Danger Dan im Interview: "In den USA hört man nem Rapper zu – auch ohne Klavier"

  • Diesen Freitag erscheint Danger Dans Klavieralbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“.
  • Den gleichnamigen Song hat das Mitglied der Rapcrew Antilopen Gang bereits vor vier Wochen veröffentlicht. Seitdem ist das Video auf YouTube mehr als 2,6 Millionen mal angeklickt worden.
  • Dem Erfolg traut er noch nicht, sagt Danger Dan im Interview mit unserer Redaktion: „Gucken wir mal, ob Karl Lauterbach nach dem ersten Hype noch immer Antilopen-Gang-Fan ist.“

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Für Ihr neues Album haben Sie sich ans Klavier gesetzt. Sie singen statt zu rappen. Die außergewöhnliche Platte erscheint auf dem eigenen Label Ihrer Band, bei Antilopen Geldwäsche. Hat Ihr früheres Label JKP gesagt: Das ist uns zu künstlerisch?

Danger Dan: Die haben gesagt: Boah, jetzt schon wieder so ein randständiges Liebhaber-Projekt? Habt ihr nicht Bock, das mal selber zu versuchen? Außerdem hatten wir wegen der Pandemie ganz wenig Geld und ganz viel Zeit. Die wollten wir nutzen, um auszuprobieren wie es ist, alles selbst zu machen. Jetzt freuen unsere Freunde von JKP sich total mit uns und stehen uns mit Rat und Tat zur Seite. Denn die Arbeit haben wir unterschätzt. Wir dachten, es sei so ein Kleinkunst-Album und haben nicht damit gerechnet, dass das so weite Kreise zieht, weil es erstmal nicht besonders zeitgeistig ist. Also zumindest musikalisch nicht.

„Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hat inzwischen allerdings mehr als 2,6 Millionen Aufrufe bei Youtube. Der Rapper Edgar Wasser hat Alice Weidel als „lesbischen Reptilienmenschen“ bezeichnet. Alligatoah weist in einem Rap auch auf seine Kunstfreiheit hin. Und wer schon alles die AfD erschießen wollte … hätten Ihre Inhalte in Rapform überhaupt noch provoziert?

Ich hab‘ das nicht konzeptionell entschieden. Mir ist dann aber auch aufgefallen: Als Antilopen Gang haben wir ähnlich brisante Lieder gemacht, die nicht so eine große Reichweite hatten. Jetzt beziehen sich plötzlich bekannte Buchautoren darauf oder Karl Lauterbach und andere SPD-Politiker feiern das. Leuten, die auf einer Theaterbühne Klavier spielen und singen, hört man scheinbar anders zu. Rap ist dagegen immer noch das Schmuddelkind. Ich glaube, da schwingt auch viel Rassismus mit. Rap hat seinen Ursprung in einer migrantischen Subkultur und der Blick darauf ist immer noch defizitär. Scheinbar erwartet man von Rappern überhaupt keine spannende gesellschaftliche Analyse. In Deutschland zumindest. In den USA hat Rap eine andere Geschichte und gesellschaftlich einen anderen Stellenwert. Und man hört nem Rapper zu – auch ohne Klavier.

Im Song „Ingloria Victoria“ rechnen Sie mit Ihrem früheren Gymnasium ab. Spüren Sie Genugtuung darüber, dass Ihnen nun auch Lehrer und Lehrerinnen und Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zuhören?

Ja, das freut mich sehr. Mir wurde von der ersten bis zur elften Klasse, die ich viermal versucht habe, immer wieder aufgezeigt, wie defizitär ich eigentlich bin. Die Schule hat mich rausgeschmissen, weil für jemanden wie mich da kein Platz war. Als Heranwachsender war das furchtbar verletzend. Es hat Jahre gedauert, mir selbst zu sagen: Eigentlich bist du cool, kannst ein paar Sachen und hast ein paar schlaue Ansichten. Die Schule hat mir das nicht vermittelt. Und leider bin ich nicht reflektiert genug, keine Rache-Phantasien zu haben. Auch das haben sie mir nicht beigebracht. Selbst Schuld!

Sie lachen. Aber diese Schule war ja nicht der einzige Ort, an dem Sie angeeckt sind. Was ist für Sie anstrengender: Mit dem Fahrwasser schwimmen oder dagegen?

Es ist beides anstrengend. Ich habe wirklich oft versucht, mit dem Strom zu schwimmen, weil mir gesagt wurde: Du musst den geraden Weg gehen, sonst passiert was ganz Schlimmes. Ganz am Ende steht wahrscheinlich: „Du wirst Penner“. Oder noch krasser: „Du stirbst“. Das löst Ängste aus. Ich habe immer wieder versucht, ein normales Leben zu führen. Ich habe so oft verkackt. Das war anstrengend für alle Beteiligten: für meine Lehrer, für meine Eltern, aber auch für mich. Mit 18, 19 hatte ich starke Panikattacken, weil ich immer das Gefühl hatte, ich muss jetzt irgendwas machen, damit mein Leben nicht vor die Hunde geht.

Wie haben Sie sich von dem Anspruch an ein bürgerliches Leben gelöst?

Die Panikstörung hat aufgehört, als ich in eine Punker-WG gezogen bin. Ich hatte auf einmal Gleichgesinnte, die auch gesagt haben: Ich will kein bürgerliches Leben, sondern in Rohbauten schlafen und in der Fußgängerzone fünf Euro für nen Döner sammeln. Das war für mich total heilsam. Ich musste irgendwann mal so richtig verloren gehen, um dann frei entscheiden zu können: Was will ich eigentlich? Heute hab’ ich eine Siebträgerkaffeemaschine.

Der Text von „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ ist dennoch provokant. Als Liedermacher bietet Ihnen nicht nur die Kunstfreiheit einen Schutzraum, sondern auch Feuilleton und bürgerlicheres Publikum.

Ich hoffe, dass ich wirklich einen Schutzraum des Bürgertums habe. Bis jetzt ist noch nichts passiert. Mir ist klar, dass ich mich aus einer sehr privilegierten Position heraus ins Fadenkreuz von Nazis begebe. Es gibt ganz viele Leute, die das nicht bewusst entscheiden können. Es ist gefährlicher, Schwarz zu sein und in Magdeburg umzusteigen, als im ZDF ein Lied auf dem Klavier zu spielen. Aber genau deswegen spiel‘ ich doch im ZDF auf dem Klavier – genau um die Leute geht es mir doch.

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Sie haben den Song nach einem, wie Sie sagen, „geheimen Hinterzimmertreffen“ geschrieben – einem linken Salon, zu dem Jean Peters eingeladen hat. Der Mann, der Beatrix von Storch 2016 als Clown verkleidet eine Torte ins Gesicht warf. Was passiert in einem linken Hinterzimmer? Zigarre und Whiskey? Karl Marx? Aufbau einer linken Terrorzelle?

Jean hatte nen Brot gebacken. Wir wurden aufgefordert, Wein und Käse mitzubringen. Aber er hat mich gebeten, dass ich weder den Ort noch die Gästeliste verrate. Und da halte ich mich dran. Keine Namen, keine Strukturen. Der Staat liest mit. Aber so viel kann ich sagen: Das ist nicht so radikal, wie man sich das vorstellt. Es ging in erster Linie darum, Psychohygiene zu betreiben. Das Thema an dem Abend war Resignation.

Waren Sie resigniert?

Ich habe mich gar nicht so resigniert gefühlt. Jean Peters meinte vor allem sehr große Problematiken wie den Klimawandel oder weltweite Flüchtlingsbewegungen, wo es super schwierig ist, als Einzelperson Einfluss zu nehmen.

Herausgekommen ist ein Lied über die Neue Rechte.

Das ist ja auch ein wichtiger Schwerpunkt, der mich beschäftigt: der Rechtsruck, die rechtsterroristischen Anschläge. Gleichzeitig immer wieder neue Enttäuschungen von Sicherheitsbehörden, die scheinbar nicht in der Lage sind, das unter Kontrolle zu kriegen. Sondern die dann auch noch in sowas verwickelt sind, wie man beim NSU, beim NSU 2.0 und dieser ganzen Hannibal-Geschichte wieder mitbekommen hat. Das macht mich immer wieder enttäuscht und sauer.

Danger Dans neues Album "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt"

Aber nicht resigniert?

Noch nicht resigniert genug, um aufzuhören, Lieder darüber zu schreiben.

Sie singen, man vertraue nicht auf den Staat. Für das Album haben Sie einen Zuschuss von der Initiative Musik bekommen, die Künstlerinnen und Künstler mit 15.000 bis 20.000 Euro fördert. Das Geld stammt von der Staatsministerin für Kultur. Das klingt nach geförderter Staatszersetzung.

Das klingt für mich wie ein Kompliment. Ich freue mich auf jeden Fall, dass ich das ganze Geld bekommen habe. Und ich würde noch mehr Geld vom Staat nehmen.

Glauben Sie, dass der Danger-Dan-Stil durch Ihren Erfolg in Zukunft mehr Einfluss auf die Musik Ihrer Rap-Crew Antilopen Gang haben wird?

An den Erfolg glaube ich noch nicht so richtig. Jetzt gibt es erst noch mal zwei Wochen Hype – und dann gucken wir mal, ob Karl Lauterbach in der Woche darauf immer noch Antilopen-Gang-Fan ist. Da bin ich mir nicht so sicher. Wir haben alle ein Vetorecht, auch bei Solo-Projekten der anderen, weil wir uns gegenseitig nicht in Grund und Boden blamieren wollen. Das wird auch so bleiben.

Ihr Album hat noch viel mehr zu bieten als „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Trotzdem reden alle nur von dem einen Song.

Das ist die sich immer wiederholende Antilopen-Gang-Tragödie. Das hatten wir schon mit „Fick die Uni“, mit „Beate Zschäpe hört U2“, mit „Pizza“. Jetzt ist es dieses Lied. Das ist schon ein bisschen schade. Das Album ist voller Liebeslieder und voller Liebe. Ich rede die ganze Zeit über Politik – und niemand redet mit mir über Liebe.

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