Comic-Serie ‚Gung ho‘: Goethe, Bestien und nun Batman

München – Bei den superkritischen Franzosen hat ihre Endzeit-Reihe „Gung ho“ sofort eingeschlagen. Benjamin von Eckartsberg und Thomy von Kummant sind so etwas wie Münchens Comic-Exportschlager. Jetzt erscheint der fünfte und letzte Band, entsprechend werden die beiden auf dem Comicfestival in der Alten Kongresshalle mit einer „Gung ho“-Ausstellung geehrt. Der chinesische Begriff war mal ein Schlachtruf der US-Marines und bedeutet bei Eckartsberg und Kummant „wild entschlossen Scheiße bauen“.

AZ: Es spritzt wieder viel Blut im neuen „Gung ho“, aber die Würstl sehen besser aus als die echten auf dem Grill.
THOMAS VON KUMMANT: Echt jetzt? Aber was erzählerisch im Fokus steht, muss auch so gezeichnet werden. Mir sind Details sehr wichtig.

Es geht sogar ohne die klassische schwarze Comic-Kontur.
KUMMANT: Das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Ich verwende eine Art Collagentechnik, als würde ich etwas ausschneiden, und tupfe dann mit Strukturpinseln Farbe drauf. So bleibt das Grafische erkennbar.

Entstehen die Bilder am Computer?
KUMMANT: Ja, das bedient die Geschichte sehr gut, denn man kann viel Atmosphäre schaffen. „Gung ho“ war allerdings für Frankreich konzipiert. Dort gibt es großartige Zeichner, die gerade die Linie extrem gut beherrschen. Das kann man nicht überbieten, also ließ ich die Linie ganz weg, zumal ich gerne mit Farben arbeite.

von Zeichnung: Thomas von Kummant

Stellenweise wirkt das wie Aquarellmalerei.
KUMMANT: Manchmal sind auch eingescannte Aquarellstrukturen über die Bilder gelegt.

Das klingt aufwendig. Wie funktioniert das Zeichnen am PC im Vergleich zum Papier?
KUMMANT: Man kann alles rückgängig machen, das entspannt. Wenn man auf Papier aquarelliert, muss man unglaublich vorsichtig arbeiten, nichts lässt sich korrigieren. Auf der anderen Seite entstehen auch willkommene Fehler. Die am Computer zu erzeugen, ist ziemlich schwierig.
BENJAMIN VON ECKARTSBERG: Am Computer kannst du immer noch weiter und weiter reinzoomen und dich am Würschtl richtig verkünsteln. Auch wenn man’s mit dem bloßen Auge nicht sieht: Thomy malt selbst die Kleider der Hintergrundfiguren detailgenau.

Ihr habt mit „Gung ho“ einen richtigen Hit gelandet, und jetzt soll mit Band 5 wirklich Schluss sein?
ECKARTSBERG: Das war von Anfang an so geplant. 2012 wurde ich mit dem Text fertig, und seither musste der arme Thomy mit all seiner Kraft dran weiterarbeiten. Mir wäre die Geschichte entglitten, wenn ich sie über zehn Jahre geschrieben hätte.

Wie seid Ihr auf diese Endzeitstory gekommen?
ECKARTSBERG: Ich bin in den 80er Jahren aufgewachsen, das war die Zeit der „Mad Max“-Filme, „Bladerunner“, John Carpenters Horror-Movies. Was das Kino betrifft, war diese Zeit äußerst kreativ, das hat mich geprägt. Und bei postapokalyptischen Geschichten hat man als Erzähler alle Freiheiten. Du kannst dir neue Gesellschaften ausdenken. Das ist auch nicht so rechercheintensiv wie etwa eine Crime-Geschichte, die in den Sechzigern spielt. Da muss ich doch genau wissen, wie der Polizeiapparat in Chicago oder sonst wo funktioniert.

von Zeichnung: Thomas von Kummant

Aber das Konstruierte muss ja trotzdem stimmig sein.
ECKARTSBERG: Natürlich. Aber ich muss mich nicht erst umständlich an Befindlichkeiten ranrobben. Wer vor die Tür geht, ist sofort im archaischen Überlebenskampf. Es beginnt rasant, und dann kann ich trotzdem die Charaktere und das Zwischenmenschliche beleuchten, um das es ja geht. Aber mit einer Fallhöhe, die man in München im Jahr 2021 so schnell nicht hat. Sofort steht alles auf dem Spiel. Konflikt, Konflikt, Konflikt.

Und wie entstand dann die Coming-of-Age-Geschichte?
ECKARTSBERG: Ich habe mir morgens beim Kaffee einen Illustrationsband aus der Szene angeschaut. Und da war plötzlich ein gelber Grashügel mit einer Ampel, unter der ein Mädchen saß. Ohne Straße hatte diese Ampel keine Funktion mehr, aber dann habe ich mir vorgestellt, wie noch andere Jugendliche drumherum stehen und rauchen und flirten. Dazu kam in der Nähe ein Wald voll bedrohlicher Kreaturen.

Die sogenannten „Reißer“, die auf Menschenjagd gehen.
KUMMANT: Wir wollten erst Zombies machen, „Walking Dead“ war noch nicht draußen, Zombies noch nicht Mainstream. Aber mir war schnell klar: Ich will nicht jahrelang Untote zeichnen.

ECKARTSBERG: Wir wollten genauso wenig Aliens, gegen die man keine Chance hat. Mir ging es ja auch um Romantik, Lebensfreude und eben Mutproben. Ein Virus wäre auch nichts gewesen, das ist deprimierend langweilig.

Wie wir jetzt gerade sehen.
ECKARTSBERG: Wie bekämpfe ich das Coronavirus? Ich bleibe zu Hause und gucke Netflix. Was soll ich da erzählen?
KUMMANT: Ganz einfach: „Meine Jahre auf der Couch“.

von Zeichnung: Thomas von Kummant

Sprecht Ihr von Comics oder von Graphic Novels?
ECKARTSBERG: Von Comics. Das ist für mich das Gleiche. Für manche laufen die umfangreicheren Bücher als Graphic Novel.

Das klingt ambitionierter. Vielleicht erreicht man damit auch ein Publikum, das mit dem Begriff Comic fremdelt?
ECKARTSBERG: Man muss die guten Comics ja auch suchen, das ist in den Fachbuchhandlungen kein Problem, da liegen franko-belgische Comics, die deutschen, Mangas, US-Ware. Aber wie viele solcher Läden gibt es? Und wer als Kind keine Comics gelesen hat und nicht zeichenaffin ist, landet dort nur selten. Man muss diese Art des Lesens ja auch lernen.
KUMMANT: Das geschieht zum Beispiel in Frankreich und Belgien. Auf meiner ersten Signiertour hat man mich in Brüssel ins Comicmuseum geführt. Dort waren Schulklassen, und es wurden gerade die verschiedenen Stricharten behandelt, welche Gattungen es gibt, die wichtigen Zeichner und Autoren vorgestellt.
ECKARTSBERG: Wir haben es sogar erlebt, dass „Gung ho“ Unterrichtsstoff wurde – obwohl bei uns so viel geflucht wird.

Ein gedruckter Fluch wirkt auch heftiger.
ECKARTSBERG: Ja, zehnmal so hart wie ein gesprochener. Aber wenn man Jugendliche reden hört, wird eben viel geflucht. Das rauszulassen, wäre einfach nicht stimmig gewesen. Wer sagt denn „Scheibenkleister“? Oder in einer Actionszene „ach, du grüne Neune, jetzt hätte der Reißer mich fast erwischt“?

von Zeichnung: Thomas von Kummant/Panini

Dabei hat Euch Goethe zusammengeführt. Gut, es gibt bei ihm den Götz von Berlichingen mit dem A.
ECKARTSBERG: Goethe kam aber später, kennengelernt haben wir uns Mitte der 90er auf dem Comicfest im Gasteig und dann auf einem Comiclehrgang in Erlangen. Na ja, das war mehr Feiern als Zeichnen. Nach dem Studium haben wir dann aber 1995 mit Kollegen wie Uli Oesterle oder Florian Mitgutsch in der Schwabinger Ateliergemeinschaft „Die Artillerie“ gearbeitet – eine reine Männerrunde, alle total comicaffin. Thomy hatte schon entsprechende Aufträge wie etwa 1999 einen Goethe-Band zum 250. Todestag. Und weil die Zeit knapp war, hat er mich gefragt, ob ich ihm beim Kolorieren helfen will. Die Technik war damals noch eine ganz andere.
KUMMANT: Wir sind überhaupt keine Goethe-Experten, wir wollten Comics machen.
ECKARTSBERG: Und es war ein bezahlter Comic-Job!

Könnt Ihr mittlerweile von den Comics leben?
KUMMANT: Inzwischen ja. Bei der Adaption zu Wolfgang Hohlbeins Romanreihe „Chronik der Unsterblichen“ habe ich noch Lehrgeld bezahlt. Aber von „Gung ho“ konnte ich gut leben, obwohl das Zeichnen ziemlich aufwendig war. Das ging nur, weil die Comics für den französischen Markt produziert wurden. Der ist um ein Vielfaches größer als der deutsche.
ECKARTSBERG: In Frankreich erscheinen 5.000 neue Comics im Jahr. Deshalb können die Verlage ganz anders in die Vorleistung gehen. Davon leben kann allerdings auch nur eine dünne Schicht.

Was war bei „Gung ho“ anders?
ECKARTSBERG: Der Schweizer Verleger Pierre Paquet wollte unbedingt etwas mit uns machen, er ließ sich auch sofort auf „Gung ho“ ein und hat gefragt, was wir brauchen. Wir konnten zum ersten Mal von einem eigenen Projekt leben! Kreativ gesehen war das die schönste Zeit in meinem Leben.

von Zeichnung: Thomas von Kummant

von Zeichnung: Thomas von Kummant

Und jetzt springt Ihr mit dem bayerischen Batman auf den Superhelden-Zug auf.
ECKARTSBERG: Wir wurden eben nett gefragt. Dabei war es nie unser Ziel, Superhelden-Comis zu machen. Andere würden dafür morden.
KUMMANT: Diesmal kämpft Batman weltweit gegen das Verbrechen. Teams aus 14 Ländern lassen diesen Kampf quasi in ihrer Heimat stattfinden. Also in Frankreich, Japan, den USA, Brasilien … und wir wurden für Deutschland ausgewählt.
ECKARTSBERG: Mit Batman kann man schon etwas anstellen. Wobei es eine Kurzgeschichte auf nur zehn Seiten werden sollte.

Man hört, Batmans Erzfeind Joker schart fanatische Klimaaktivisten um sich und versucht sie zu radikalisieren. Auch von einem Duell im Tiefschnee ist die Rede.
KUMMANT: Wir dürfen darüber noch nicht reden.

Es tauchen auch Perchten auf.
ECKARTSBERG: Wir wollten Batman nicht nach Berlin schicken und auch nicht nach München aufs Oktoberfest. Die verschneiten Berge sind doch schön, und die Perchten fand ich immer schon toll. Aber mehr sagen wir nicht, sorry.

Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant: „Gung ho. Band 5. Die weiße Flut“ (Cross Cult, 104 Seiten, 25 Euro).  „Batman. The World” wird im September bei Panini erscheinen. Comicfestival bis Sonntag, 6.6.2021, täglich von 10 bis 19 Uhr, Alte Kongresshalle, Tickets über www.comicfestival-muenchen.de

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