Warum Künstler ASP auf Tour einige seiner "Babys" vermisst

Auf „Endlich!“-Tournee ab April

Warum Künstler ASP auf Tour einige seiner "Babys" vermisst

von Denise Kylla

Wer sich mit der Musik von Alexander Spreng, alias ASP, beschäftigt, taucht in die Abgründe des Menschen ein, in Welten von magischen Wesen und sehnsüchtiger Liebe. Gerade erst hat der Künstler einen Bildband namens „Das Reich des Einhorns“ herausgebracht; davor hat er sein Album „Endlich!“ veröffentlicht. Ab 12. April geht er auf große Tournee und ist am 15. Juli in Neu-Ulm auf dem „Volle Kraft Voraus“-Festival zu sehen. Im Interview mit RTL sprach ASP über sein Turmbau-Projekt, Auswirkungen der Pandemie und einige Babys, die er schmerzlich auf der Bühne vermisst.

Das neue Jahr hat begonnen, was haben Sie sich für 2023 vorgenommen?

Wenn man es passend im „Dinner for one“-Style formuliert: „Same procedure as every year!“.
Ich nehme mir vor, weniger hart zu arbeiten, mehr Zeit für die schönen, guten und wahrhaftigen Dinge im Leben zu haben und etwas mehr Harmonie zu erleben. Das Jahr 2022 war diesbezüglich ein ziemlicher Griff ins Klo für mich, aber das dürfte ein Schicksal sein, welches ich aufgrund der allgemeinen Situation mit vielen teile. Das Jahr 2023 muss sich nicht besonders anstrengen, um besser zu werden, da die Latte nicht besonders hoch hängt. Das schaffen wir!

Viele Menschen empfinden die Zeit zu Beginn eines neuen Jahres als merkwürdig. Mögen sie den Jahresbeginn? Wenn ja, warum?

Viele Menschen empfinden auch mich als merkwürdig, was beweist, wie wenig man auf diese Emotion geben sollte. Scherz beiseite: Normalerweise hat ein willkürlich festgelegtes Datum keinen besonderen Einfluss auf mein Leben. Viele Leute nutzen die letzten Tage des Jahres, um zu reflektieren und sich Veränderungen für das kommende Jahr vorzunehmen. Ich hingegen mache das andauernd, denn nur so kann man in meiner komischen Branche noch überleben. Ob das nun der 31. Dezember oder der 6. September ist, spielt eigentlich keine Rolle. Da aber ganz viele Menschen und auch Regierungen oder Institutionen solche Daten für Veränderungen benutzen, ist dem gesellschaftlichen Sog auch nicht immer zu widerstehen. Das mag ich dann eher nicht.

Ab 12. April gehen Sie auf „Endlich!“-Tournee. Wie sehr freuen Sie sich darauf, hoffentlich ohne Corona-Einschränkungen, auftreten zu können?

Auf der Bühne zu rocken ist ein wichtiger Teil meiner bescheidenen Daseins-Mission, daher schaue ich der Tour mit einigem Enthusiasmus entgegen. Auf der anderen Seite habe ich gelernt, mit der Vorfreude noch etwas sparsam umzugehen, denn wir durften Ende des Jahres schon eine Unplugged-Tour absolvieren, deren Durchführung uns deutlich gezeigt hat, dass unsere Branche noch lange nicht wieder auf einem normalen Niveau angekommen ist – und es, wenn überhaupt, Corona-bedingt noch lange nicht wieder sein wird.

Wie sehr hat die Pandemie Ihren Alltag als Musiker und Ihre Musik beeinflusst?

Die zwei Jahre ohne Konzerte kamen für mich und vielen Kollegen einem Berufsverbot gleich. Es mag Mega-Stars geben, die unbeschadet durch so eine Krise gekommen sind, aber alle anderen blicken mit zwei blau geschlagenen Augen und ohne Fernrohr in eine ungewisse Zukunft. Neulich witzelte ich mit etwas Bitterkeit: „Nach der Krise ist ja vor der Krise.“ Nach den Beschränkungen, die uns in den vergangenen Jahren auferlegt wurden, folgt nun eine wirtschaftlich unsichere Zeit, in der auch Freunde der Live-Musik sich dreimal überlegen, ob sie ein Konzert-Ticket erstehen können, ein Band-Shirt, oder ob ihr Sauerverdientes nicht eher von der nächsten Gas-Nachzahlung geschluckt wird. Verzichtbares, wie Kunst, Kultur und Entertainment, war immer und wird immer sein: Das Erste, was man sich sparen kann. Das muss man akzeptieren.

Sie haben das ASP-Turmbauprojekt ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?

Nun, das war genau eine Maßnahme, um diesem gerade geschilderten Problem entgegen zu wirken. Im Grunde war das ein sehr großes und auch extrem ungewöhnliches Crowdfunding-Projekt. Das Bemerkenswerte daran war, dass die Unterstützer eben nicht, wie sonst üblich, das Endprodukt in Form eines Albums für ihren Support bekommen, wenn es erfolgreich ist, sondern mir dadurch die Zeit zum Realisieren des Projektes „kaufen“. Das klingt kompliziert, aber ich wollte ein Zeichen setzen. Denn viele gehen mittlerweile davon aus, dass der Künstler von Luft, Liebe oder Applaus leben kann und solange die Produktionskosten für neue Musik irgendwie hereinkommen oder vom Himmel fallen, ist er dazu verpflichtet, sein Herzblut zu investieren. In den Zeiten jedoch, indem nur noch gestreamt wird, ist der Künstler aber von den enormen Umsätzen, die mit Musik gemacht werden, so gut wie abgeschnitten. Doch irgendwo muss es eben herkommen, nicht wahr? Lebenshaltungskosten sind ja nichts, wovon Künstler befreit sind.

Wie haben Ihre Fans auf das Turmbauprojekt reagiert?

Überwiegend fantastisch! Klar, das oben Geschilderte benötigte einigen Erklärungsbedarf und von allen Seiten Mut und Vertrauen. Und darum ging es auch! Dass die Aktion auch wirtschaftlich erfolgreich war, ist ein Segen, aber die Hauptsache war eine andere: Denn in Zeiten ohne Konzerte und fast ohne positives Feedback haben mir die Leute mit einem Feuerwerk klargemacht, dass meine verqueren musikalischen Erzählungen, diese am Mainstream komplett vorbeigehenden Konzeptalben, immer noch gewollt werden. Und gewollt werden, das ist das, wofür ein Signal so dringend nötig war und was so „systemirrelevanten“ Rockmusikern wie mir dann einfach auch innerlich etwas Heilung brachte nach dem Frust der letzten Jahre.
Ich gehe damit offen um. Viele Musiker wollen ihren Fans immer nur Positives vorgaukeln, weil das in dieser Branche lange Zeit als ungeschriebenes Werbe- und Promotiongesetz galt. Aber wer so Nischenkram wie ich macht, dem muss das egal sein. Ehrlichkeit regiert.

Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen. Was passiert jetzt?

Im Laufe des Jahres 2023 werde ich versuchen, meine zahlreichen laufenden Projekte zu einem guten Abschluss zu bringen und dann werde ich, wie versprochen, den drei Alben umspannenden „Turm-Zyklus“ beginnen. Das wird eine Menge Arbeit, aber es verspricht auch sehr erfüllend zu werden, denn die Fans haben nicht weniger als das verrückteste, jegliche Schubladen sprengende, ASP-Musik-Projekt aller Zeiten verdient.

Im Dezember ist Ihr Bildband namens „Das Reich des Einhorns“ erschienen. Was fasziniert Sie an Einhörnern?

Dieses Bilderbuch mit Song stellte den sechsten Teil meiner Reihe „Asp Sprengs Zwielichtgeschichten“ dar, in welcher ich mich gemeinsam mit wunderbaren Illustratoren in allen Bereichen der Phantastik austobe. Oft gibt es auch einen Song meiner zweiten Band HERUMOR dazu. Band sieben steht in den Startlöchern. Bei HERUMOR fröhne ich meiner zweiten großen Leidenschaft, der Folkmusik.

„Das Reich des Einhorns“ ist eine Hommage an den wunderbaren amerikanischen Autor Peter S. Beagle, der bedauerlicherweise hierzulande fast nur über die hübsch kitschige Zeichentrickverfilmung seines Romans „Das letzte Einhorn“ bekannt ist. Er hat grandiose, sehr poetische Phantastik geschrieben, die mich seit Jahrzehnten begleitet und erfreut. Es war also Zeit, ihm und seinen zahlreichen Blickwinkeln auf Einhörner, Tribut zu zollen.

Woher kommt Ihr Interesse an magischen Wesen?

Das rührt von meiner Begeisterung für phantastische Literatur her.

Mit dem Album „Endlich!“ endet nach zehn Jahren der Erzählzyklus „Fremder“. Wie fühlt sich das für Sie an?

Hinterlässt das eine Leere oder freuen Sie sich darauf, frei zu sein für etwas ganz Neues?
Zugleich befreiend als auch etwas beängstigend. Daher trägt das Album auch diesen Titel. Denn unsere Endlichkeit wird darin thematisiert, genauso aber auch die andere Bedeutung, dass eben etwas nach langer Wartezeit in Erfüllung geht.

Vor einigen Tagen haben Sie die Single „Die Letzte Zuflucht“ veröffentlicht. Ein Befreiungsschlag aus dunkleren Corona-Tagen?

Absolut! Der Song ist eine Hymne, geschrieben, um die Rückkehr zu unserem Publikum zu feiern. Das Motto „Es werde Licht! Es werde Lärm!“ ist dabei absolut Programm.

Im Juli treten Sie auch auf dem „Volle Kraft Voraus“ Festival auf. Mögen Sie lieber große Festivalauftritte oder Clubshows?

Beides birgt einen großen Reiz für mich. Die großen Festivals besitzen eine andere Dynamik und es ist absolut mitreißend, vor so vielen Menschen zu spielen. Wir durften zum Beispiel im vergangenen Jahr wieder einmal bei Wacken zu Gast sein – und wie viele begeisterte Menschen uns da zu nachtschlafender Zeit noch frenetisch gefeiert haben, das war schon gigantisch. Ich bin eigentlich ein Mensch, dessen Konterfei neben dem Begriff „unprätentiös“ im Wörterbuch abgebildet ist, aber in diesem Moment haben wir uns alle mal so richtig als Rockstars fühlen dürfen.

Ich gebe allerdings zu, dass die Club-Shows einen riesigen, alles schlagenden, Vorteil haben: Wir spielen dort einfach länger! Und das wiederum bedeutet: mehr ASP-Songs! Ich gehöre zu den Künstlern, die nie das Problem haben werden, ihre Setlist für ein Konzert zu füllen. Ich liebe so viele Songs aus den fast 25 Jahren ASP, dass ich immer das Problem habe, irgendwelche meiner Babys schmerzlich auf der Bühne zu vermissen. Ich kann mich wahrlich gesegnet fühlen, dass viele unserer Fans auch nicht immer nur die angeblich „guten alten Lieder“ hören wollen. Das ist ein Geschenk und daher sind unsere Tourneen für mich extreme Freudenspender.

Gehen Sie privat auf Festivals? Welche sind das?

Was bedeutet dieses Wort? Ich habe kein Leben außerhalb meines Berufs. Und wenn doch mal zufällig ein freier Augenblick auftaucht, dann schnappe ich mir meinen Hund und gehe in den Wald.

Welche Musik hören Sie privat, wenn es mal weniger düster sein soll?

Ich besitze eine extrem große Sammlung, denn ich bin immer ein Musikfan geblieben, der sich den Traum erfüllt hat, eigene Musik zu veröffentlichen. Ich habe für jede Stimmungslage gute Musik, die mich irgendwie erfüllt und mich glücklich macht. Selbst wenn sie düster ist. Aber ich höre tatsächlich auch extrem viele Musikstile gerne, bei denen die Dunkelheit nicht vorherrscht, von 80er-Jahre-Hair-Metal bis Celtic Folk, von Liedermacher bis 70er Jahre Progressive Rock. Momentan habe ich wieder meine Jethro-Tull-Phase. Da kommt zwei, drei Wochen fast nichts anderes in den Player. Ich habe mich völlig davon frei gemacht, ob andere Menschen cool finden, was ich mag. Ich schäme mich für nix, was mir gefällt. Musik ist einfach wunderbar. Natürlich, nicht alles ist nach meinem Geschmack. Mit Schlager und/oder Volkstümlichem kann man mich jagen. Weit und schnell und Haken schlagend.

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel