Susan Sideropoulos: "Wir leben hier nicht sorgenfrei"

Susan Sideropoulos ist eine von 200.000 Jüdinnen in Deutschland. Welche Erfahrungen die ehemalige GZSZ-Darstellerin mit Antisemitismus gemacht hat und warum es ihr schwerfällt, sich zum Fall Gil Ofarim zu äußern, verrät sie im Interview. 

Viele kennen Susan Sideropoulos noch als GZSZ-Star. Immerhin zehn Jahre lang spielte sie in der RTL-Serie die quirlige Verena Koch. Dem Seriengenre ist sie seitdem treu geblieben. „Danni Lowinski“, „Küstenwache“, „SOKO“, die 41-Jährige ist vielfältig einsetzbar. Doch jetzt zeigt sie sich in einer neuen Rolle. Sideropoulos führt durch eine Dokumentation über Juden in Deutschland.

Mit dem Judentum haben viele die blonde Schauspielerin bisher wohl nicht in Verbindung gebracht. Ja, ihr Name klingt nicht nach Müller, Meier oder Schmidt, aber was hat das schon zu bedeuten. Fakt ist jedoch, im Leben der zweifachen Mutter spielen jüdische Traditionen durchaus eine große Rolle. Welche Erfahrungen sie mit Antisemitismus gemacht hat, warum sie in Deutschland nicht sorgenfrei leben kann und wieso sie nichts zur Causa Gil Ofarim sagen möchte, hat Sideropoulos im Interview verraten. 

Susan Sideropoulos: Es nimmt gar nicht mal so viel Platz in meinem Leben ein. Wenn wir uns jetzt neu kennenlernen würden, dann wäre das nicht etwas, was in den ersten Unterhaltungen direkt zur Sprache kommen würde. Es ist in meinem Leben nichts, das mich einschränkt. Jüdisch sein ist für mich ein weitergegebenes Wertesystem. Das Wichtigste ist die Familie, der Zusammenhalt, Respekt und Nächstenliebe. Also gar nicht so unterschiedlich zu anderen Religionen oder Lebensmodellen. Wahrscheinlich unterscheidet es sich nur in der Vermittlung. Wir feiern auch alle jüdischen Feiertage und gehen in die Synagoge.

Was ist für Sie typisch jüdisch?

Die Feiertage sind immer mit Essen verbunden. Wir essen viel, es wird alles sehr zelebriert. Wir sind sehr viel miteinander. Wir sitzen mit Freunden und der Familie an großen Tischen zusammen. Der Glaube an sich natürlich auch.

Sind Sie sehr gläubig?

Ich kann jetzt nicht von mir sagen, dass ich wirklich an DEN Gott glaube, der da irgendwo im Himmel sitzt und die Fäden in der Hand hat. Aber ich glaube! Für mich ist Gott viel mehr Universum und Liebe. Jeder Einzelne von uns ist Gott und wir sind alle miteinander verbunden und haben einen Einfluss auf alles.

Susan Sideropoulos mit Ehemann Jakob Shtizberg und den Söhnen Joel Panagiotis und Liam Chaim. (Quelle: IMAGO / Future Image)

Geben Sie das Jüdische in Ihrem Leben auch an Ihre Kinder weiter?

Absolut. Mir ist es wichtig, dass meine Kinder das Selbstverständliche und fröhliche Miteinander lernen. Ich komme aus einer Multikulti-Familie. Ich bin sehr bunt aufgewachsen. Mein Vater ist griechisch-orthodox, meine Mutter ist jüdisch. Wir haben Weihnachten und Chanukka, Ostern und Pessach gefeiert. Ich hatte es richtig gut als Kind, weil wir einfach alle Feiertage gefeiert haben. So mache ich das mit meinen Kindern weiter. Wir leben in Deutschland, bei uns steht ein Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Trotzdem zünden wir den Chanukkaleuchter an. Im Jüdischen hat alles sehr viel Tiefgang. Jeder Feiertag hat eine Geschichte. Jedes Handeln hat einen Grund. Das vermitteln wir auch unseren Kindern, damit sie verstehen, warum gewisse Dinge so gemacht werden. Ich finde das total schön. Ich liebe Traditionen.

Hat man es als Jüdin schwer in Deutschland?

Das ist eine schwierige Frage. Vor jeder jüdischen Einrichtung finden wir immer noch Polizeischutz. Da fragt man sich: Wie kann es sein, dass wir das 2021 noch benötigen? Meine Kinder gehen in eine jüdische Schule, die von der Polizei bewacht wird. Natürlich würde es mir besser gehen, wenn das nicht nötig wäre. Ich würde lügen, wenn ich das nicht zugeben könnte. Es ist aber nicht so, dass ich mit Angst lebe. Ich sitze nicht auf gepackten Koffern, bereit zu flüchten. Ich fühle mich sehr wohl in Deutschland. Nichtsdestotrotz will ich nicht die Augen davor verschließen, dass dieses Problem existiert. Solange es Antisemitismus gibt, leben wir hier nicht sorgenfrei.

Sie sprachen vorhin vom jüdischen Essen. Ernähren Sie sich koscher?

Wir sind eher traditionell und weniger religiös. Wir essen weder koscher noch halten wir den Schabbat streng ein. An Schabbat dürfen religiöse Juden kein Auto fahren, elektrische Geräte benutzen oder arbeiten. Das machen wir alles nicht. Trotzdem halten wir uns an die Rituale. Wir zünden Kerzen an, segnen das Brot und gucken dankbar auf die Woche zurück. Das finde ich besonders schön, weil es eine Art von Achtsamkeit ist.

„Schalom und Hallo“: Die Dokumentation über 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland läuft am 25. Oktober um 20.15 Uhr im Ersten und ist in der Mediathek verfügbar. (Quelle: WDR/Gruppe 5 Filmproduktion GmbH/Marc Riemer)

Sie präsentieren im Ersten eine Doku mit den Namen „Schalom und Hallo“. Worum geht es da?

Dieser wunderbare Film handelt von 1.700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland. Es ist eigentlich eine kleine Zeitreise quer durch Deutschland und die Geschichte. Er ist nicht chronologisch aufgebaut, um es abwechselnder und spannender zu machen.

Welcher Moment ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Für mich persönlich war es auch eine Lernreise. Vieles wusste ich vorher nicht. Was mir sehr klar geworden ist, ist die Tatsache, wie eng jüdisches Leben an Deutschland gekoppelt ist. Es ist nachweislich jüdisches Leben hier gewesen. Das war für mich eine Sache, die ich sehr spannend fand. Ich habe außerdem viele interessante Menschen kennenlernen dürfen. Eigentlich hätte der Film noch viel länger sein müssen (lacht).

„Heutige Deutsche haben extreme Berührungsängste“, sagt eine der Protagonistin in der Doku. Sehen Sie das auch so?

Das empfinde ich gar nicht so sehr so. Ich glaube aber auch, dass es darauf ankommt, wie man in den Wald schreit. Denn so kommt es oft auch zurück. Ich bin sehr offen und lebe die Dinge sehr selbstverständlich. Ich glaube, je offener man in diesem Punkt ist, umso offener kommen die Menschen auch auf einen zurück. Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir alle mehr Fragen stellen und verstehen, dass Antisemitismus, genau wie Rassismus oder Homophobie, ein Problem der Gesellschaft ist und nicht der jeweiligen Gruppen. So lange so etwas existiert, haben wir alle ein Problem. Das sollte einfach keinen Platz haben in unserer Gesellschaft. Wenn es Terror oder Anschläge gibt, dann passiert das immer noch in unserem Land. Zivilisten sind oft am falschen Ort und dann kann es doch jeden von uns treffen.

Wie würden Sie jüdisches Leben heute beschreiben?

Den Blick auf heute find ich sehr spannend, weil er für mich selbst auch sehr wichtig ist. Ich habe mich irgendwann dazu entschieden, ein kleines Fenster bei Social Media zu öffnen, um zu zeigen: So sieht mein privates jüdisches Leben aus. Jüdisches Leben ist sehr vielfältig. Es gibt die Liberalen, die Orthodoxen, die Traditionellen oder die Religiösen. Es gibt die Möglichkeit das jüdische Leben ganz unterschiedlich auszuleben.

Sie haben sicher die Aufregung um Gil Ofarim mitbekommen, was sagen Sie dazu?

Dazu möchte ich lieber nichts sagen.

Warum nicht?

Es ist ja noch gar nicht geklärt. Deswegen finde ich es schwierig, dazu irgendeine Meinung zu äußern. Da ist gerade sehr viel Trubel. In Zeiten, in denen Social Media wahnsinnig komplex ist und Menschen sich berufen fühlen, zu allem und jedem eine Meinung laut rauszuschreien, bevor man überhaupt irgendwas weiß, tue ich mich ein bisschen schwer. Davon möchte ich gern einfach kein Teil sein.

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Haben Sie schon mit Antisemitismus zu tun gehabt? Sind Sie wegen Ihres Glaubens schon einmal angefeindet worden?

Tatsächlich habe ich bisher noch überhaupt keine Erfahrungen mit Antisemitismus in meinem Leben gemacht. Dennoch kenne ich natürlich Menschen, die das erleben mussten, und die Fakten und weiß, dass es oft passiert. Wir haben leider ein großes Problem mit diesem Thema in Deutschland.

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