Franziska van Almsick: Negatives Medienecho ging nicht spurlos an ihr vorüber

Das SAT1-Format „Unser Mallorca – mit Birgit Schrowange“ changierte zwischen oberflächlichem Ballermann-Wahnsinn, ehrlichen Bekenntnissen eines einstigen Schwimmstars und traurigen Befunden der Gründerin einer sozialen Einrichtung. Konkret: Neben Berichten über die Armut auf der Insel der Reichen und Schönen sowie Franziska van Almsicks Rückblick auf den einstigen Terror der Presse begegnete man „Saufi, saufi“-Schlagern, Vulven und Penissen zum Naschen sowie der häufig vorkommenden Bauarbeiterbräune, gegen die es laut Modeschöpfer Thomas Rath effektive Textilien gibt. Schrowange und ihr Team waren also auch im dritten Teil durchaus um Themenvielfalt bemüht.

Eine KritikvonRobert Penz

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„Und vor allem lieben wir Mallorca wegen einem: dem Ballermann“, macht es uns am Donnerstag die Stimme aus dem Off schon zu Beginn von „Unser Mallorca – mit Birgit Schrowange“ gleich mal alles andere als einfach. Natürlich, ein Format, das sich „Unser Mallorca“ nennt, kann die Ballermann-Aficionados nicht völlig wegleugnen, aber „wir“? Wer genau ist mit „wir“ gemeint? Bekommen nicht schon viele leichte Zuckungen, wenn sie das Wort „Ballermann“ nur hören? In einer Doku mal zwei, drei Minuten zehn Strohhalmaffinen dabei zusehen, wie sie im Sand 28 Liter Sangria in zweieinhalb Minuten aus einem Eimer ziehen? Ja, klar, das ist schon in Ordnung! Man muss ja auch ab und an die „Bild“ lesen, damit man wieder präzise weiß, welches Blatt man für die nächsten fünf Jahre wieder nicht ums Verrecken zur Hand nehmen wird.

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Strandverkäufer schicken Geld in die Heimat

Aber gleich danach lernen wir im dritten Teil der Reihe „Unser Mallorca“ etwas. Nämlich durchaus Interessantes über die mallorquinischen Strandverkäufer, die nicht selten aus dem Senegal kommen und ihre Ware, was so manche überraschen mag, gar nicht alle 15 Minuten feilbieten, um uns auf die Nerven zu gehen, sondern, um sich und ihre Familien in der Heimat durchzubringen. „Unsere Familien sind extrem auf uns und das Geld angewiesen und bezahlen damit Dinge wie Essen, Strom et cetera – einfach ihre Grundbedürfnisse“, verrät Babacar, einstiger Strandverkäufer, Birgit Schrowange. Als er vor zehn Jahren nach Mallorca kam, dachte er, er würde hier gleich Arbeit finden, doch ohne Papiere könne man auf der Insel ja nur am Strand arbeiten. In der Regel leben die primär aus Afrika stammenden Verkäufer in kleinen Wohnungen auf engstem Raum. „Viele Urlauber weisen einen ab, manche glauben sogar, man wolle sie beklauen, aber auch solche, die einem etwas abkaufen, um zu helfen, gibt es zum Glück“, verrät Babacar, der einst von acht Uhr morgens bis spät in die Nacht arbeiten musste, heute aber für die Caritas Mallorca zu Werke geht.

Soforthilfe, wenn das Höschen nicht sitzt

Apropos Arbeit: Auch Designer Thomas Rath muss für „Unser Mallorca“ einen Dienst verrichten. Und zwar am Strand. Für das Format eröffnete der Malle-Fan, der im pinken Pullover und in orangen Sneakers auftaucht, eine kleine Beach-Boutique, in der er Touristen eine Style-Beratung für lau zukommen lässt und neu einkleidet. „Nie Bikinis, die zu klein sind und nie Schwarz am Strand tragen, denn Farben machen Farbe!“, liefert der 55-Jährige, der viel Zeit auf Mallorca verbringt, gleich mal einen Input zu Beginn. „Mein Höschen sitzt nicht, das hab ich nur schnell gekauft“, verrät ihm dann etwa Nele aus Hamburg, die auf Malle dauerhaft im Homeoffice und gerade im Sand sitzt. Ihre Bauarbeiterbräune findet der Modeschöpfer suboptimal, weshalb er sie in einen weißen Badeanzug steckt. Auch einen Badeanzug aus einem alten „James Bond“-Movie wird Rath los. Warum der schwarz ist, wo er doch zwei Minuten zuvor von der Farbe abgeraten hat, wird dann nicht mehr hinterfragt. Man muss wirklich nicht alles wissen. „Was für ein toller Tag hier am Beach“, denglischt Rath nach getaner Arbeit, ehe es wieder Substanzieller wurde.

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Deutsche geil auf Waffel-Genitalien

Gut, vielleicht nicht gleich, weil zuvor ging es noch in die Bäckerei „La Vergueria de Mallorca“, auf die die Deutschen ziemlich scharf sind, weil sie Waffel-Genitalien anbietet. Mit Message wohlgemerkt! „Die gebackenen Vulven und Penisse sind gleichzeitig auch ein Symbol für Akzeptanz und Gleichberechtigung“, macht es Fernando, der zwischen Geschlechtsteilen arbeitet, kurz mit der Botschaft. „Wollen Sie einen Penis oder eine Vagina?“, fragt er eine junggebliebene Seniorin. „Ich bin eine Frau, werde also einen Penis kaufen“, antwortet die Kundin, ehe sie noch schnell ein Erinnerungsselfie mit ihrem guten Stück macht.

Dann endlich: Birgit Schrowange fährt zu Franziska van Almsick, für die Mallorca längst zweite Heimat ist, „weil ich echt oft da bin“, so der einstige Schwimmstar, der unweit von Palma ein Anwesen hat.

Von der „Superfranzi“ zu „Franzi van Speck“ in Rekordzeit

Nach einem gemeinsamen Ausritt am Strand – „Immer übertrieben den Arsch nach vorne schieben! Auch wenn das scheiße aussieht“, rät Van Almsick dem Pferde-Rookie Schrowange – geht es auch um jene Zeit, in der die Zeitungen den Schwimmstar fallengelassen und gegen ihn massiv angeschrieben haben. „Ich hab schon das Gefühl, dass da etwas hängengeblieben ist und ich nicht so stabil bin, wie ich vielleicht sein wollen würde“, offenbart die einstige „Superfranzi“, aus der die Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“ dann nach für Van Almsicks Verhältnissen mediokren olympischen Leistungen die „Franzi van Speck“ machte. Zickig sei sie. Und faul sowieso, wurde ihr damals ebenso nachgesagt. Für die Betroffene zu keiner Zeit nachvollziehbar. „Ich schwöre beim Leben meiner Kinder, ich habe in meiner sportlich aktiven Zeit gearbeitet wie kein andere. Wenn du dir den Arsch aufreißt, und dann behauptet jemand, du sitzt nur auf der Couch und frisst Chips, dann ist das hart“, gesteht sie Schrowange. Dass sie stets alle beobachteten und bewerteten, würde ihr zufolge schon Spuren hinterlassen. „Wenn ich rausgehe, bin ich immer kontrolliert. Aber ich bin ganz anders, als die Leute denken“, so die 44-Jährige.

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Franziska van Almsick: „Bin wahnsinnig stolze Mutter“

An einem ganz normalen Tag, wenn nichts los ist, erzählt Van Almsick, mache sie Frühstück für die Familie, Brotbüchsen für die Kinder und eine Runde mit dem Hund, bevor sie den Fortpflanz in die Schule fährt. „Das mach’ ich immer alles selber. Ich hab ja keine Kinder bekommen, damit andere sie großziehen“, sagt sie geradeaus. Und ihr Zwischenfazit in Sachen Kindererziehung? Die zehnfache Olympiamedaillen-Gewinnerin: „Ich bin wahnsinnige stolze Mutter, kann nicht behaupten, dass ich alles richtig gemacht hab, aber wenn ich mir die Jungs so ansehe, auch nicht alles verkehrt.“ Am Abend besuchen Schrowange und Van Almsick, die sich schon beim Interview ein paar Gläschen verinnerlichten, eine Karaoke-Bar im Ort Can Picafort. Für die Moderatorin die nächste Premiere. „Ich bin ja mal gespannt, was du heute noch so alles zum ersten Mal machst“, antwortet Van Almsick schlagfertig, ehe sie über das Instrumental von Mickie Krauses „Schatzi, schenk mir ein Foto“ singen muss.

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Armut auf der Insel der Reichen und Schönen

Womit wir beim Schlager wären, der aus Malle nicht wegzudenken ist und für viele Urlauber in ihrer Auszeit doch tatsächlich eine essenzielle Rolle spielt. Wenn es dabei um Sex oder Alkohol geht: umso besser! Bei Tracks wie „Ich verkaufe meinen Körper“ oder „Saufi, saufi!“ geht in den Clubs, Stadeln und anderen Zentren für Alkohol und gute Laune mächtig die Post ab. „Eines haben alle Ballermann-Songs gemeinsam: Sie machen einfach Spaß“, irrt die Stimme aus dem Off ein zweites Mal. Weniger spaßig wird es dann am Ende von „Unser Mallorca“. Schrowange besucht im Süden der Insel eine Verteilstation der Stiftung „Hope“, die hier rund 4.000 Menschen monatlich mit zirka 40 Tonnen Lebensmitteln versorgt. Seit der Pandemie, in der der Tourismus, der in der Regel 75 Prozent der mallorquinischen Wirtschaftsleistung ausmacht, de facto stillstand, ist die Armut auf der Insel so groß wie noch nie.

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Tränen am Ende

„Die Armut war auf Mallorca immer vorhanden, die Krise aber ein echter Brandbeschleuniger“, verrät Heimke Mansfeld, Gründerin und Präsidentin der „Hope Mallorca Fundación“, die von Supermärkten Lebensmittel bekommt, aber auch auf Unterstützung Dritter und Spenden angewiesen ist. Maria etwa profitiert von der Organisation. Gemeinsam mit ihrem Mann verdient sie auf der Insel der Reichen und Schönen rund 1.300 Euro im Monat, davon muss sie allein 550 Euro für Miete berappen. Kalt natürlich. Maria kommen während des Interviews die Tränen, denn letztes Monat sei, wie sie erzählt, auch noch ihr Auto eingegangen. „Ich bin so unglaublich dankbar, dass es ‚Hope‘ gibt“, sagt sie und umarmt die Gründerin. Insgesamt profitieren rund 75 Familien von der Verteilstation in der Gemeinde Santanyi. „Der ganz normale Arbeiter kann sich das Leben auf der Insel einfach nicht mehr finanzieren“, so Heimke Mansfelds trauriger Befund am Ende der Sendung.

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