Jazzfestival Saalfelden mit königlichem Auftakt im Congress

An ihm kommt man heuer kaum vorbei: Lukas König ist in diesem Konzertsommer quasi überall anzutreffen – sei es in der Karlskirche beim Wiener Popfest oder als perkussiver Sidekick der durch die Lande tourenden Bilderbuch. Wozu er wirklich im Stande ist, bewies der Schlagzeugtausendsassa Freitagabend beim Jazzfestival Saalfelden, wo er die Hauptbühne im Congress eröffnete. Dort wurde klar: Auch ein Kapperl kann eine Krone sein.

Ohne seine Kopfbedeckung ist der Multiinstrumentalist kaum anzutreffen, so auch diesmal. Unterstützt von Pat Thomas (Klavier), John McCowen (Klarinette), Farida Amadou (E-Bass) und Luke Stewart (Kontrabass), servierte er bei der mit „Sound Hazard“ betitelten Auftragsarbeit eine Stunde lang ein Best-of seiner jüngsten Vorhaben, angefangen beim Beckenalbum „Messing“ bis zu kleinen Auszügen eines noch unveröffentlichten Marimba-Projekts. Ganz generell gilt bei König: Alles ist zu erwarten und nichts ist gewiss. Was für das Publikum zwar viel Kopfarbeit bedeutet, aber letztendlich immer lohnend ist.

Den Rundflug durch den königlichen Klangkosmos begann das Quintett mit einer atmosphärisch dichten Abfolge von flächigen Passagen, die mit dezent eingestreuten Grooveandeutungen konterkariert wurden, bevor es im zweiten Abschnitt deutlich nachvollziehbarer wurde. Amadou setzte da ihr Instrument beinahe postrockig ein, während der im Zentrum positionierte König seine Armada an Klangerzeugern für intensive Ausflüge in ferne Welten nutzte. Nuancen gaben da den Ausschlag, ob der rauschhafte Sog ins Düstere kippte oder doch lichte Höhen erklomm. Kleine Glitches, massive Drones, filigrane Melodien: Alles war dabei, um deutlich zu machen, dass Genrekonventionen selbst im Jazz für Lukas König keine Grenzen darstellen, sondern höchstens kleine Hindernisse, die es mit Leichtigkeit zu überwinden gilt.

Aber man muss ja nicht immer jenseits aller Regeln fündig werden, auch guter alter Soul mit reichlich Rockgestus kann erfreuen, wie Uche Yara mit ihrer Band bei der bestens besuchten Parkbühne im Anschluss bewies. Wo das Wiener Trio Dives zuvor noch eher Dienst nach Vorschrift ablieferte, war die oberösterreichische Musikerin eine sichere Bank in Sachen Publikumsanimation und nahm die bei freiem Eintritt erschienene, bunt gemischte Meute von der ersten Sekunde an mit.

Etwas, was auch den Leftovers im Kunsthaus Nexus zu späterer Stunde gelingen sollte: Die Rockband, die es sich ungeniert, aber auch ziemlich sympathisch im Grunge-Fahrwasser der 90er bequem gemacht hat, zog wohl die jüngste Fanschar des Tages an und sorgte schnell für reichlich Bewegung vor der Bühne. Songs für die No-Future-Generation? Ein Klacks für dieses Gespann – womit Intendant Mario Steidl wieder einmal sein Händchen für eine kluge, weil abwechslungsreiche und unterschiedliche Schichten ansprechende Programmierung mehr als bewiesen hätte.

Auf der Hauptbühne im Congress gab es ohnedies nur wenige Wünsche, die an diesem Tag offenblieben. Der argentinische Pianist Leo Genovese jagte sein Trio durch wilde, der freien Form huldigende Landschaften, wobei die drei Musiker (neben dem Chef noch Demian Cabaud am Bass und ein furioser Jeff Williams am Schlagzeug) meist wie gleichberechtigte Kapitäne wirkten, die sich in harter, aber fairer Auseinandersetzung auf ihr Ziel einigten. Hauptsache, es wurde niemandem langweilig beim eingeschlagenen Kurs.

Und wer sich nach so viel wilder Energie, anspruchsvollen Läufen und eigenwilligen Harmonien noch nach etwas Schönklang sehnte, wurde beim Stimmzauberer Andreas Schaerer fündig: Der Schweizer präsentierte mit Gitarrist Kalle Kalima und Bassist Tim Lefebvre das im September erscheinende Album „Evolution“, auf dem klassische Songstrukturen dem Experiment vorgezogen werden. Live klang das vielfach wie eine etwas ungewohnte Version von Postmetal à la Karnivool oder The Contortionist, wenn eben das perkussive Element aus dem Munde Schaerers kam (seine Beatbox-Künste ließ er klarerweise nicht im Köcher), bevor sich der Sänger in ihm wieder in den Vordergrund drängte. Da hatte man bei „Trigger“ beinahe das Moshpit vor Augen – nur dass die Jazzer doch eher im Sitzen zum Headbangen ansetzten. Einen Nachschlag davon gibt es im Übrigen am 16. November im Wiener Porgy & Bess. Davor müssen ohnedies noch zwei intensive Tage am 43. Jazzfestival Saalfelden genossen werden. Vielfalt ist eben Trumpf in der Pinzgauer Bergwelt.

(S E R V I C E – )

(APA)

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