Bekannter Ex-Häftling gibt Boris Becker Überlebenstipps: "Er muss an den ersten Tagen im Knast aufpassen"

Autor Jens Söring saß selber 33 Jahre im Gefängnis

Bekannter Ex-Häftling gibt Boris Becker Überlebenstipps: "Er muss an den ersten Tagen im Knast aufpassen"

von Sebastian Tews

Was Boris Becker (54) jetzt durchmachen muss, kann ER bestens nachempfinden! In einem der spektakulärsten transatlantischen Kriminalfälle der letzten Jahrzehnte wurde Jens Söring (55) 1990 wegen Doppelmordes zu zwei lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Der Autor wurde beschuldigt, die Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom getötet zu haben. Sein anfängliches Geständnis widerrief er, beteuerte anschließend und bis heute andauernd seine Unschuld. Insgesamt saß Söring 33 Jahre hinter Gittern – die erste Zeit davon in den Londoner Gefängnissen H.M.P. (Her Majesty’s Prison) Brixton und H.M.P. Wormwood Scrubbs, die laut ihm baugleich wie Boris Beckers Gefängnis Wandsworth sind. Söring machte im Knast heftige Erfahrungen, sah u.a. eine Vergewaltigung und fand seinen Zellengenossen erhängt in der Zelle vor. Bilder, die er nie wieder aus dem Kopf bekam, wie er sagt. „Boris Becker muss speziell an den ersten Tagen im Gefängnis aufpassen“, rät er dem gefallenen Tennis-Star. Im Interview mit RTL erklärt er, warum.

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"Als Promi werden Leute versuchen, ihn zu vergewaltigen"

„Die ersten Tage sind super gefährlich für Boris Becker“ meint Jens Söring, der seit 2019 wieder auf freiem Fuß ist. „Die Inhaftierung ist ein riesiger psychischer Schock und die anderen Häftlinge werden wissen, dass er in diesem Zustand ist. Die werden versuchen, das auszunutzen.“ Wie könnte das konkret aussehen? „Es gibt zum Beispiel ein Spielchen, das nennt sich ‚Shake and Bake‘“, erzählt Söring. „Zwei Häftlinge arbeiten zusammen und suchen sich einen Mann aus, den sie fertig machen wollen. Der eine Häftling bedroht diesen Menschen dann und der andere im Team tut dann so, als wenn er ihn schützen würde. Und dadurch schaffen sie eine Abhängigkeit und können diesen neuen Häftling manipulieren. Wenn man von diesen Tricks nichts weiß, kann man darauf reinfallen.“

Söring meint: „Boris Becker darf sich auf keinen Fall in Abhängigkeiten begeben, indem er Essen, Chips oder Drogen annimmt. Es werden auch einige Häftlinge kommen, die ihm Schutz bieten wollen. Das darf er auf keinen Fall annehmen. Denn am Ende erwartet der Schutzbietende, dass man gefügig und ihm hörig ist – ihn sogar gegebenenfalls sexuell befriedigen muss.“ Söring weiter: „Herr Becker hat diesbezüglich den Vorteil, dass er nicht mehr jung ist. Aber als weltweiter Promi werden ihn gewisse Leute angreifen oder ihn sogar versuchen zu vergewaltigen, nur um damit Ruhm zu erlangen. Das passiert oft in Gefängnissen. Herr Becker sollte immer irgendwo sein, wo die Wärter ihn sehen können. Und er darf niemanden vertrauen und sollte so wenig Kontakt wie möglich zu Mithäftlingen haben.“

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"Man muss ständig um die Hackordnung kämpfen"

Angeblich soll Boris Becker den Status „High Profile“ haben und einem Trakt mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen sein, der ihn vor Übergriffen schützt. Doch das könne auch Nachteile für den Sport-Star haben, meint Söring: „Das nannte sich zu meiner Zeit ‚Rule 43‘ und ist meistens für Sexualstraftäter, Informanten oder eben Prominente. Da kann man vor der Gewalt vielleicht ein bisschen besser geschützt werden. Aber der Preis, den man dafür zahlen muss, ist dass man vielleicht noch ein bisschen weniger Freigang bekommt. Man ist dann fast die ganze Zeit in der Zelle drin, was dann zu Frust und psychischen Problemen führt.“

Ein weiteres Problem für Becker sei, dass Wandsworth laut Söring ein „U-Haft-Gefängnis“ ist: „Für Leute, die auf ihren Prozess warten und die dann nach einer Verurteilung in ein anderes Gefängnis verlegt werden“, erklärt der Autor. „Das ist ein Problem. Denn wenn die Insassen sich ständig erneuern, ist alles sehr instabil und das führt zu Gewalt, weil man ständig um die Hackordnung kämpfen muss. Teilweise stehen die Leute noch unter Drogen- oder Alkoholeinfluss, weil sie gerade erst verhaftet worden sind.“

Wandsworth ist fast baugleich mit dem Brixton-Gefängnis, in dem Jens Söring gesessen hat. Deswegen kann der Autor sich die Atmosphäre dort gut vorstellen: „Das sind Gebäude, die drei bis vier Stockwerke hoch sind. Wenn man reingeht, ist das erste, was einem entgegen schlägt, der Gestank von 170 Jahren Angstschweiß, Fäkalien und Urin. Es sind wie in einer Galerie auf beiden Seiten Zellen über einem. In dem offenen Raum dazwischen sind Metallnetze gespannt, um Selbstmorde zu verhindern. Denn von oben stürzen sich gerne mal Häftlinge hinunter, um sich das Leben zu nehmen. Weil alles offen ist, ist der Lärm unglaublich.“ Kein Ort, an dem man sein Dasein fristen möchte.

"Ich habe viel entsetzliche Gewalt gesehen"

„Ich war insgesamt drei Jahre und acht Monate in englischen Gefängnissen und habe dort viel entsetzliche Gewalt gesehen“, so Söring. „Bei einem Zwischenfall hat jemand einen Topf mit heißem Wasser und darin aufgelöstem Zucker einem Kinderschänder ins Gesicht gekippt. Der kochende Zucker hat sich ins Gesicht reingefressen, so dass das Fleisch vom Gesicht abgefallen ist. Das war einfach unfassbar brutal.“

Sein Rat an Boris Becker, um in einer solchen Hölle zurecht zu kommen: „In Wandsworth muss er sich so weit wie möglich zurückziehen und jeden Kontakt mit anderen Häftlingen vermeiden. Und er sollte Briefe oder Mails schreiben und jede Möglichkeit nutzen, emotional und gedanklich aus dem Gefängnis herauszukommen. Mich hat der Kontakt zu vielen Leuten in der Außenwelt emotional gerettet.“

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