Wie bastelt man einen Popstar?

Das erwartet man bei der Premiere eines doch hoffentlich pädagogisch wertvollen Jugendtheaterstücks nicht. Bei einer kurzen Einführung im Foyer versprach ein Marketingberater, dass es während der Vorstellung Gelegenheit zu Fotos geben werde, die dann umgehend auf Instagram geladen werden müssten.

Der smarte junge Mann ist natürlich der erste Fake eines starken Stücks über die wunderbare Welt der Influencerinnen und der Popsternchen im Internet. Wenn es später so weit ist, wird sich das gut erzogene junge Publikum der Schauburg zunächst etwas zieren, aber gegen die Befehle „Handys raus! Fotos machen!“ gibt es dann keinen Widerstand.

„Fake It Till You Make It“ eröffnet sehr wirkungsvoll die letzte Runde der Neuproduktionen in der Schauburg nach dem Total-Lockdown der Theater und vor der Sommerpause. Die Story: Kendi hat bereits einen großen Hit bei You Tube und Spotify. Der Nachfolgesong soll noch besser verkauft werden und das Video wird vor den Fans produziert.

In aufgezeichneten Interviews geben alle Beteiligten bereitwillig Auskunft über sich und ihre Jobs: Natürlich der Medienberater, aber auch der Gesangscoach, der Choreograf oder der Stylist. Der Filmregisseur (Michael Schröder) sieht sich selbstverständlich in der Tradition der künstlerischen Avantgarde wie Louise Bourgeois oder Jeff Koons.

Die Mutter (Simone Oswald) nennt sich einen „Momager“, eine Mutter, die auch die Managerin ihres Kindes ist. Hört man ihrem Plappern eine Weile zu, entfaltet sich die Tragödie einer Frau, die in Gestalt von Kendi ihren zweiten Anflauf macht, ganz oben und von allen geliebt zu sein. Und Kendi (Helene Schmitt) präsentiert sich ihren Followern.

Dabei wird der Mix aus den vorproduzierten Statements, live gespielten Szenen im Filmstudio und erste Blicke auf den halb fertigen Spot zu einem sich allmählich zuziehenden Netz, das Stephanie van Batum und Florian Schaumberger über die durchinszenierte Realität eines Mädchens werfen und auch zu der „erhellenden Show“, die die beiden versprechen.

Höhepunkt des Fakes sind die kosmetischen „Korrekturen“, die aus der „sweeten“ die „toughe“ Kendi machen sollen. Der Schönheitschirurg freut sich über den „höher gesetzten Po“ und das Mangement ist begeistert vom Einsatz der Brustimplantate: „Jetzt kann niemand mehr ihr enormes Talent übersehen“.

Solches zeigt das gesamte Team in jedem Fall, denn sowohl der Song, der hier bebildert werden soll (Jonas Braun, Nalan Karacagli) als auch die rasant geschnittenen Sequenzen des Videos sind hoch professionell gestaltet und die mitunter artistischen Choreografien sind hinreißend. Dabei geht es nur um einen Werbespot mit stark erotischer Aufladung und austauschbarem Produkt: Zunächst für einen Lutscher, und später um „Pink Drink“, eine rosa Dosenlimo.

Schauburg, wieder am 10., 11. Juni, 19 Uhr, % 23337155

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