Anthony Hopkins, ältester Gewinner und Oscar-Gegner

Niemand war je so alt, als er oder sie den Preis für den Besten Hauptdarsteller gewann. Damit geht Anthony Hopkins in die Geschichtsbücher ein. Doch seine Abneigung gegenüber Hollywood dürfte dadurch nicht kleiner werden.

Er ist einer dieser Schauspieler, die seit Jahrzehnten zu den größten ihrer Zunft gehören. Anthony Hopkins mag nach Außen hin eher der Mann fürs Grobe sein, doch der Waliser ist vielmehr als Hannibal Lecter. Für eben jene Performance, 1992 erstmals in „Das Schweigen der Lämmer“ vorgeführt, gewann Hopkins seinen ersten Oscar als Bester Hauptdarsteller.

Jetzt, 29 Jahre später, gewinnt er den gleichen Preis für seine Rolle als Demenzkranker in „The Father“ – und ist damit der älteste Schauspieler, der jemals in dieser Kategorie einen Goldjungen mit nach Hause nehmen durfte. Keine Frau, kein Mann war älter: Christopher Plummer hielt bisher den Rekord, er war gerade 82 Jahre alt als er 2018 für „Alles Geld der Welt“ ausgezeichnet wurde.

Doch der wesentliche Unterschied: Christopher Plummer zeigte sich gerne auf dem roten Teppich in Los Angeles. Er hielt legendäre Reden bei seinen Triumphen, schon 2012 als er als Bester Nebendarsteller für „Beginners“ gewann. Sechs Jahre später scherzte er mit Journalisten vor dem Dolby Theatre in Hollywood, wo alljährlich die Oscars verliehen werden, und nannte seinen Look „old fashioned“: „Ich bringe diesen Look wieder zurück“, sagte er augenzwinkernd in Fliege und dunkelblauem Sakko gekleidet.

Anthony Hopkins hingegen war nicht anwesend. Das lag nicht an der Corona-Pandemie und der ohnehin unkonventionell ausgerichteten Gala – alle Infos zur Verleihung finden Sie hier. Es lag ausschließlich an Hopkins selbst. Er hatte auch keine Videobotschaft vorbereitet, um der Academy seinen Dank auszusprechen. Kaum war der Preis an Hopkins verliehen, war die Oscar-Gala vorbei. Völlig unglamourös und urplötzlich. Hopkins sorgte damit aus der Ferne für den nächsten Eintrag ins Geschichtsbuch: Nie wurden die Oscars abrupter beendet als im Jahr 2021.

„The Father“: Anthony Hopkins gewinnt für seine Rolle des Oscar als Bester Hauptdarsteller. (Quelle: IMAGO / ZUMA Press)

Für einige Menschen in den sozialen Medien war das ein gefundenes Fressen. Ein schlafender alter Mann, der gar nichts davon weiß, nun erneut Preisträger der Hauptdarsteller-Kategorie zu sein? Eine Steilvorlage, die zu zahlreichen Scherzen abgewandelt wurde. Man solle ihm den Preis heimlich auf den Nachttisch stellen und filmen, wie er morgens verwundert auf den Goldjungen starrt, hieß es dort zum Beispiel. Doch Hopkins selbst konnte nur bedingt etwas dafür – zumindest, was das abrupte Ende betrifft. Die Struktur an diesem Abend war anders als sonst. Die Veranstaltung endete nicht wie traditionell mit „Bester Film“, sondern mit Anthony Hopkins – und böse Zungen behaupten: Damit wollte die Academy dem Mann aus Wales am Ende dann doch noch einen kleinen Seitenhieb verpassen.

„Es bringt mich dazu, mich übergeben zu wollen“

In der glitzernden Hollywoodwelt ist der oft als grummelig geltende Hopkins so etwas wie die Antithese. Noch nie machte er einen Hehl aus seiner Abneigung zum schillernden Showgeschäft. Als er letztes Jahr als Bester Nebendarsteller für „Die zwei Päpste“ nominiert war, tauchte Hopkins auch nicht auf. Und als er in diesem Jahr bei den BAFTAs als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde, klar: Blieb Anthony Hopkins fern. Zufall ist das nicht. 

Als er 2012 mit der „Huffington Post“ über seine Oscar-Nominierung für seine Rolle als legendärer Regisseur Alfred Hitchcock in dem gleichnamigen Biopic sprach, sagte Hopkins: „Zu Menschen nett sein und charmant sein und mit ihnen flirten müssen, oh, komm schon! Die Leute geben sich alle Mühe, den Nominierten zu schmeicheln, und ich finde das irgendwie ekelhaft. Das war schon immer gegen meine Natur“. Und wem das noch nicht eindeutig genug ist, der höre auf diesen Nachsatz von Hopkins, der sich selbst als Einzelgänger bezeichnet: „Die Leute kriechen herum und küssen die Hinterteile berühmter Produzenten und all das. Es bringt mich dazu, mich übergeben zu wollen, das tut es wirklich.“

Vielleicht war Hopkins, der den 1984 verstorbenen, britischen Shakespeare-Darsteller Richard Burton als sein Vorbild bezeichnet, sogar glücklich darüber, dass es wegen Corona um seine Abwesenheit kein großes Aufsehen gab. Die Veranstalter, die die traditionelle Struktur der Verleihung aufgaben und den Hauptdarsteller-Preis ans Ende setzten, machten diesen Plan zunichte. Die Dramaturgie des Abends lief auf diesen Moment hin und für viele Experten und Zuschauer galt ein anderer Nominierter als Favorit: Chadwick Bosemans elektrisierende Leistung in „Ma Raineys Black Bottom“ schien nahezu gesetzt zu sein, nachdem der „Black Panther“-Star letztes Jahr mit 43 Jahren tragisch gestorben war. Bei den Critics Choice Awards, der SAG-Verleihung und den Golden Globes Awards gewann Boseman, bei den Oscars setzte sich nun Hopkins durch.

  • Drei deutsche Hoffnungen: Das sind die Oscar-Nominierungen 2021
  • Oscar-Verleihung 2021: Newsblog zur Oscar-Verleihung 2021
  • Emotionen, Lacher, Rekorde: Oscar-Überraschungen in zwei Topkategorien

Verdient hat der 83-Jährige den Preis dennoch – da sind sich alle Beobachter einig. Der „Guardian“ urteilte über Hopkins, er „spiele die gesamte Bandbreite von Emotionen, von Empörung bis hin zu Wutausbrüchen, und fühle sich niemals wie ein konstruierter Charakter an“. Und der „New Yorker“ schrieb: „Seien wir ehrlich: Die Triebfeder des Films ist die Anwesenheit von Hopkins – einem Schauspieler auf dem erschreckenden Gipfel seiner Kräfte, der einen Mann darstellt, der erbärmlich niedergeschlagen ist.“

Das letzte Mal, dass Anthony Hopkins die Schlagzeilen beherrschte und für viel Begeisterung sorgte, ist ziemlich genau vier Monate her. Seine Leistung stand dabei auch im Vordergrund, doch nicht seine schauspielerische. Hopkins machte im Dezember 2020 öffentlich, dass er seit nunmehr 45 Jahren trocken ist. Seine Alkoholabstinenz nutzte er, um anderen Süchtigen Mut zu machen: „Seid mutig und mächtige Kräfte werden euch beistehen“, so der Waliser. Diese Botschaft war ihm wichtig, er wandte sich über Twitter an seine Fans. Zu den Oscars hat er auf seinem Profil bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen Kommentar veröffentlicht. 

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel