Babylon – Rausch der Extase: Drei Stunden Margot Robbie mit fast nichts drunter

Kinostart: 19.1.2023 – der neue Film von „La La Land“-Macher Damien Chazelle – Filmkritik

Babylon – Rausch der Extase: Drei Stunden Margot Robbie mit fast nichts drunter

von Mireilla Zirpins

Als versoffener Errol-Flynn-Verschnitt mit Unterhemd, weißen Shorts und Strumpfhaltern tritt Brad Pitt zum Wet-T-Shirt-Contest an. Margot Robbie kokst als Hollywood-It-Girl der wilden 1920er weißes Pulver bergeweise weg. Sie trägt in drei Stunden „Babylon“ so gut wie nichts drunter und tanzt sich fast die Seele aus dem spärlich bekleideten Leib, während rings um sie herum die nackten Brüste nur so fliegen und Gäste es ungeniert miteinander treiben. Shooting-Star Diego Calva schleppt in seiner ersten Szene einen Elefanten auf eine Hollywood-Party – und Mann, hat das Vieh Stuhlgang. Dass Damien Chazelle („La La Land“) mit seinem neuen Film nicht kleckern will, sondern klotzen, macht er schon vor dem Vorspann klar. Hier ist wirklich alles exzessiv. Doch hält die bildgewaltige Fleischbeschau, was sie verspricht? Nun, nicht ganz.

Brad Pitt und Margot Robbie mit dem Flair von Stummfilmstars

Keine Frage, es macht Spaß, Brad Pitt dabei zuzuschauen, wie er als alternder, aber immer noch schmucker Stummfilmstar Jack Conrad mit Clark-Gable-Gedächtnisfrisur und -Oberlippenbart melancholisch von Party zu Party und von Ehefrau zu Ehefrau zieht und immer trauriger wird, weil sein altes Hollywood mit dem Beginn des Tonfilms nie mehr das Gleiche zu werden droht – ein Schicksal, das Jack mit Nellie LaRoy (Margot Robbie) teilt. Sie ist am Anfang ein hübsches Mädchen aus einfachen Verhältnissen, das vom Filmset träumt – genauso wie der mexikanischstämmige Handlanger Manuel „Manny“ Torres (Diego Calva). Mit einem sensationellen Table Dance, bei dem Nellie kurz einen Blick auf ihre blanke Brust gewährt, wird sie zum Star. Aber auch sie scheidet die Traumfabrik bald wieder aus, als es mit dem Stummfilm zu Ende geht.

Exzessiver Sinnesrausch mit Brad Pitt und Margot Robbie

Der Einzige, der in diesem System beständig aufsteigt, ist der ultraflexible Manny, der sich an die neuen Trends anpassen und immer wieder neu erfinden kann, der zwar nicht vom Tellerwäscher zum Millionär wird, aber vom Elefanten-Boy zum Produzenten. Er zieht lieber hinter der Kamera die Strippen, obwohl auch er ultragut aussieht. Aber dass er heimlich in Nellie verliebt ist, ist seine Achillesferse….

Hollywood-Wimmelbild mit vielen Nackten: Damien Chazelles "Babylon"

Es dauert ein bisschen, bis wir uns hineingesehen haben in Damien Chazelles opulente Hollywood-Wimmelbilder voller Anspielungen auf die Filmgeschichte, in seine Party-Tableaus mit nackten Kopulierenden, Kotzorgien auf plüschigen Teppichen und die zahlreichen Leichen, die den Weg der Filmemacher pflastern. Dass man sich damit schwertun kann, liegt daran, dass einem die Helden der Geschichte nicht so richtig ans Herz wachsen, dass sie zu sehr Konzeptfiguren bleiben, dass die Romanze zwischen Nellie und Manny eher behauptet wird als wirklich zu knistern.

Dabei spielen alle drei Hauptdarsteller toll, bekommen aber in den vielen blitzlichtartigen Einzelsequenzen nicht genug Gelegenheit, ihren Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Das liegt vor allem am Drehbuch, das jederzeit bereit ist, die Glaubwürdigkeit der Story einer netten visuellen Idee zu opfern und uns uns immer ein bisschen außen vor fühlen lässt. Aber klar, wir sind ja nichts anderes als Zaungäste in Hollywood.

Wann ist man als Star wirklich abgemeldet?

Die Botschaft von „Babylon“ ist von Anfang bis Ende deutlich: Ein Menschenleben zählt in Tinseltown nicht, selbst wenn man es geschafft zu haben meint, ist man nicht mehr als ein Rädchen im Hollywood-Getriebe und macht trotzdem mit, weil die Magie nicht nur auf der Leinwand entsteht, sondern auch schon durch die Kulissen weht.

Oder um es zu formulieren, wie es die scharfzüngige Journalistin Elinor Jack Conrad an den Kopf wirft: Wenn du als Hollywood-Star deinen Zenit überschritten hast, kannst du dein Comeback nicht erzwingen, sondern dich nur damit trösten, dass du zumindest mit deinen erfolgreicheren Filmen Unsterblichkeit erlangen wirst. Und natürlich hat der Abgesang auf die Stummfilm-Ära gewisse Parallelen zur Situation des Kinos nach dem Siegeszug der Streaming-Dienste – Chazelle drückt uns mit der Nase drauf, wenn er Nellie, Manny und Jack immer wieder im Kinosaal die Reaktion des Publikums spüren lässt.

Bildgewaltig und exzessiv – "Babylon" ist 180 Minuten Augenweide für Filmfans

Wie bildgewaltig Damien Chazelle hier das Kino feiert, ist schon eine Wucht und macht Spaß anzusehen – auch wenn es reichlich eklige Szenen gibt, etwa wenn uns Tobey Maguire in den „Arsch von Hollywood“ entführt oder Margot Robbie mit einer Klapperschlange aneinandergerät. Hier ist alles exzessiv, von den Filmzitaten bis zum Orchester, das „Babylon“ toll musikalisch untermalt. Chazelle gibt jedem Impuls nach, Filmfans noch ein Easter Egg unterzujubeln oder hier und da noch eine Anekdote oder einen Exkurs einzufügen – manchmal zu Lasten der Story und der Charaktere. Etwas mehr Stringenz und das ein oder andere Gelage weniger wären sicher nicht verkehrt gewesen – und eine historisch korrekte Ausstattung für die 1920er-Garderobe auch. Aber Margot Robbie, Diego Calva und allen voran Brad Pitt machen, dass man sich die 180 Minuten (!) trotzdem gern gibt.

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