Saltatio-Mortis-Mitglied Falk: "Meine Jungs auf der Bühne sind meine Brüder"

  • Die Mittelalter-Rockband Saltatio Mortis gibt es seit mehr als 20 Jahren.
  • Im Interview erzählt die erfolgreiche Band, dass sie wie „eine Familie“ füreinander sind.
  • Außerdem erklären die Männer, weshalb sie sich für Gleichberechtigung einsetzen.

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Vier Nummer-eins-Alben in Folge und ausverkaufte Konzerte zeigen, wie beliebt Saltatio Mortis und ihr Mittelalter-Rock sind. Ihre Karriere startete die Band 2000 als Straßenmusiker. „Wir lebten unseren Traum von Freiheit und Abenteuer“, blickt Gunter Kopf alias Falk im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news auf die damalige Zeit zurück.

Am 27. August veröffentlichten sie nun ihr Nummer-eins-Album „Für immer frei“ (2020) in der „Unsere Zeit“-Edition mit acht neuen Songs. Falk und seine Bandkollegen Jörg Roth alias Alea, Robin Biesenbach alias Luzi und Jan Mischon alias Jean erzählen unter anderem, wie sie mit ihrem Erfolg umgehen und was sie von der Diskussion in der Veranstaltungsbranche halten, Konzerte nur noch mit der 3G- oder 2G-Regel stattfinden zu lassen.

Saltatio Mortis starteten vor 20 Jahren ihre Karriere

Ihre Karriere begannen Sie als Straßenmusiker. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit zurück?

Falk: Als wir vor mittlerweile über 20 Jahren mit unserer Art der Musik begonnen haben, gab es kein Publikum und keine Bühne für das, was wir taten. Es gab Mittelaltermärkte, aber da war man immer noch sehr an Minnesang und Lautenklang gewöhnt. Brachiale Dudelsackmusik musste auch erst ihren Weg auf die Märkte finden. Es war eine wundervolle Zeit, bei der es schien, als stünde uns alles offen. Es gab keine Grenzen. Wir erlebten den Zauber unserer Musik am eigenen Leib, in dem die Musik ganze Plätze zum Innehalten und spontanem Tanz verführte. Es war aber auch eine Zeit der Entbehrungen und – von außen betrachtet – vielleicht sogar wenig erstrebenswert. Aber wir lebten unseren Traum von Freiheit und Abenteuer.

Alea: Wir lebten im Moment. Ich glaube, genau das ist es, was ich an dieser Zeit des Aufbruchs in meiner Erinnerung so sehr schätze. Wir waren wild und wollten die Straßen erobern. Was morgen passiert, war egal. Natürlich ist das eine romantisierte Erinnerung, es gab auch sehr viele Rückschläge.

Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?

Falk: Wir haben gelernt, auf unser Publikum zu hören und die Energie zu erfühlen, die durch so eine Menschenmenge fließt. Außerdem haben wir daraus erfahren, dass Band, Bühne und Musik nur im Zusammenspiel mit dem Publikum wirklich großartig werden können. Daneben haben wir aber auch Bescheidenheit und Demut gelernt. Es ist für uns nach wie vor eindrucksvoll, dass unsere Zuhörenden ihr sauer verdientes Geld in unseren Hut werfen oder davon CDs oder Konzertkarten kaufen. Wir sind für all das dankbar. Es besteht nicht die Gefahr, dass Saltatio Mortis abgehoben wird. Dafür sind wir durch unsere Anfänge zu sehr geerdet.

Die Musik von Saltatio Mortis verbindet Menschen mit „ihren Wurzeln“

Der Mittelalter-Rock ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Woran, glauben Sie, liegt das?

Jean: Interessanterweise haben wir uns diese Frage auch schon gestellt. Offensichtlich geht von den archaisch anmutenden Klängen der Borduninstrumente nach wie vor eine große Faszination aus – und diese trifft sich mit dem Bedürfnis des Publikums nach authentischer, handgemachter Musik, fernab vom immer gleich klingenden Mainstream-Einheitsbrei. Das ist uns nur recht.

Falk: Für mich liegt es an der Sehnsucht der Menschen nach ihren Wurzeln, nach etwas, das Bestand hat. Nach einer Art deutschem Folk, der im Nachkriegsdeutschland keinen Platz haben durfte und an einer gefühlten Rückbesinnung auf eine „gute alte Zeit“, wohlweislich, dass dies mehr als nur fantastisch ist. Handgemachte Musik auf historisierenden Instrumenten funktioniert in eigentlich jedem Kulturkreis. Doch erst in Verbindung mit zeitgemäßen Instrumenten und Rhythmen ist es für uns die perfekte Synthese. Sozusagen unser Erfolgsrezept.

Luzi: Ich denke, viele Menschen sind auf der Suche danach, ihr alltägliches Leben und die Probleme, die dieses oft mit sich bringt, für kurze Zeit hinter sich zu lassen und in eine Welt abzutauchen, in der Erhöhung des Rentenalters, Nahostkonflikte und Fake News keine Rolle spielen.

„Es ist ein Geschenk, dass wir von der Musik leben können“

Wie gehen Sie selbst mit Ihrem Erfolg um? Wie schaffen Sie es, auf dem Boden zu bleiben?

Falk: Im Prinzip liegt das an unseren Ursprüngen auf der Straße. Es ist auch gar nicht so schwer, am Boden zu bleiben, wenn man nach einem anstrengenden Tour-Wochenende wieder nach Hause kommt und mit all den ganz normalen Alltäglichkeiten zu ringen hat, wie jeder andere auch.

Luzi: Ich denke auch, dass es viel mit unserem Werdegang zusammenhängt. All das, was wir bisher erreicht haben, haben wir uns selbst erarbeitet und sind uns bewusst, wie schnell man wieder an diesen Punkt kommen kann, an dem man sich etwas zu Essen vom Pfandgeld holen muss. Besonders die letzten eineinhalb Jahre haben einmal mehr gezeigt, wie zerbrechlich der Traum ist, von der eigenen Musik leben zu können.

Jean: Nun ja, Erfolg… ein großer Teil der musikhörenden Bevölkerung kennt uns immer noch nicht. Aber das wollen wir gerne ändern. Für mich persönlich ist es ein riesiges Geschenk, dass wir mittlerweile von der Musik leben können. Das war nicht immer so und zwischendurch ein wirklich steiniger Weg. Die Erinnerung an dieses „Sich-Durchbeißen-Müssen“ und nicht zu vergessen, woher man kommt, ist für mich Bodenhaftung genug.

Hatte der Erfolg auch schon Schattenseiten für Sie?

Alea: Natürlich ist auch in unserem Job nicht immer alles Gold, was glänzt – und an so manchem Tag wünscht man sich dann vielleicht schon, nicht erkannt zu werden. Aber das Schöne ist, dass ich mir diesen Weg selbst aussuchen konnte und den damit verbundenen Job so sehr liebe. Ich glaube, das Schwierigste an unserem Job ist, dass man auch an seinem schlechtesten Tag, an dem man eventuell krank oder schlecht gelaunt ist, auf der Bühne ein Lächeln zeigen muss und will. In den meisten Fällen habe ich jedoch erlebt, dass die Bühne alle schlechten Vibes heilen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.

Luzi: Keine nennenswerten. Klar wird mal das Essen kalt, weil man ein Autogramm gibt, oder man steht nur mit Bademantel bekleidet im Flur, macht ein Foto mit dem Pizzaboten und hofft, dass alles bedeckt ist… aber das ist weit entfernt davon, eine Schattenseite zu sein.

Saltatio Mortis setzt sich für Gleichberechtigung ein

Mit dem Musikvideo zu „Nie Allein“ haben Sie eine wahre Gleichberechtigungs-Hymne geschaffen. Warum ist es Ihnen so wichtig, sich gerade in der jetzigen Zeit für dieses Thema einzusetzen?

Jean: Weil wir gerade in der aktuellen Zeit eine nie dagewesene Spaltung unserer Gesellschaft erleben. Stündlich, nein, sogar minütlich kann man im Web und den Alltagsmedien immer neue Artikel und Gründe für Empörung finden, mehr und mehr werden wir geflutet mit Berichten, in denen dann jeweils diese oder jene Gruppe von Menschen verantwortlich gemacht wird für die Probleme unserer Zeit. Klar, in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft werden auch die Probleme vielfältiger und man muss auch streiten können – aber wir vergessen viel zu oft, dass es sich bei „den anderen“ eben auch um Menschen handelt. Diesen Fokus wollten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten einmal geraderücken.

Falk: Weil dieses Thema noch lange nicht zu Ende ist. Weil es noch so viel Ungerechtigkeit und Unrecht gibt, das wir tagtäglich erleben und auch erdulden müssen. Weil es noch so vieles zu verbessern gilt und wir das satthaben.

Die Band ist wie „eine Familie“

Über 20 Jahre stehen Sie nun schon gemeinsam auf der Bühne. Ist die Band mittlerweile zu so etwas wie einer Familie geworden?

Falk: Saltatio Mortis ist aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Diese Band, was sie tut und wofür sie steht – das ist mein Leben und somit auch meine Familie. Meine Jungs auf der Bühne sind meine Brüder.

Jean: Auf jeden Fall! Auch in unserem Podcast ging es gerade darum: Eine Band ist eine ganz krude Mischung aus Freundschaft, Familie und einer sehr, sehr speziellen Form von Ehe…

Luzi: Oh ja! Und wie in jeder guten Familie gibt es die verschiedensten Charaktere und Rollen. Die Mutti, die alles zusammenhält, die Brüder, die immer zanken und der etwas seltsame Onkel, der sich auf Feiern immer danebenbenimmt. Genau das macht am Ende unsere Musik und unsere Auftritte aus. Und ich würde es mir nicht anders wünschen.

Gibt es zwischen Ihnen auch mal Streit oder läuft alles harmonisch ab?

Alea: Wir sind Menschen, natürlich hängt da auch mal der Haussegen schief. Aber unsere Band ist eine Familie, und ich vergleiche unser Miteinander gern mit einem Meer. An der Oberfläche kann es schon mal rauer zugehen, aber in der Tiefe herrscht Harmonie.

Jean: Klar gibt es auch mal Zoff! Bei einer Band aus so vielen Individuen bleibt das nicht aus. Aber es geht ja nicht darum, dass alles immer Friede, Freude, Eierkuchen sein muss, sondern um die Frage, wie man mit Konflikten umgeht. Und dass man sich anschließend wieder die Hand reichen kann oder nach bewältigtem Streit ein Bier zusammen trinkt. Das Bewusstsein, dass ich bei meinen Kollegen alles ansprechen kann und wir irgendwie eine Lösung finden werden – auch, wenn es zwischendurch mal unangenehm wird – das macht für mich das Besondere bei uns aus und ist einer der Gründe, warum es uns schon so lange gibt.

Luzi: Das bleibt natürlich nicht aus. Ich bin sehr froh, dass wir uns im Nachhinein trotzdem noch in die Augen schauen können und ein Bier zusammen trinken. Und ich weiß, dass ich auf jeden zählen kann, wenn es wirklich drauf ankommt.

So erlebten Saltatio Mortis die Corona-Pandemie

Das Album heißt „Für immer frei“. Freiheit ist vielen in der Corona-Pandemie durch die Lockdowns und Einschränkungen abhandengekommen. Wie haben Sie sich in dieser Zeit trotzdem Ihre Freiheit bewahrt?

Jean: Indem wir das gemacht haben, was wir am besten können: Musik. Auch um unserem Publikum zu zeigen, dass es uns noch gibt, wir nicht aufgeben werden – ganz egal, wie schwierig die Situation auch sein mag – und dass sie mit ihren Ängsten und Wünschen nicht alleine sind.

Alea: Ich bin ganz klar nicht der Meinung, dass wir unsere Freiheit eingebüßt haben. Wir haben das getan, was eine Gesellschaft stark macht. Wir haben zum Wohle aller gehandelt. Ich finde das sehr wichtig. Freiheit ist auch im Herzen – und ich persönlich messe sie nicht daran, ob ich eine FFP2-Maske tragen soll.

Wie sehen Sie die Diskussionen zu den Corona-Einschränkungen für Konzerte und Veranstaltungen? Sollte es Ihrer Meinung nach bald nur noch Veranstaltungen mit der 3G- (oder 2G-)Regel geben?

Jean: Das müssen Menschen entscheiden, die hoffentlich viel schlauer sind als wir. Aber meiner Meinung nach werden uns das Virus und die Folgen davon wohl leider erhalten bleiben. Also müssen Mittel und Wege gefunden werden, wie man damit umgeht. Die Veranstaltungsbranche hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie durchaus in der Lage ist, sehr gute Konzepte zum Umgang mit der neuen Situation zu entwickeln. Insofern habe ich Hoffnung für alles, was noch kommt.

Falk: Wir waren uns als Band alle einig darüber, dass nur, weil wir mal wieder auf einer Bühne spielen wollen, kein Mensch seine Gesundheit oder die seiner Liebsten zu gefährden hat.

Tour muss ohne Lasterbalk stattfinden

Lasterbalk ist Vater geworden und wird nun erst mal nicht mehr mit Ihnen auf Tour gehen. Wie traurig sind Sie darüber?

Jean: Viel trauriger wäre ich, wenn mein Bandkollege nicht die Chance hätte, sein privates Glück zu genießen und sein Leben so zu leben, wie er es möchte. Kollegialität und Freundschaft muss sich eben vor allem auch dann zeigen, wenn sich Wege mal trennen. Ich wünsche ihm alles Glück der Welt und schaue zurück auf viele tolle Jahre gemeinsamer Erlebnisse und Erinnerungen. Dennoch geht das Bandleben weiter – und gerade jetzt mit einer Energie, die ich so seit langer Zeit nicht mehr in der Truppe gespürt hab. Manchmal setzt so eine Veränderung eben auch neue Ressourcen frei.

Falk: Er bleibt uns im Hintergrund erhalten und arbeitet Seite an Seite mit uns anderen am Saltatio der Zukunft. Nur nicht mehr auf der Bühne, sondern daneben.

Alea: Ich finde es so schön, unseren Freund und Bruder glücklich zu sehen. Ich habe ihn in 20 Jahren noch nie so aus dem Herzen strahlen gesehen wie in den Momenten, wenn er von seiner kleinen Prinzessin erzählt oder sie auf dem Arm trägt. Für mich ist das Glück der Menschen am wichtigsten. Für alles andere finden wir gemeinsam Wege, denn wir sind eine Familie.

Das steht dieses Jahr noch auf dem Programm

Was haben Sie sich für dieses Jahr noch vorgenommen?

Falk: Zunächst einmal, schön und gut alle Konzerte zu spielen, die wir dieses Jahr noch vor uns haben. Egal, wie viele Menschen vor uns in Strandkörben sitzen oder um Stehtische stehen. Wir wollen allen das Gefühl eines echten Konzertes schenken. Dann erscheint zudem noch die Re-Edition unserer Platte „Für immer frei“ in der „Unsere Zeit“ Version. Wir freuen uns so sehr darauf. Hier kann man sozusagen am Album verfolgen, was wir in den 18 Monaten Bühnenabstinenz alles getan haben.

Jean: Ganz viele tolle Konzerte mit großartigem Publikum und wundervoller Atmosphäre. Außerdem ist nach dem Album immer auch vor dem Album… © 1&1 Mail & Media/spot on news

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