Rassismus-Vorwürfe in der Königsfamilie: "Seit 30 Generationen in Käfighaltung"

  • Das Interview von Meghan und Harry bei Oprah Winfrey schlägt weiterhin hohe Wellen.
  • Vor allem der Vorwurf des Rassismus im Königshaus wiegt schwer.
  • Das größte Problem laut einem Experten: Die Royal Family lebt „seit 30 Generationen in Käfighaltung“.

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Das Interview, das Prinz Harry und Herzogin Meghan bei Oprah Winfrey gegeben haben, wirkt weiter nach. Die britische Königsfamilie hat bekannt gegeben, sie sei „traurig“ darüber, wie „herausfordernd“ das royale Leben für Harry und seine Frau gewesen sei.

Die in dem Interview „aufgeworfenen Fragen über Rassismus“ würden „von der Familie privat angesprochen“. Die Öffentlichkeit wird also wenig darüber erfahren, welche Diskussionen die Königsfamilie intern zu diesem Thema führt.

Der Royals-Experte Leonhard Horowski ist sich sicher: Das Problem liegt nicht nur in der britischen Geschichte, sondern mindestens genauso an der abgeschotteten Lebensweise des Königshauses und dessen rigider Heiratspolitik.

Es könne keinen Zweifel geben, sagt Horowski im Gespräch mit unserer Redaktion, dass Großbritanniens Aufstieg zur Weltmacht untrennbar mit Kolonialisierung und Sklavenhandel verbunden sei. Eine persönliche Verstrickung des Königshauses in diese Geschichte gebe es aber nicht.

Sklavenhandel machte auch das Königshaus reich

„Die imperialen Aktivitäten Großbritanniens in Amerika, Indien und Afrika waren riskant, anstrengend und schmutzig“, so Horowski. Die Königsfamilie habe sich deshalb kaum daran beteiligt. Allenfalls in Ungnade gefallene jüngere Söhne der Oberklasse hätten sich in den Kolonien engagiert. Aber auch das Königshaus habe indirekt vom Sklavenhandel und dem damit wachsenden Reichtum des Landes profitiert.

Immerhin schaffte das Empire den Sklavenhandel gut 30 Jahre vor den USA, im Jahr 1833, ab. Erst 1860 reiste mit Edward VII. der erste britische Monarch in eine Kolonie. „Das Königshaus hat ein Herrschaftssystem repräsentiert, das mit der Ungleichheit der Rassen begründet wurde. Aber es hat nie selbst aktiv interveniert“, fasst Horowski zusammen.

Wichtiger im Zusammenhang mit dem aktuellen Rassismusvorwurf: Die Königsfamilie hatte und hat keinen engeren Kontakt zu Menschen mit anderer Hautfarbe. Horowski formuliert es so: „In den Herrscherhäusern Europas gab es einen selbstverständlichen, unhinterfragten Kult der Reinheit des Blutes“.

Weil der Hochadel ausschließlich innerhalb des eigenen Kreises heiratete, stellte sich die Frage von Dunkelhäutigkeit in der Familie nicht – „die Familie lehnte ja sogar die allermeisten Weißen als nicht zugehörig ab“.

Wer in diesem engen Kreis aufgewachsen sei, so der Experte, könne es etwa schon „seltsam und ungewöhnlich“ finden, dass Prinz Williams Frau Kate Middleton zur Familie gehören soll. Deren Eltern seien zwar reich und Kate habe im Internat „genau dieselben Manieren anerzogen bekommen wie die Royals“ – trotzdem bleibe sie in den Augen der Königsfamilie „die Tochter einer Stewardess“.

„Rassistischer Schmuck“ beim Kennenlernen mit Meghan

Horowski kommt deshalb zu einem harten Urteil: Das Königshaus sei eine brutale und verformte Institution von Hunde- und Pferdezüchtern“, die sich, im Alltag abgeschottet von der nicht-adeligen Bevölkerung, „seit 30 Generationen in Käfighaltung“ befinde.

Nach den Rassismus-Vorwürfen: "Den Zirkus ignorieren" reicht nicht

Schon einmal hätte die Königsfamilie beinahe ein dunkelhäutiges Mitglied bekommen: Zu Anfang der 2000er-Jahre war der Inder Aatish Taseer drei Jahre lang mit Lady Gabriella Windsor liiert. Eine Hochzeit kam aber nicht zustande. In einem Artikel für die Zeitschrift „Vanity Fair“ beschrieb Taseer später seine Zeit im Kensington Palace.

Experte Horowski fasst den Inhalt so zusammen: „Die Familienmitglieder sind nicht ernsthaft rassistisch, aber ziemlich seltsam.“ Für einen veritablen Skandal sorgte allerdings später Lady Gabriellas Mutter, die Prinzessin Michael of Kent: Zum Kennenlern-Dinner mit Meghan trug sie, auffällig platziert, den sogenannten „Mohrenschmuck“ – eine Brosche, die schwarze Sklaven zeigt. In der Presse war von „rassistischem Schmuck“ die Rede.

Davon abgesehen scheint ihre koloniale Vergangenheit die Briten eher kalt zu lassen. Entschädigungen oder Wiedergutmachung für ehemals versklavte Völker sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Ein Projekt zur Erfassung jener Engländer, die im 19. Jahrhundert Sklaven hielten, beruhte auf Unterlagen darüber, welche Sklavenhalter nach Abschaffung der Sklaverei finanziell entschädigt wurden – von einer Entschädigung der Opfer war damals und ist heute nicht die Rede.

Auch von der Königsfamilie habe es niemals „die große Geste“ zur Distanzierung von diesem Teil der Vergangenheit gegeben, so Horowski.

Die aktuelle Diskussion wird nach Einschätzung des Experten auch keine Veränderung bewirken. „Es verfestigen sich nur die Positionen, die man vorher schon hatte“, so Leonhard Horowski. Auf der Linken fühle man sich in dem Urteil bestätigt, dass die Monarchie „korrupt und kaputt“ sei. Bei konservativen Kommentatoren und in Boris Johnsons Regierung hingegen halte sich die Ansicht, Prinz Harry sei „auf diese amerikanische Schauspielerin hereingefallen“ und werde nun von Meghan „manipuliert“.

Ein Problem könnte allerdings auf Prinz Charles zukommen. Längst bekannt sind seine Pläne, zukünftig die Zahl der Prinzen und Prinzessinnen einzugrenzen. Die von ihm vorgeschlagene Lösung würde auch die Kinder von Harry und Meghan treffen. Sollte sie weiterverfolgt werden, müsste Charles wohl mit erneuten Rassismusvorwürfen rechnen.

Verwendete Quellen:

  • Vanity Fair: Aatish Taseer: Race and the Royals: An Outsider’s View Inside Kensington Palace. (26.4. 2018)
  • Vogue: Mary Scherpe: Warum der Hype um Königshäuser unsinniger Elitenfetisch ist und die Royals abgeschafft werden sollten. (16.3.2019)
  • Vogue: Kemi Fatoba: Meghan Markle muss kein Vorbild für Women of Colour sein, sie ist etwas viel Wichtigeres – eine Identifikationsfigur. (13.3.2019)

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