Der "Tatort: Katz und Maus" aus Dresden mit Gorniak & Winkler

Für den Dresdener „Tatort: Katz und Maus“ ließen sich die Autoren von einem wahren Fall aus den USA inspirieren. Dort führte ein absurdes, im Netz verbreitetes Gerücht zu einer gefährlichen Straftat.

  • Eine KritikvonIris Alanyali

    Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

    Das Praktische an Verschwörungstheorien ist bekanntlich, dass ihre Anhänger den Mangel an Beweisen als Beweis für ihre Richtigkeit interpretieren können. Das macht sie so aufreibend für Anhänger vernünftiger Argumente, die reden können, so lange sie wollen – am Ende bleibt einem nur ein erschöpftes Augenrollen.

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    Solange diese Anhänger ihre Zeit damit verschwenden, sich hauptsächlich gegenseitig die Richtigkeit ihrer Ansichten zu bestätigen, hat ihre Leidenschaft etwas von einem harmlosen, obskuren Hobbyverein. Was aber, wenn der Verschwörungstheoretiker seine Leidenschaft nicht auf lichtscheue Internetforen begrenzt? Was, wenn die Wahnvorstellungen dramatische Folgen in der Realität haben, weil so ein Typ beschlossen hat, es sei Zeit, die Öffentlichkeit „aufzuwecken“?

    Verschwörungstheorie à la „Pizzagate“

    Dieser Idee geht der Dresdner „Tatort: Katz und Maus“ (Regie: Gregory Kirchhoff) nach. Darin entführt ein Kidnapper mit einer Maus-Maske eine Boulevardjournalistin und droht per Videobotschaft, sie umzubringen, wenn die Polizei innerhalb von 24 Stunden nicht 150 Kinder befreit, die in Sachsen vermisst und laut Maus-Mann in einem Dresdner Keller gefangen gehalten werden.

    „Pizzagate“ lässt grüßen, die 2016 frei erfundene Verleumdungskampagne amerikanischer Verschwörungstheoretiker, wonach der Keller einer Pizzeria in Washington D.C. die Zentrale eines von Polizei und Politik gedeckten Kinderpornorings sei.

    Als es Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) nicht gelingt, das Versteck des Entführers zu finden, erschießt dieser sein erstes Opfer, schnappt sich Polizeichef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) – und startet das 24-Stunden-Ultimatum neu.

    Und jetzt wird es spannend. Weil die zweite Entführung den Kommissarinnen natürlich näher geht. Weil sie erleben mussten, wie todernst es dem Kidnapper ist. Und weil der Profi Schnabel nicht nur seinen Kolleginnen über die Droh-Videos versteckte Hinweise geben kann, sondern auch versucht, zum Maus-Mann einen persönlichen Kontakt herzustellen.

    KritikTatort

    Der "Tatort: Ein Freund, ein guter Freund" aus Münster ist eine Sensation

    von Iris Alanyali

    Wer dieser ist, wird schnell klar: Michael Sobotta ist ein Verzweifelter, dessen Leben nach dem Verschwinden seiner Tochter Zoe zusammenbrach. In einer alternativen Realität hat er es sich neu aufgebaut. In einer Wirklichkeit, in der er ganz alleine lebt, befeuert nur von einem Verschwörungstheoretischen YouTube-Star, dem er vor dem Computer huldigt.

    Hans Löw als Sobotta ist erstklassig, auch, weil er es seiner Figur nicht erlaubt, Sympathie zu heischen. Sein Gesicht lässt den Wahnsinn ahnen. Es zeigt die sich selten einschleichenden Zweifel ebenso wie entschlossene Verhärtung, aber nie lädt der Nuancenreichtum zum Mitgefühl ein: Immer ist da eine grundsätzliche Dumpfheit im Blick, die uns wie eine Wand von ihm fernhält.

    Ein schwurbelnder YouTuber gegen die rechtschaffenen Kommissarinnen

    Das führt aber auch dazu, dass die interessanteste Person in „Katz und Maus“ eine Nebenfigur ist: Der YouTube-Star „Grinsekatze“ (Paul Ahrens), der mit der lakonischen Rechtfertigung seines Geschäftsmodells die Kommissarinnen nicht nur empört, sondern auch bloßstellt. Weil er ihnen zeigt, dass sie mit fantasieloser Rechtschaffenheit gegen die guten Stories der Spinner nicht ankommen.

    Und darin liegt das Problem dieses „Tatort“ (Drehbuch: Stefanie Veith und Jan Cronauer): „Katz und Maus“ ist eine spannende Geschichte voller Potenzial, aber als Krimi solider Durchschnitt. Denn was kann man als gesetzestreue Staatsgewalt schon ausrichten gegen einen Irren, der die Fäden in der Hand hält?

    Wie verhandelt man mit einem Kidnapper, dessen Forderungen deshalb unrealistisch sind, weil er in einer anderen Realität lebt? Den im Gegenteil jeder Argumentationsversuch nur noch tiefer in seine Wahnwelt treibt?

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    • So wie Gorniak, Winkler und Schnabel bleibt auch dem Publikum die meiste Zeit nicht viel mehr übrig als sich in Geduld zu üben. Mit den Augen zu rollen oder sich die Haare zu raufen – im übertragenen Sinne, aber manchmal auch tatsächlich: Weil es so offensichtlich sinnlos ist, mit Sobotta zu verhandeln. Vor allem aber, weil die Kriminalbeamtinnen in diesem Fall mitunter dermaßen dilettantisch agieren, dass Zweifel am Polizeiapparat bis zu einem gewissen Grad durchaus angebracht scheinen.

      Man dürfe sich nicht auf Sobottas Niveau herablassen, sagt Karin Gorniak einmal, als die Kolleginnen streiten und Leonie Winkler einen kreativeren Umgang mit seinen Forderungen vorschlägt. Auf moralischer Ebene hat Gorniak damit natürlich recht. Aber als Krimizuschauerin wünscht man sich, die Fernsehversion der Dresdner Polizei hätte mehr von Grinsekatzes Skrupellosigkeit.

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