dann platzte die Bombe. (Quelle: RTL)

Zuvor flogen die Fetzen, es wurden üble Beleidigungen ausgesprochen, die Emotionen kochten hoch. Eine Ausnahmesituation. Und dennoch war es nur dieser eine Satz, der alles veränderte. Der Janina Youssefian ins Abseits manövrierte und deutlich machte, wie rückständig sie denkt.

Das Problem: Youssefian verstand gar nicht, worin das Problem lag. Als eine Kandidatin sie auf ihren Fehler hinwies, reagierte sie pampig. Hört mal! Sie sei doch auch als „Bitch“ betitelt worden – so die Ausflucht. 

RTL ließ das nicht gelten. Richtigerweise schickte der Sender die 39-Jährige umgehend nach Hause. „RTL duldet ein derartiges Verhalten nicht (…) Das Dschungelcamp gibt Personen, die dieser Haltung nicht entsprechen, keine Bühne“, hieß es als Begründung. Gut so. Thema abgehakt. Alles wieder eitel Sonnenschein. War ja eh nur das Dschungelcamp. Also diese Trash-Show fürs niedere Volk, voll mit Gossensprache und einer Inszenierungsform, die es um des Effekts willen immer schon auf Erniedrigung abgesehen hat. 

Pustekuchen! 

Wer diesen Rassismus-Eklat im Dschungel Südafrikas nun als Ausnahme abtut und vorgibt, solche verbalen Entgleisungen seien nur in der Show-Dynamik krawalliger Unterhaltungsformate möglich, irrt gewaltig. Der einzige Unterschied zum sprachlichen Alltag, in dem rassistische Untertöne oder sprachliche Grenzüberschreitungen immer noch viel zu häufig vorkommen, ist die Aufmerksamkeit, die ihnen nun gewidmet wird. 

Dort wo Sprache ist, beginnt die Wirklichkeit

Wenn Harald XY zu Max Mustermann mal wieder das N-Wort sagt und auf den Fernseher zeigt, um seinem Kumpel zu zeigen, wen er meint, kriegt das nur keiner mit. Aber ist das weniger schlimm? Stört es gar nicht, von „Fremdenhass“ zu sprechen, wenn eigentlich Rassismus gemeint ist, man aber die Menschen, über die man spricht, zu Fremden macht – ohne zu wissen, woher sie kommen? Doch, es stört: Denn dort wo Sprache ist, beginnt die Wirklichkeit. Wie wir miteinander und übereinander reden, so leben wir auch zusammen.

Niemand muss in diesem Kommentar Angst haben, dass gleich die viel beschworene „Sprachpolizei“ aufkreuzt, ein Absperrband zieht mit dem Aufdruck „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ und dahinter ein Vokabular einkesselt, das fortan zu mehrjähriger Gefängnisstrafe und Verbannung führen wird. Nein: Dieser Text hier möchte nur sensibilisieren und deutlich machen, dass Rassismus in unserer Sprache leider noch viel zu häufig Platz findet – ob bewusst oder unbewusst.

Der Fachjargon für den Busch-Ausspruch von Frau Youssefian und ebenso für Ausdrücke wie das N-Wort lautet: „Othering“. Menschen werden als andersartig erklärt, herabgestuft und nicht zur vermeintlichen Norm gezählt. Eine Erniedrigung, die einem kolonialistischen Zeitgeist entspringt: Hier die weißen Gutsherren, dort die Nicht-Weißen, die sich unterzuordnen haben.

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Sprache: „Nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da“

Unsere Sprache ist viel zu mächtig, als dass wir zulassen dürften, dass mit ihr solch Schindluder getrieben wird. Wie sagte es der von den Nazis verfolgte jüdische Romanist und Politiker Victor Klemperer einst in seiner Abhandlung „Sprache des Dritten Reiches“? Wörter seien wie Arsendosen, eine Kapsel mit gefährlichem chemischen Gebräu: „Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“

Wir dürfen nicht tolerieren, dass dieses Gift in unsere Gesellschaft geträufelt wird. Ob im Dschungelcamp, vermeintlich weit weg von unserem Alltag, oder hier und jetzt: am Arbeitsplatz, auf der Couch, an der Supermarktkasse, in der Schule, auf den Sportplätzen, an Rasthöfen und in den Chats und Kommentarspalten der sozialen Medien. Mit unserer Sprache entscheiden wir über unser menschliches Miteinander: Wir können diskriminieren – oder Respekt zeigen. Entscheiden wir uns für Letzteres. 

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