Fünfkampf-Drama bei Olympia: Wenn der Optimismus purer Verzweiflung weicht – ein Kommentar

Ich war jahrelang Fünfkämpferin – und kann mich in Annika reinversetzen

von Svenja Hoffmann

Am Freitag ist die deutsche Topathletin Annika Schleu (31) mit Goldkurs in den Wettkampftag des Modernen Fünfkampfs bei den Olympischen Spielen in Tokio gestartet. Sie hat mit überragender Leistung in den ersten Disziplinen überzeugen können und die Rangliste bis zum Springreiten angeführt. Die Freude und der Optimismus, die Goldmedaille nach Hause holen zu können, wich dann aber purer Verzweiflung: Weil das Pferd bockte, wurde Schleu disqualifiziert. Wie Annika sich fühlen muss, kann ich mir gut vorstellen. Auch ich habe jahrelang Fünfkampf gemacht.

Gefragt ist Können – bis die Lotterie ins Spiel kommt

Der Moderne Fünfkampf ist möglicherweise die komplexeste Sportart, die die olympischen Spiele zu bieten haben. In zwei Tagen wird von den Athleten Schnelligkeit, Präzision und Technik gefordert. Beginnend mit dem Fechten geht es weiter mit Schwimmen und der Bonusrunde im Fechten, gefolgt vom Springreiten und dem Laser Run. Hinter letzterem verbirgt sich eine Kombination aus Laufen und Schießen.

Während bei vier von fünf Sportarten rein das eigene Können und die eigene Verfassung gefragt ist, kommt es beim Springreiten nicht nur auf den Reiter, sondern auch auf das Pferd an.

Was man dazu wissen muss: Nicht jeder Fünfkämpfer besitzt ein eigenes Pferd, mit dem der Wettkampf bestritten wird. Nein – die Wettkampfpferde werden vom Veranstalter des Wettkampfes gestellt und per Losverfahren auf die Athleten verteilt. An die Stelle des eigenen Könnens tritt in dieser Disziplin also das Schicksal. Kommt man mit dem jeweiligen fremden Pferd klar? Stimmt die Chemie zwischen Reiter und Pferd? Um das rauszufinden, haben die Paare nur kurz Zeit, bevor es nach dem Abreiten auch schon auf den Turnierplatz geht.

Wenn die Chemie nicht stimmt…

Es gibt nichts schlimmeres, als wenn die Chemie zwischen Pferd und Reiter nicht stimmt und dadurch das Reiten zu einer nervlichen Zerreißprobe wird. Bei den olympischen Spielen erging es so der deutschen Goldhoffnung Annika Schleu (31). Sie und ihr Pferd Saint Boy wurden von Anfang nicht warm miteinander. Sie versuchte verzweifelt, Saint Boy zum Laufen zu bringen, aber das Pferd wollte partout nicht. Es folgten Bilder, die jetzt um die Welt gehen.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Annika sich gefühlt haben muss, da ich selber viele Jahre Modernen Fünfkampf gemacht habe. Wenn man all sein Können abgerufen hat und damit überzeugen konnte, ja, sogar die Goldmedaille im Rahmen des Möglichen lag, dann ist es pure Verzweiflung, die einen überkommt, wenn es dann am Reiten scheitert – weil die Chemie zwischen einem selbst und dem gelosten Pferd einfach nicht stimmen will.

Wie das ist, habe ich auch schon am eigenen Leib erfahren. Als aktive Athletin habe ich vor einigen Jahren ein fremdes Pferd zugelost bekommen, mit dem ich von Beginn an keine Einheit bilden konnte. Ich ritt in den Parcours ein, startetet den Springwettkampf und beendete ihn nach 3 Stürzen völlig verzweifelt. Schleu sagte nach dem Wettkampf, sie habe direkt gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Auch mir ging es so. Und dann hat man als Reiter leider keine Chance mehr, das Ruder rumzureißen.



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