Neuer Podcast über Rainer Winkler: Wer hat Angst vorm Drachenlord?

  • Der als „Drachenlord“ bekannte YouTuber Rainer Winkler lieferte sich auf seinen Social-Media-Kanälen eine beispiellose Fehde mit seinen Followern.
  • Nachdem Winkler in einem Stream seine Adresse verraten hatte, verlagerte sich das Geschehen in die reale Welt und eskalierte komplett.
  • Ein neuer Podcast widmet sich dem bislang größten Fall von Cybermobbing in Deutschland und seinen Folgen.

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Es ist nicht einfach, in den sozialen Medien aktiv zu sein, ohne komplett zu verbittern oder den Glauben an jegliches Gute im Menschen zu verlieren. Man sollte deshalb zum Selbstschutz einige Regeln beachten. Eine der wichtigsten lautet: Don’t feed the Troll. Gemeint ist damit, dass man nicht auf Trolle, also Personen, die bewusst in Kommentarspalten und Foren provozieren wollen, reagieren sollte. Denn dies setzt in der Regel eine nicht enden wollende Eskalationsspirale in Gang.

Ein Paradebeispiel für eine solche Eskalation ist der Fall von Rainer Winkler, besser bekannt als der „Drachenlord“. Der YouTuber aus dem fränkischen Dörfchen Altschauerberg arbeitete sich an Kritikern seiner Videos in einer Mischung aus Wut, Sturheit und Einfältigkeit derart ab, dass dadurch immer mehr Hater angelockt wurden. Diese machten sich einen Spaß daraus, den „Drachenlord“ zu ärgern und zu beleidigen.

Was 2011 mit einem YouTube-Kanal mit acht Abonnentinnen und Abonnenten begann, entwickelte sich zum größten und spektakulärsten Fall von Cybermobbing in Deutschland. Mittlerweile wurde Winkler zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, sein YouTube-Kanal ist gesperrt. Der 33-Jährige ist obdachlos und auf der Flucht vor den „Haidern“, wie sich die Hater in Anlehnung an Winklers fränkischen Dialekt nennen.

Der „Drachenlord“ wollte nicht für den Podcast aufgenommen werden

Das „Drachengame“ – so bezeichnen die Hater ihre Dauerfehde mit Winkler – verursachte Hunderte Polizeieinsätze, es kam zu Übergriffen und Strafanzeigen. Der Frage, wie es so weit kommen konnte, geht der Podcast „Cui Bono: Wer hat Angst vorm Drachenlord?“ nach. Der Podcast-Autor und Host Khesrau Behroz und sein Team sprachen unter anderem mit Hatern, mit dem zuständigen Polizeichef aus Neustadt an der Aisch und mehrfach mit dem „Drachenlord“ selbst.

Winkler wollte bei diesen Gesprächen allerdings bislang nicht aufgenommen werden. Voraussichtlich wird sich der „Drachenlord“ selbst in dem Podcast also nicht äußern, auch wenn der finale fünfte Teil, der am 8. Dezember erscheinen wird, derzeit noch in der Produktion ist.

Und so fasst der Podcast zunächst einmal die Geschehnisse der letzten Jahre zusammen. Alles begann damit, dass die Meme-Seite „Lachschon“ auf die dubiosen Videos des Heavy-Metal-Fans und Gamers aufmerksam wurde und ihm durch Memes und Verlinkungen mehr Reichweite bescherte. Auf diese Weise wurde die Grundlage für die verhängnisvolle Symbiose geschaffen, auf der das „Drachengame“ basiert.

Mobbing und Beleidigungen machten Rainer Winkler zum Influencer

Auf das immer heftiger werdende Mobbing reagierte der „Drachenlord“ mit immer krasseren Ausrastern und Verfehlungen. Dieses gegenseitige Hochschaukeln bescherte seinem YouTube-Kanal stetig mehr Popularität. Winkler, der keinen Schulabschluss und Beruf hat, wurde zum Influencer. Er verdiente mit seinen Videos Geld und genoss seinen zweifelhaften Ruhm.

Schließlich missachtete er am 2. Februar 2014 aber die nächste goldene Social-Media-Regel und gab persönliche Daten in einem Livestream preis. „Traut euch, kommt zu mir“, sagte der „Drachenlord“ und drohte den Hatern mit Prügel. Dann nannte er seine Adresse in Altschauerberg.

Ab diesem verhängnisvollen Tag verlagerte sich das „Drachengame“ aus den sozialen Medien in die reale Welt, aus Cybermobbing wurden echte Übergriffe. Wenig später standen erstmals Hater vor Winklers Haus, kurz darauf lösten sie einen Großeinsatz der Feuerwehr aus, indem sie einen fiktiven Brand bei Winkler meldeten.

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Fast 900 Hater versuchten die „Drachenschanze“ zu stürmen

Auf dem Höhepunkt im August 2018 versuchten fast 900 Hater die „Drachenschanze“, wie Winklers Haus genannt wurde, zu stürmen. Nur ein Großaufgebot der Polizei konnte dies verhindern, die im Podcast zu hörenden Audioaufnahmen von diesem Tag mit Sirenen, Böllern und Geschrei klingen nach Bürgerkrieg im eigentlich so beschaulichen 40-Einwohner-Dorf Altschauerberg. Winkler selbst scheute die verbale und körperliche Konfrontation mit seinen Anti-Fans zu keinem Zeitpunkt, wegen schwerer Körperverletzung und Beleidigung wurde er schließlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Während die Zusammenfassung der Geschehnisse vor allem Menschen verblüffen dürfte, die den Fall Rainer Winkler bisher noch nicht verfolgt haben, ist der spannendste Teil des Podcasts die Suche nach den Motiven der Hater. Manche steigerten sich derart in den Streit mit Winkler hinein, dass sie es sich zum Ziel machten, den YouTuber in den Selbstmord zu treiben. Wieder andere betrieben das Cybermobbing aus Vergnügen, angetrieben von einer Mischung aus Voyeurismus, Fremdscham und Sadismus.

Auch wenn Winkler seinen Teil zur Eskalationsspirale beigetragen habe, sei eine Sache klar, sagt Podcast-Macher Behroz: „Rainer Winkler ist in allererster Linie ein Opfer. Die zunehmende Gewalt, die steigende Wucht des Hasses und die vielen, vielen Straftaten: Sie haben vor allem ihn getroffen. Online wie offline.“

In den sozialen Medien kann jeder ein Star werden – mit fatalen Folgen

Vielleicht ist Winkler auch ein Opfer unserer Lebensumstände, die durch die Möglichkeiten der neuen Medien in den letzten 20 Jahren rasant verändert wurden. Der Podcast greift dies am Beispiel der Show „Big Brother“ auf, die im Frühjahr 2000 den Startschuss für Reality-TV in Deutschland gab. Was damals begann und immer wieder als „Menschenzoo“ bezeichnet wurde, fand seine noch extremere Fortsetzung in den sozialen Medien.

Wer ein Publikum findet, kann ein Star sein. Dabei ist es völlig egal, ob man charakterlich oder intellektuell dafür geeignet ist, in der Öffentlichkeit zu stehen. Denn gerade Menschen, die scheitern, die sich blamieren, die ihre eigene Unzulänglichkeit nicht realisieren, üben eine große Anziehungskraft auf andere aus. „Wenn du weißt, es geht dir schlecht, guck einfach auf den Winkler. Dann geht es dir wieder gut“, sagt ein anonymer Hater in dem Podcast.

Weshalb „Cui Bono: Wer hat Angst vorm Drachenlord?“ nicht nur den Fall Rainer Winkler, sondern einige der drängendsten und spannendsten Fragen unserer Zeit behandelt. Wie verhindert man Cybermobbing? Kann das Internet ein teilweise rechtsfreier Raum sein, in dem anonym gedroht, beleidigt und gelogen werden darf? Wie kann verhindert werden, dass Hass und Hetze im Netz zu Übergriffen und Gewalt in der realen Welt führen? Die Antworten darauf hat unsere Gesellschaft noch nicht gefunden.

Verwendete Quellen:

  • Die ersten beiden Folgen des Podcasts „Cui Bono: Wer hat Angst vorm Drachenlord?“

Youtuber "Drachenlord" räumt Angriffe "aus Wut" ein

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