Diesen Rat ihres Vaters beherzigt sie noch heute

Nach ihrem „Tatort“-Aus ist Aylin Tezel jetzt in einer beklemmenden Crime-Serie zu sehen. Mit t-online spricht sie über Kampfsport, ihre Ambitionen als Filmemacherin und ihre Work-Life-Balance.

Aylin Tezel gehört zu den spannendsten Charakterdarstellerinnen Deutschlands. Acht Jahre lang ist sie festes Mitglied im Dortmunder „Tatort“, 2013 gewinnt sie den Deutschen Schauspielpreis, und vor zwei Jahren spielt sie neben US-Star Joseph Gordon-Levitt in dem Thriller „7500“.

Eines ihrer neuen Projekte heißt „Unbroken“. Eine düstere Crime-Serie, die ab 23. Februar bei ZDFneo zu sehen sein wird. Wieso diese Herausforderung Tezel an ihren Vater erinnerte und warum ein Bürojob nichts für die 37-Jährige wäre, erzählt sie im Interview mit t-online.

t-online: Ein wuchtiger Auftritt, den Sie in „Unbroken“ hinlegen, Frau Tezel. Hat Ihnen diese Rolle viel abverlangt?

Aylin Tezel: Ja, absolut. Ich habe schon viele sehr unterschiedliche Rollen gespielt, aber in „Unbroken“ war ich wirklich auf allen Ebenen gefordert.

Sie haben Szenen gespielt, in denen es hart zur Sache ging.

Ja, körperlich war ich unglaublich gefordert, weil Alex eine sehr kämpferische, aggressive Frau ist. Zur Vorbereitung habe ich Kickboxunterricht bekommen in London und später in Köln, wo wir die Serie gedreht haben, habe ich Stunttraining gemacht. Ich hatte sehr viel Lust, die Stunts alle selbst zu machen.

Aylin Tezel: Sie spielt in „Unbroken“ Alex, die ihr Kind verloren hat. Doch nicht aufgrund einer Fehlgeburt – sie wurde entführt und wachte im Wald ohne ihr Baby wieder auf. (Quelle: ZDF)

Waren Ihre Erfahrungen mit Judo und Taekwondo bei den Dreharbeiten denn hilfreich?

Da war ich echt noch mini, als ich diese Sachen gemacht habe. (lacht) Das war in der Grundschule. Tatsächlich bin ich durch meine Judoerfahrung aber körperlich mutig und kann mich auf Herausforderungen sehr gut einlassen. Auch meine Tanzerfahrungen kamen mir da entgegen.

Sie haben unter anderem lange Ballett gemacht.

Ja, aber nicht nur Ballett: auch Streetdance, Hip-Hop, lateinamerikanische Tänze – ganz unterschiedliche Sachen. Wenn man als Kind schon viel körperlich gemacht hat, fühlt man sich mit seinem Körper relativ sicher und weiß, dass man sich auf ihn verlassen kann. Das ist für mich ein großes Geschenk. Ich bin ein großer Fan von einem flexiblen, starken Körper.

Ein Bürojob wäre also nichts für Sie?

Auf keinen Fall. Ich könnte niemals den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen und nur meinen Kopf benutzen. Für mein Naturell ist es ganz wichtig, dass ich auch meinen Körper benutze.

Zurück zu „Unbroken“: Sie sagten, da wäre aber noch etwas anderes gewesen, was Sie besonders gefordert hat.

Diese Frau geht mit einem großen Trauma in diese Geschichte. Psychisch mit diesem Druck umzugehen, der Alex antreibt, das war ein sehr intensives Erlebnis.

War es eine Befreiung, auch mal wieder derart groß aufspielen zu können?

Was sich für mich wie eine große Freiheit angefühlt hat, war, dass ich mit einer gewissen Kompromisslosigkeit an diese Rolle herangehen konnte. Diese Hauptrolle, die ich spiele, trägt die ganze Serie. Für mich war von vornherein klar: Wenn ich das mache, muss ich brutal ehrlich sein.

Wie meinen Sie das?

Die Erarbeitung der Rolle erfolgte in enger Absprache mit dem Regisseur, den Autoren und dem Produzententeam. Ich habe tatsächlich sehr früh in der Produktionsphase an diesem Prozess teilgenommen und wurde nach meiner Meinung gefragt. Ich konnte an meiner Rolle, an dem Hintergrund der Figur, aber auch an den Dialogen mitarbeiten.

Aylin Tezel und Joseph Gordon-Lewitt: Die Schauspielkollegen von „7500“ bei der Premiere ihres Films auf dem 72. Locarno Film Festival. (Quelle: Future Image/imago images)

Das ist ungewöhnlich.

Ja, es unterscheidet sich ganz stark von anderen Projekten. Oft bekommt man erst sehr spät das Drehbuch in die Hand gedrückt, dann hat man im besten Fall eine Leseprobe und kann versuchen, an dem einen oder anderen Wort zu schrauben.

Woran liegt das?

Es kommt immer darauf an, wer dahintersteckt. Manche Regisseure und Autoren sind sehr streng und möchten nicht, dass etwas geändert wird. Bei „Unbroken“ hatte ich das Gefühl: Entweder ich mache es richtig oder gar nicht. Das ist ein Satz, den mein Vater mir beigebracht hat. Er hat das schon sehr früh in meinem Leben gepredigt. Das ist zu meinem Lebensmotto geworden.

Ihr Vater ist Arzt. Da wird dieses Motto zur überlebenswichtigen Prämisse.

Ja genau, mein Vater macht die Dinge auch immer richtig, wenn er sie anpackt. Das zieht sich bei ihm genauso durch sein Leben. Das ist bei ihm nicht nur in beruflicher Hinsicht so, sondern auch im Privaten. Er macht Dinge immer sehr gut und sehr präzise. Das habe ich von ihm gelernt: Wenn ich mich einer Sache verschreibe, dann richtig. Deshalb suche ich mir auch keine Sachen aus, die ich nur so mittelmäßig finde.

„Unbroken“ ist also ganz und gar überdurchschnittlich?

Für mich war jedenfalls klar, dass ich diese Rolle mit meiner ganzen Energie, mit meiner Lust und Liebe ausfülle und alles gebe, was ich habe. In solche Projekte tauche ich komplett ein.

Sie haben mit 37 Jahren schon eine beachtliche Vita vorzuweisen. Gönnen Sie sich auch mal eine Pause?

Ich habe im letzten Jahr tatsächlich so viel gearbeitet, wie lange nicht. Und das trotz Corona, was sicherlich ungewöhnlich ist. Ich habe zum Beispiel an einem Drehbuch geschrieben.

Sie schreiben auch selbst? Was ist das denn für eine Geschichte?

„Falling into place“ – das wird auch mein Regiedebüt. Das bereite ich gerade mit Weydemann Bros. vor – das sind die Macher von „Systemsprenger“.

Was haben Sie noch gemacht?

Ich habe einen neuen Film in Israel gedreht, mit der Regisseurin Pola Beck, mit der ich „Am Himmel der Tag“ gemacht habe im Jahr 2012.

Ein sensationeller Erfolg damals für Sie, es gab unter anderem den Deutschen Schauspielpreis in der Nachwuchskategorie.

Ja, das war ein Herzensprojekt für mich und so ist es auch die neue Romanadaption „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. Für diesen Film habe ich Arabisch, Hebräisch, Russisch, Französisch und Deutsch sprechen müssen in meiner Rolle. Das war sehr intensiv in der Vorbereitung und so hatte ich eben ein sehr erfüllendes, aber auch sehr herausforderndes Jahr 2020.

Sind Sie ein Workaholic?

Für mich fühlt sich Arbeit an, als würde mich jemand dafür bezahlen, dass ich meinem Hobby nachgehe. Das, was ich am liebsten in meiner Freizeit mache: Dafür bekomme ich auch noch Geld. Gilt das als Workaholic?

Solange Sie dabei nicht unter gesundheitlichen Problemen leiden müssen, klingt das eher nach: Glück gehabt. Manche arbeiten nur, um Geld zu verdienen und haben keinen Spaß dabei.

Wissen Sie, wenn ich Rollen verkörpere oder Drehbücher schreibe, dann fokussiert sich meine Kreativität und für mich hat das etwas von Entspannung. Ich empfinde das als etwas unglaublich Schönes und nicht als Arbeit.

Sie hören sich dabei sehr ambitioniert an. Was haben Sie sich für Ziele gesteckt?

Für mich ist es nicht so, dass es irgendwo ein großes Ziel gibt, das ich in 25 Jahren erreichen will. Der Weg, auf dem ich mich mit dieser Arbeit und als Künstlerin befinde, das ist für mich das Ausleben dieser Kunst. Es gibt für mich kein fertiges Produkt, weil ich mich als Künstlerin auch ständig weiterentwickle.

Also sagen wir es so: Ihre persönliche Weiterentwicklung ist der Anspruch, den Sie selbst an sich stellen?

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Ich finde es einfach schön, zu sehen, wie man sich beim Erwachsenwerden immer mehr entwickelt und diese Reise, dieses Erforschen, immer neue Abenteuer miterleben und mitgestalten zu dürfen, das macht mich glücklich.

Die Miniserie „Unbroken“, in der Aylin Tezel die hochschwangere Kriminalkommissarin Alex spielt, startet am 23. Februar auf ZDFneo und ist parallel dazu in der ZDF-Mediathek abrufbereit. In den sechs Episoden wird eine beklemmende Suche nach dem Säugling von Alex zu einer Tour de Force, die tief in das Seelenleben der Protagonistin und ihrer engsten Vertrauten eintaucht. 

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