Eine KritikvonChristian Vock Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Hüten? Sie haben keines? Verständlich. Ist ja eigentlich auch keine große Sache, so ein Hut. Man hält ihn in die Luft, stellt sich darunter und wenn alles passt, kann man gemeinsam losmarschieren. Zumindest war das in der Vergangenheit so. Seit Donnerstagabend wissen wir aber, dass die Sache mit dem Hut doch größer ist, als bisher angenommen.
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Warum, das erklärt Heidi Klum höchstpersönlich: „Eigentlich geht es um ein wunderschönes Gesicht mit einem besonderen Gesichtsausdruck und dabei tragen sie extravagante Hüte“, meint die Klum, als sie das Etappenziel der jüngsten Folge „Germany’s Next Topmodel“ vorgibt. Mit anderen Worten: Im Freiluftbereich einer Ranch ist eine Tafel im „Alice im Wunderland“-Stil aufgebaut. An der werden die Damen sitzen, jede mit eben jenem extravagantem Hut auf dem Kopf, während ein Fotograf davon Bilder macht.
Besagter Fotograf ist Wiederholungstäter, denn Brian Bowen Smith, so sein Name, hat schon mal bei GNTM fotografiert und sagt deshalb: „Es fühlt sich definitiv an wie nach Hause kommen.“ Das tut einem natürlich schrecklich leid. Brian Bowen Smith scheint ein netter Typ zu sein, von daher hätte man ihm ein schöneres Zuhause gewünscht als eine stumpfe Trash-TV-Show. Der arme Kerl.
Ob Schwam oder Schwan – Hauptsache Ente! Aber hilft ja nüscht und so fotografiert der Bowen Smith eben ein Gerne-Model nach dem anderen ab. Das ist nur unwesentlich spannender als Feldsalat-zupfen, nur einmal wird man aus seinem Sekundenschlaf gerissen. Nachwuchsmodel Elsa glaubt bereits beim Geschminktwerden, man habe ihr die Lippen vergoldet, um diese kleiner erscheinen zu lassen. Beim Lachen, so Elsa, sehe sie nämlich aus wie eine Ente.
Diese Thematik greift Elsa noch einmal auf, als sie einen Hut mit einem Vogel obendrauf zugelost bekommt. Um welchen Vogel es sich dabei handelt, da gerät Elsa ein bisschen ins Schwimmen: „Wie heißt das? Schwam? Nee. Egal. Ente.“ „Hast du einen Schwan auf dem Kopf?“, wird Elsa von der Klum am Set begrüßt und äußert einen Verdacht: „Ich habe gedacht, das ist wegen meinen Lippen, weil der Schwam so Entenlippen hat.“
Da hat sie natürlich Recht, die Elsa. Und sie kann froh sein, keinen Elefamten-Hut bekommen zu haben. Weil der Elefamt so Pferdeflügel hat. Jedenfalls beweist Elsa, dass die Klum in dieser Staffel keinen intellektuellen Aufstand ihrer Models gegen ihre Show zu erwarten hat. Zum Glück, denn so kann Klum beispielsweise Viviens Leistung nach deren Fotoshooting mit der ebenso transparenten wie seriösen Begründung „Gefiel mir irgendwie nicht“ kritisieren, ohne dass jemand Einspruch erhebt.
„I Don‘t Give a Fuck“-Walk mit Yannik Zamboni So geht das Hut-Shooting ohne Verletzte über die Bühne – zumindest ohne körperlich Verletzte. Denn bei Anya ist zumindest das Gemeinschaftsgefühl verletzt, weil die Konkurrentinnen ihr nach ihrem Shooting zu wenig Jubel entgegengebracht haben. Das ist quasi der obligatorische Dauerstreit einer jeden Staffel, der bereits in der Folge zuvor vom Schnitt initiiert wurde. Da sich so ein Pflicht-Streit meist über ein paar Folgen erstreckt, sei an dieser Stelle nur das Wichtigste wiedergeben: Anyas Murren – Gegen-Murren – Schnütchen ziehen – Kandidatinnen-Inquisition – Umzug Anyas in ein anderes Zimmer – Streitpause.
Es gibt ohnehin Wichtigeres, denn ein neuer Hilfssheriff ist in der Stadt. Yannik Zamboni heißt er, ist Modedesigner aus der Schweiz und assistiert der Klum diesmal beim Modelrauswerfen. Dafür hat er einen richtig fiesen Gegner mitgebracht: die Hüfte. Denn Zambonis Mode ist „freizügig, mit Upcycling und Recycling, und all-gender-inclusive.“ „Ich geh wirklich nach Typ und nicht nach Geschlecht“, erklärt Zamboni seinen Stil und so eine Mode trägt man eben nicht mit viel Hüftgewippe. Stattdessen wünscht sich Zamboni beim Präsentieren seiner Kollektion folgenden Walkstil von den Damen: „sehr selbstbewusst, taff und ‚I Don‘t Give a Fuck‘.“
Dementsprechend kritisieren Klum und Zamboni beim „I Don‘t Give a Fuck“-Walk jeden Hauch von geschmeidiger Hüfttätigkeit: „Für mich ein bisschen zu viel Hüfte beim Posen“, meint Zamboni bei Tracys Trainingswalk und die Klum meint sogar: „Du machst zu viel Hüfte. Weniger sexy. Weniger sexy. Weniger sexy.“ Weniger sexy? Eine wohl einmalige Forderung in der GNTM-Historie.
Po-frei am Bahnhof Einigen Damen fällt die Hüftlosigkeit leicht, für die anderen hat Zamboni einen Tipp: „Sich einreden, dass man selbstbewusst ist bis man es selbst glaubt.“ Ein interessanter Ansatz und den können zwei der Models beim Entscheidungswalk gleich in die Tat umsetzen. Denn Zambonis „I Don‘t Give a Fuck“-Walk soll nicht nur während des laufenden Betriebs in der Los Angeles Union Station, einem Bahnhof, stattfinden, nein, zwei von Zambonis Outifts haben eine Besonderheit: Man trägt sie mit entblößtem Gesäß.
Designer schickt Kandidatinnen halbnackt auf den Laufsteg Das hat in der Praxis eigentlich nur Vorteile – bis auf die vielen Nachteile vielleicht. Doch die Damen sind von der guten Durchlüftung ihrer Klamotten begeistert und Cassy erklärt zudem, der Designer habe ihr versichert, dass es nicht darum gehe, einfach nur einen nackten Hintern zu zeigen, sondern: „Es geht darum, Fragen zu stellen.“ Ja, an Fragen sollte es bei diesem Walk tatsächlich nicht mangeln. Und so stapfen sie los, die Models, mit diskutablen Antennen-Zöpfen auf dem Kopf und zur Faust geballten Gesichtern, um möglichst viel „I Don‘t Give a Fuck“-Attitüde auf den Laufsteg zu bringen.
„Ein perfektes Gesicht macht noch nicht ein perfekter Walk“, gibt Zamboni bei der anschließenden Bewertung zu bedenken. Das ist natürlich absolut richtig. Und ein perfekter Wort macht noch nicht ein perfekter Satz. Bei Emilia, Eliz und Zoey scheint das mit dem perfekten Walk jedenfalls nicht so gut geklappt zu haben. Deshalb müssen die drei Nun-nicht-mehr-Models passend zum Fotoshooting-Motto ihren Hut nehmen. Die Ironie, dass die drei gehen müssen, weil sie ausgerechnet beim „I Don‘t Give a Fuck“-Walk nicht das gemacht haben, was man ihnen gesagt hat, fällt dabei niemandem auf.
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