Schön schauriger Horror-Exorzismus im Wiener "Tatort: Das Tor zur Hölle"

Teufelsaustreiber gibt es wirklich, und sie arbeiten genau so wie in Horrorfilmen. Jedenfalls, wenn man dem schön schaurigen Wiener „Tatort: Das Tor zur Hölle“ glaubt.

Eine KritikvonIris Alanyali

Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wo, wenn nicht in Wien, könnte ein Tor zur Hölle liegen. Etwa Ludwigshafen? Oder in Dortmund? Nein, es ist schon ganz richtig, wenn es der „Tatort“ aus Wien ist, der sich des Themas Exorzismus annimmt. Schließlich hat die kaiserliche Residenzstadt nicht nur viele alte Gemäuer zu bieten, sondern erlebte um 1900 eine besonders morbide kulturelle Blütezeit. In der Epoche des Fin de Siécle („Ende des Jahrhunderts“) entstanden Kunst und Literatur voller Endzeitstimmung und Todessehnsucht, und Traumdeuter Siegmund Freud nahm sich furchtlos der verborgenen Ängste und Wünsche seiner Patienten an.

Und mit einer Szene wie aus einem Traum geht es gleich los. Schön schaurig bereitet sie auf den kommenden Horror vor: Ein weiß gekleidetes Mädchen geht neugierig durch ein altes Bauernhaus, dem Klang seltsamer Gesänge folgend. Die stammen von einer Séance seltsamer Gestalten. Es folgen Geschrei, ein Blut tropfender Wasserhahn und eine Leiche, die von der Decke hängt – als hätte Stephen King hier kurz vorbeigeschaut.

Und da sollen wir dem Geistlichen glauben, der kurz darauf den Ermittlern Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) die Exorzismuspraktiken der katholischen Kirche erklären und hinzufügen wird, mit den Szenen aus Horrorfilmen habe Teufelsvertreibung nichts zu tun?

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Das Spiel mit dem Teufel

Der Fall, der uns mit den Wiener Kommissaren in die Hölle locken soll, ist der tote Prälat Manfred Gabler, der schwer misshandelt auf den Stufen vor seiner Kirche liegt. Der Priester gehörte dem Befreiungsdienst an, erfahren die staunenden Ermittler vom Pressesprecher des Wiener Bischofs – das ist der Fachbegriff für die Praxis des Exorzismus: Fürchten gläubige Kirchengänger, vom Teufel besessen zu sein, könnten sie den Befreiungsdienst ihrer Diözese anrufen, so der Sprecher. Dann würde sich der zuständige Priester den Fall ansehen – mit Unterstützung durch einen Psychiater, um festzustellen, ob vielleicht „nur eine psychische Krankheit“ vorliege.

Offenbar hatten es Gabler und sein beratender Psychiater August Sittsam (Sven Eric Bechtolf) gerade mit einer besonders geheimnisvollen und gepeinigten Patientin zu tun, einer jungen Frau, die in den Terminbüchern nur als „N.“ (Maresi Riegner) auftaucht.

Auf die Suche nach ihr konzentrieren sich Eisner und Fellner nun – und in ihren Wohnungen beginnen nachts Bilder von den Wänden zu fallen und blutige Inschriften zu erscheinen.

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Es sind diese klassischen Horrorelemente, mit denen Regisseur und Drehbuchautor Thomas Roth in „Das Tor zu Hölle“ spielt und sichtlich viel Freude hat. Ein Vergnügen, das sich durchaus aufs Publikum überträgt, wenn man für die Dauer dieses „Tatort“ bereit ist, einmal anzunehmen, dass Dämonen tatsächlich unter uns leben und großes Unheil anrichten. Was nicht zu schwerfallen sollte, Dämonen können schließlich vielfältig Gestalt annehmen, besonders jene, die sich in Träumen, Ängsten und Wahnvorstellungen verstecken.

Die ständige Versicherung jedenfalls, die Arbeit des Befreiungsdienstes habe mit Horrorfilmen nichts zu tun, mutet ziemlich schnell wie ein Running Gag an. Zumal auch die Teufelsaustreibungen selbst in diesem „Tatort“ so aussehen wie in jedem zweiten Horrorfilm: Die Gepeinigten liegen in kargen Kammern und weißen Nachthemden ans Bett gefesselt. Und der exorzierende Priester gerät ins Schwitzen. Doktor Sittsam aber behauptet ungerührt: „Exorzismus ist kein Horrorfilm, sondern eine Heilung. Eine harte Heilung“.

„Tatort: Das Tor zur Hölle“ ist okkulter Hokuspokus mit Bodenhaftung

Die Wiener Ermittler mit ihrer entspannten Skepsis und gleichzeitiger Offenheit, auch einander gegenüber, sind das perfekte Paar, um all dem okkulten Hokuspokus Bodenhaftung zu verleihen. Moritz Eisner dient in diesem Fall als Stimme der Vernunft und schimpft wiederholt über „so einen Schmarrn“ im Wien des 21. Jahrhunderts, während Bibi Fellner wegen einer übersinnlich begabten Großmutter dem Paranormalen aufgeschlossener gegenübersteht.

Mit diesen beiden Positionen spielt der „Tatort“ nicht immer sehr elegant, aber immer unterhaltsam. Auf der einen Seite werden ständig rationale(re) Erklärungen für das Geschehen in den Raum geworfen, auf der anderen Seite werfen sich Kamera, Ausstattung und Inszenierung mit hemmungsloser Begeisterung ins Horrorgenre.

Besonders schön zeigt sich dieses Spiel in der Gestalt des ehemaligen Zuhälters Günther Dambusch (Roland Düringer), der sich zusammen mit seiner Bekehrung zum Katholizismus zu einem kauzigen Satanismus-Experten entwickelt hat. Für einen Ex-Unterweltler wie ihn ist die Gratwanderung ganz natürlich: Die mystisch-mysteriös-dunkle Seite der Welt ist Teil einer von Gott durchdrungenen Realität, so wie der Teufel in Goethes „Faust“, der natürlich regelmäßig zitiert wird.

Widerwillig berät der Einzelgänger seine alte Bekannte Bibi Fellner in Sachen toter Geistlichkeit, und wenn er das im Bademantel tut, aber dieser plötzlich eher wirkt wie die Kutte eines Priesters, so ist das nur ein amüsantes Beispiel dafür, wie gekonnt dieser „Tatort“ seine Welt erschafft – eine Welt, in der zwischen den neonerleuchteten Büros der Wiener Mordkommission und den dunklen Toren zur Hölle immer nur wenige Schritte und Krimiminuten liegen.

Mehr Infos zum „Tatort“ finden Sie hier

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