Ökologisch-soziale Nachhaltigkeit

Global faire Arbeitsbedingungen als wichtiges Standbein der „Mary Rose“-Philosophie.

„Fashion Revolution“ lautete das Motto bei Mary Rose vom 16.bis 24. April 2021 zum „Fashion Revolution Day“ – in Erinnerung an die 1100Todesopfer und 2500 Verletzten nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza inBangladesch. Die Fashion Revolution Week macht sich weltweit für faireArbeitsbedingungen, Transparenz und Gerechtigkeit in der Textilindustrie stark.Das Heimtextilienunternehmen Mary Rose hat sich im Rahmen derBetriebstransformation mit den „vier Säulen der Nachhaltigkeit“ besonders derethisch-sozialen Herstellung von Heimtextilien verschrieben. Vom Rohstoff übersDesign bis zur Produktion der Ware. Stefan Grabher erläutert im VN-Interview,worauf es ankommt.

Schon vor vielen Jahren wurde eureUnternehmenstransformation zur sauberen Kreislaufwirtschaft mithilfeprofessioneller Zertifizierungen ­gestartet. Pionierarbeit im Textilienbereich.

GRABHER Unsere 1990 gegründete Mary Rose GmbH vertreibtÖko-Qualität-Heimtextilien und -Wohnaccessoires in den beiden FlagshipstoresMary Rose in Dornbirn und Tyrler in Innsbruck. Über das SchwesterunternehmenPaptex GmbH als Großhändler ist unser Unternehmen mit diesen Marken inzahlreichen Geschäften und Kaufhäusern in vielen Teilen Europas präsent. AlsPrivate-Label-Hersteller setzen zahlreiche namhafte Unternehmen und Marken aufunsere Design- und Textilkompetenz. Sämtliche Kollektionen und Designs werdenim Atelier in Dornbirn entwickelt. Die Produktion findet bei langjährigenPartnerbetrieben in Österreich und der ganzen Welt statt. Unsere Eigenmarkenwerden ganz bewusst und aus Überzeugung behutsam nach hohen ökologischen undsozialen Standards erzeugt!

Warum sind gerade die Sozialstandards in diesem großenGanzen so wichtig und was ist das Ergebnis eurer Fashion ­Revolution Week?

GRABHER In dieser Woche war ich sehr viel vor Ort in denGeschäften in Dornbirn und in Innsbruck und konnte mit vielen Leuten darübersprechen, was sie sich unter einer solchen Fashion Revolution Week vorstellen.Es wurde mir klar, dass die Menschen gar keine Vorstellung haben von dentatsächlichen Hintergründen – sie meinten, es ginge um Kinderarbeit usw. DieFRW geht viel weiter. In vielen Ländern, in denen heute Textilien produziertwerden, arbeiten meist Mütter oftmals 70 Stunden und mehr in der Woche, habenso gut wie keinen Urlaub, selten einen freien Tag, schrecklicheArbeitsbedingungen, keine Pausen usw. „Familie und Beruf“ ist gar kein Begriff,es ist abstrakt. Sie wissen gar nicht, was das bedeutet. Und das alles fürHungerlöhne im wahrsten Sinn des Wortes. Gender-Thema, freie Arbeitswahl …solche Dinge gibt’s nicht mal ansatzweise. Die Kunden, mit denen ich sprechenkonnte, sind dann erschüttert und meinen, „ich kaufe eh weniger“ oder„regional“ – was ja nicht die Lösung des Problems ist.

Wie sieht die ganzheitliche ­Lösung des Problems aus?

GRABHER Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in diesenLändern faire Arbeits- und dadurch erträgliche Lebensbedingungen haben. Und wirkönnen nicht auf die Politik warten. Das ist die Aufgabe engagierterUnternehmer und Konsumenten. Darum diese Woche – zur Sensibilisierung, nichtzur Missionierung! Es ist nicht nur der böse Westen, der in„Geiz-ist-geil-Manier“ ausbeutet. Ausbeutung passiert überall, in Schwellen-und Entwicklungsländern ohne Lebensgrundlage und Sozialstruktur für dieMenschen, aber genauso in Europa. In den Nähereien der mittel­englischenTextilmetropole Leicester beispielsweise, die mit dem Fast-Fashion-Boom wiedererstarkte, herrschen Missstände wie in Niedriglohnländern. Und dies nicht nurfür Billigmodeketten! Daher sollten auch hochwertige Marken transparent machen,wo und wie sie ihre Ware herstellen lassen. Aufschlussreich dazu ist dieARTE-Dokumentation „Fast Fashion – die dunkle Welt der Billigmode“, die einenentlarvenden Blick auf die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen außerhalb,aber auch innerhalb Europas wirft. Als Unternehmer möchte ich, dass die Frauen-und Menschenrechte, für die wir hier schon zu einem Gutteil erfolgreichgekämpft haben, auch dort – weltweit – stattfinden. Solange das nicht der Fallist, halte ich den Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ gelinde gesagt für äußerstzynisch. Ich bin überzeugt, dass dieses Ziel für Unternehmer gemeinsam mitKonsumenten global erreichbar ist: Wenn du heute in einen Laden kommst, reichtdie eine Frage: „Unter welchen Bedingungen wird produziert?“ Wenn diese ehrlich­positiv beantwortet werden kann, tut man mit dem Kauf das Richtige – für sichselbst und alle anderen. Und genau dazu braucht es Kontrolle – das ist dannFair Wear. Kontrolle, Know-how und Begleitung im Prozess.

Seid ihr da mit der Unternehmenstransformation schon imgrünen Bereich?

GRABHER Nein. Selbstverständlich ist das ein Prozess, in demes Versuche, Rückschläge und Neustarts gibt – es ist noch viel zu tun. Aber dieHerausforderung und enorme Anstrengung wird sich schlussendlich für allelohnen. Wenn ich sehe, wo wir vor 15 Jahren waren und heute sind, ist bereitsein gigantischer Schritt gelungen. Das freut mich, aber wir sind leider nochdas einzige „Fair Wear“-Heimtextilien-Unternehmen in Österreich. Erstrebenswertwäre, wenn’s zum Standard wird in einer ökologisch-­sozialenKreislaufwirtschaft.

Oft hört man von Konsumenten, sie wüssten nicht, wo’s „gute“Ware gibt.

GRABHER Gehe auf www.fairwear.org, da sind ca. 90 Betriebe drauf,die durch­gecheckt sind und qualitativ hochwertige Textilien bieten, und beidenen man mit wirklich gutem Gewissen einkaufen kann. Mit diesen Käufen werdenarbeitenden Menschen anständige Arbeits- und Lebensbedingungen ermöglicht, eswird auf den sozialen Umgang geachtet und man erhält ein tolles Produkt. Vielesolche Artikel kann man in zahlreichen Läden in Vorarlberg kaufen – und ganzgrundsätzlich: einfach die Frage stellen! Fair-Wear-Mitglied kann man innerhalbvon wenigen Tagen werden, damit verbunden beginnt eine intensive undanstrengende Transformationszeit. Wenn ein Konzern von Kunden immer öfter dieseeine Frage gestellt bekommt, dann geht das in die Zentrale – diese Frage kannenorm viel bewirken! Es braucht mündige Konsumenten, die sich nicht vom schönenSchein blenden lassen, sondern genauer hinschauen. Je mehr Menschen sichinformieren und bewusst zu fair produzierten Textilien greifen, desto eherwerden auch Textilunternehmen für dieses Thema sensibilisiert und letztlich zumHandeln gezwungen. In Zeiten der Digitalisierung ist dieInformationsbeschaffung ohnehin einfach wie nie. Und es lohnt sich, sich mitLabels wie Fair Wear auseinanderzusetzen und gezielt Unternehmen zuunterstützen, die soziale Verantwortung übernehmen. Denn darin liegt die großeChance eines tiefgreifenden Wandels in der Gesellschaft: Die Landflucht würdeeindämmt, Bildung ermöglicht und die Frauenrechte würden gestärkt.

Zitat: „Die einfache Frage stellen: Unter welchen Bedingungen wird produziert?“ Stefan Grabher Inhaber Mary Roset/Paptex

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