‚In den Uffizien‘ beim DokFest: Im Einsatz für die Allerschönsten

München – „Im Louvre hängt eine, wir haben mindestens zehn Mona Lisas“, hat Eike Schmidt vor drei Jahre im AZ-Interview grinsend gefrotzelt. Spaß muss schon sein, wenn man den ältesten und vielleicht sogar bedeutendsten unter den ganz großen Museumstankern steuert. Das ist ernst genug. Zumal der Direttore der Uffizien unter strenger Beobachtung steht.

Die Italiener haben es nicht so gerne, wenn ein Ausländer und auch noch ein Deutscher in ihrer Kunstkathedrale den Ton angibt, alles umkrempelt und dann immer noch nicht aufhört, jede einzelne Renaissance-Ikone ein bisschen besser zu inszenieren. Dass Tizians „Venus von Urbino“, eine der vielen Mona Lisas, ihren verführerisch zarten Körper jetzt vor grasgrünen Wandtableaus zeigt, überzeugt selbst die Kritischen im Team. Nach aufwendigen Farbfindungen und Probedurchgängen in verschiedenen Lichtsituationen.

Nicht ganz so glatt läuft es mit Anthony Gormley. Der britische Bildhauer ist zwar mächtig stolz, sich zwischen den 500 Jahre alten Meistern ausbreiten zu dürfen, aber seine Skulpturen will er dann auch auf den Millimeter genau positioniert haben. Zur Not muss noch eine der alten Bodenfliesen ausgerissen werden, und Uffizien-Architekt Antonio Godoli schnappt schon leise nach Luft – bis Schmidt die Künstlerkonfliktberatung übernimmt und Gormleys mannshohes Selbstporträt in leichter Schrägstellung doch noch auf den Arno blicken kann. Drei Kreuze, und der charmante Pedant aus London lächelt beseelt.

Der ganz normale Uffizien-Alltag

Hier sind vor allem Überzeugungstäter am Werk, vom Aufseher Giuseppe, der dankbar ist, genau in diesem Museum arbeiten zu dürfen, bis zur rechten Hand des Direttore: Alberica Barbolani da Montauto, nimmt täglich zwei Stunden Anfahrt mit dem Auto in Kauf. Einfach.

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Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch lassen die Kamera durch den ganz normalen Uffizien-Alltag schweifen. Das wirkt während der ersten Minuten noch etwas fad, wenn der in seiner Welt ruhende und tatsächlich wunderbare Bibliothekar in aller Gemächlichkeit Pläne der Museumsgebäude ausbreitet. Uffizi sind ja eigentlich Büros und Verwaltungstrakte. Doch dann darf man auch schon erstaunlich weit in den administrativen Bereich spähen. Der fällt für ein so bedeutendes Haus angenehm bescheiden aus, auch bodenständig. Das demonstriert: Kunst ist etwas ganz Normales.

In Italien und besonders in Florenz stolpert man eh alle zwei Meter über höchst Bedeutsames. Der Umgang damit ist entsprechend entspannt. Die Aufregung, der Thrill ergibt sich aus der Kunst selbst – sofern nicht dauernd nur mit dem Smartphone geklickt wird wie vor Caravaggios Medusa, die eine Lehrerin ihren Dritt- oder Viertklässlern nahebringt.

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Die Schlangen reißen es raus, das ist klar. Und auch das Blutbad, das Artemisia Gentileschis Judith mit dem betrunkenen Holofernes veranstaltet, lässt eine Besucherin aus Asien ordentlich schlucken. Überhaupt sind drumherum nur abgeschlagene Köpfe zu sehen, Goliath, Johannes; im Alten Testament waren die Damen und Herren nicht zimperlich.

Auf diese Weise entgeht das Doku-Team der latenten Gefahr, einen Werbefilm über die Uffizien zu drehen. Es ist ja auch zu schön, wenn die Kamera ausgiebig über Botticellis „Primavera“ fährt, den rot bemützten Beau mit der Goldmünze ins Visier nimmt, Leonardos magisches Infinito mit der Anbetung der Könige – und immer wieder Tizians Venus. So schnell möchte man die Galerien nicht mehr verlassen. Man wird in diesem angenehm unaufgeregten Film ja auch nicht geschoben und von Massen umspült.

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