Kommunikation Mann-Frau: ‚Beim Chatten fehlt ganz viel Kontext‘

Sie antworten plötzlich gar nicht mehr, schicken kommentarlos Fotos von Hauswänden im Regen oder melden sich nach Monaten Funkstille um Mitternacht mit „Hey, wie geht’s“: Männer schreiben oft merkwürdige Nachrichten via WhatsApp, E-Mail oder auf Datingplattformen. Und bringen Frauen manches Mal an den Rande des Nervenzusammenbruchs bei der schier unlösbaren Aufgabe, ihre kargen Worte nun richtig zu deuten.

Über das Phänomen „Nachrichten von Männern“ hat Kolumnistin Katja Berlin zusammen mit Drehbuchautorin Anika Decker („Traumfrauen“) ein witziges, treffsicheres, selbstironisches Buch geschrieben. Denn: Jede Frau hat schon einmal solche Nachrichten bekommen. Und macht im Umgang damit die gleichen Fehler. Mit Humor nimmt sich das leichter, sagt die 41-jährige Berlinerin im AZ-Interview.

AZ: Frau Berlin, sehnen Sie sich manchmal nach der Zeit zurück, als man sich nur via Festnetz-Anruf oder per Brief erreichen konnte?
KATJA BERLIN: Haha, nein. In der Zeit habe ich ja noch bei meinen Eltern zu Hause gewohnt, so lange ist das her, und da habe ich es gehasst, wenn mich da Jungs angerufen haben und jemand anderes ist dann ans Telefon gegangen. Also, ich bin schon froh, dass diese Zeit der Vergangenheit angehört.

von Lotte Ostermann

Die neue Art der Kommunikation hat aber eben so ihre Tücken, gerade was den Austausch mit dem anderen Geschlecht angeht. Wie kam es jetzt dazu, dass Sie „Nachrichten von Männern“ zusammen mit Anika Decker ein ganzes Buch gewidmet haben?
Wir saßen zusammen im Taxi, und ich habe eine doofe Nachricht bekommen von einem Mann, den ich damals gedatet habe. Über die habe ich mich so geärgert. Ich habe Anika die Nachricht gezeigt, und sie meinte, die hätte sie auch schon hundertmal bekommen. Es müsse doch irgendwo ein Downloadportal für die immer gleichen Standardnachrichten geben, die sich Männer runterladen. Sie hatte auch eine bekommen, allerdings im beruflichen Kontext, die ich wiederum kannte. So entwickelte sich dieses „Nachrichten von Männern“ als Running Gag bei uns, um mit Humor auf ein bisschen frustrierende Nachrichten reagieren zu können. Wir wollen vermitteln, dass man nicht alles so ernst nehmen sollte.

„Es ist alles so schrecklich, aber es liegt nicht an dir“

Sie haben Männernachrichten-Typen für das Buch kategorisiert. Da gibt es den „Ghoster“, der sich einfach gar nicht mehr meldet, den „Einsilbigen“, den „Fopper“ oder den „Emojimann“ – und die „Einkaufszettelphase“. Das liest sich alles sehr lustig, aber oft nehmen solche Kommunikationsschwierigkeiten die Frauen ja auch richtig mit – gerade wenn Liebe im Spiel ist.
Es sind auch gute Typen und Beispiele für gute Kommunikation dabei, aber ja, natürlich sind so fiese Nachrichten erstmal schlimm. Deswegen haben wir auch das Buch geschrieben, um zu zeigen, dass es besser und erträglicher wird, wenn man sowas mit Humor nimmt. Und zeigt, dass wir nicht die einzigen sind, die schon mal geghostet wurden oder diese „Es ist gerade alles schrecklich, aber es liegt nicht an dir“-Nachrichten bekommen haben. Unser Ansatz ist eben, darüber zu lachen und als eine Art Trost zu sagen: Wir machen jetzt Witze drüber.

Was macht typische Männernachrichten für Sie aus – und wie unterscheiden die sich von denen von Frauen?
Ich glaube, Verhaltensweisen wie das Ghosting oder Benching, also das ständige Vertrösten, legen genauso Frauen an den Tag, wenn wir mal ehrlich sind. Aber das haben wir dann vielleicht vergessen, weil es uns nicht so bedeutsam erschien. Wir haben 37 Typen aufgeschrieben. Es gibt keine eine typische Männernachricht, sondern verschiedene Kommunikationssituationen, in denen wir uns immer wieder finden. Es geht nicht um das „Übersetzen seiner SMS“, sondern auch um Dialoge. Wir sind ja auch beteiligt an der Kommunikation, wir antworten ja.

„Bei Frauen heißt es anstrengend, bei Männern mysteriös“

Das stimmt wohl. Sind Frauen nicht vielleicht sogar selbst ein Stück weit am Entstehen von Missverständnissen beteiligt?
Ja, deswegen betrachten wir uns selbst auch sehr selbstironisch, wir tappen natürlich auch in Fettnäpfchen, immer und immer wieder. Ich denke, es liegt einfach am Medium. Beim Chatten, so praktisch das auch ist, fehlt uns einfach ganz viel Kontext, uns fehlt die Stimmlage, die Gestik und Mimik. Und dann interpretieren wir. Da helfen Emojis auch nur bedingt. So liegen wir also oft falsch.

Gehen Männer also nicht generell anders an die schriftliche Kommunikation ran?
Unsere Theorie ist, dass wir sehr ähnlich handeln, aber gesellschaftlich sehr unterschiedlich bewertet werden. Männer und Frauen legen die gleichen Verhaltensweise an den Tag, aber beim Mann gilt das als „mysteriös“, bei der Frau als „anstrengend“.

Was kann Frau oder Mann tun, um solchen Situationen und Fehlinterpretationen vorzubeugen?
Ich habe für mich selbst gemerkt, dass es, sobald man anfängt, wütend, sauer oder enttäuscht zu werden, besser ist anzurufen. Über Textnachrichten eskalieren Situationen schnell, weil viel falsch interpretiert wird. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass sich oftmals Dramen abspielen, die es bei einer Kommunikation von Angesicht zu Angesicht gar nicht gegeben hätte. Ein guter Tipp ist sicherlich auch, mal eine Nacht drüber zu schlafen und die Gefühle ein bisschen sacken zu lassen.

Mit Abstand betrachtet und in dem Wissen, dass es vielen anderen Frauen auch so geht, ist vieles lustiger als in dem Moment. Es gibt aber auch Nachrichten, die wirklich kein Spaß mehr sind, beispielsweise, wenn Männer ungefragt Fotos ihrer Genitalien verschicken, sogenannte Dickpics. Auch die sprechen Sie im Buch an.
Ja, ich denke, dass sich Frauen da zu viel gefallen lassen. Langsam, nach #Metoo, wurde angefangen, darüber zu sprechen, was wirklich übergriffig ist, und was lassen wir uns eigentlich gefallen. Solche Dickpics gehören, glaube ich, bei vielen in eine Kategorie, die ein bisschen verniedlicht wird – nach dem Motto: Das gehört halt dazu, dass man die bekommt. Und das stimmt nicht. Wir sollten da viel schneller Grenzen setzen.

von Ullstein-Verlag

Katja Berlin und Anika Decker: „Nachrichten von Männern“, 192 Seiten, Ullstein-Verlag; 15 Euro. 

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