"Meine Kinder hören unsere Musik nicht"

Bereits seit 1995 begeistert die Rockband Nickelback Millionen Fans mit ihrer Musik. Evergreens wie "How You Remind Me" (2001) brachten den Kanadiern Weltruhm ein. Trotz (oder wegen) des Erfolgs gab es immer wieder harsche Kritik an dem Quartett. Ihre Songs klängen zu gleich, es fehle eine klare Identität.

Am 18. November erscheint mit "Get Rollin`" nun schon das zehnte Album der Gruppe, die Jungs gehen weltweit auf Tour. Mit dabei: Gründungsmitglied Mike Kroeger (50). Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät der Bassist, wie er mit der Kritik am Stil der Band umgeht, welche besondere Leidenschaft er neben der Bandkarriere hegt und warum seine Kinder die Musik von Nickelback verschmähen.

Fünf Jahre ist es her seit eurem letzten Album. Es ist mittlerweile das zehnte, kann das sein?

Mike: Ist das nicht verrückt? Ich kann es nicht glauben. So viele meiner Lieblingskünstler oder -Bands hatten so kurze Karrieren im Vergleich zu uns. Die Beatles, die Beachboys… Unsere Nickelback-Karriere fühlt sich für mich wie ein Bonus für viele Jahre an. Jetzt ist es einfach Spaß, das machen zu können, mit Ihnen zu reden, ins Studio zu gehen, Musik zu machen und auf Tour zu sein. Ich fühle mich sehr gesegnet und habe Glück, das als Job zu haben. Es ist ein spaßiger Beruf, wenn du ihn ausüben darfst.

Ihr wolltet euch für euer neues Album Zeit lassen und etwas „in völliger Freiheit erschaffen“. Wie schätzen Sie das Ergebnis ein?

Mike: Ich bin sehr glücklich damit. Es ist ein sehr starkes Gesamtkunstwerk. Ich glaube, dass die Zeit, Freiheit und dass niemand einen Terminplan durchdrücken musste uns sehr geholfen hat, zu einem guten Ergebnis zu kommen.

Haben Sie einen Lieblingssong?

Mike: Die Frage nach einem Lieblingssong ist schwer für mich. Ich will nicht einen Song auf Kosten der anderen hervorheben. Ich versuche stets, bei allen Songs immer 100 Prozent zu geben. Ich freue mich aber besonders, "San Quentin" live zu spielen.

Wie hat die Pandemie eure Arbeit am Album beeinflusst?

Mike: Nicht so sehr. Es hat eher verändert, wie wir arbeiten. Das wurde stark von Restriktionen der Regierung beim Reisen und Versammeln beeinträchtigt. Schließlich lebe ich in Los Angeles und die anderen Jungs sind in Vancouver. Also konnte ich nicht mal eben hoch fahren und sie sehen. Das schien aber nicht wirklich eine Rolle zu spielen. Bei mir hat es vor allem bewirkt, dass ich noch stärker wertschätzen kann, diesen Beruf zu haben, als er mir "genommen" wurde. Dass ich nicht auf Tour gehen, Tracks aufnehmen und das Leben leben durfte. Ich denke, dass ich das jetzt höher einschätze.

In eurem Song „Those Days“ erinnert ihr euch an eure Jugend, kehrt in die Garage zurück. War eine Kindheit damals einfacher?

Mike: Auf viele Arten war es einfacher. Wir hatten unsere Probleme und nichts ist jemals perfekt, aber wir mussten uns nicht mit Social Media beschäftigen. Ich wuchs ohne Internet auf und habe es erst als Erwachsener kennengelernt. Meine Kinder sind da hineingeboren. Das hat gute und schlechte Seiten. Es hat viele Dinge sehr viel komplizierter für sie gemacht und meine Generation war wohl die letzte mit einer 'einfachen Kindheit'. Mit der Technologie kommt soviel Komplexität. Du sprichst nicht einfach mit einer Handvoll Freunde, sondern mit der ganzen Welt. Ich spüre in "Those Days" die Freiheit und Einfachheit des Lebens.

Wie waren Sie als Kind?

Mike: Ich war überhaupt kein guter Schüler. Das ist witzig, weil ich meine Kinder an der Highschool immer zu harter Arbeit und guten Noten animiert habe. Und als ich dann mal auf Tour war, kamen meine Highschool-Dokumente mit der Post und meine Kinder haben sie irgendwie gefunden. Als ich dann nach Hause kam, hielten sie mir die vor die Nase und beschwerten sich: 'Wie kannst so viel von uns verlangen, wenn du so schlechte Noten hattest?' Da hatten sie natürlich irgendwie Recht. Aber sie haben meine "akademischen Errungenschaften" beide übertroffen.

Ihr seht euch ja nicht als politische Band, soweit ich weiß…

Mike: Das stimmt.

Jetzt habt ihr den Song „Steel Still Rusts“ gemacht, der sich sehr wie eine Kritik am US-Militär oder am Militär generell anhört. Ist das auch so zu verstehen?

Mike: Der Song handelt von einem Freund der Band, der im US-Militär gedient hat. Er hat im Mittleren Osten gekämpft und ist desillusioniert heimgekehrt. Von ihm haben wir gelernt, dass wir unsere Veteranen in den USA wirklich besser behandeln könnten. Es scheint, als ob sie jeder liebt, wenn sie kämpfen. Aber wenn sie nach Hause kommen, will sie niemand mehr haben. Und das finde ich wirklich traurig. Ich habe eine Menge Freunde, die gedient haben und es ist schwer für sie. Viele verstehen nicht, welches Opfer sie leisten – manche bringen sogar das ultimative Opfer – und wie unfair das ist. Dieser Song handelt von den menschlichen Auswirkungen die es hat, sich in Situationen zu bringen, wo einem das ultimative Opfer abverlangt wird. Manche überleben und kommen zurück, doch haben es schwer, in die Gesellschaft zurückzufinden. Ich denke, das eigentliche Ziel von "Steel Still Rusts" ist es – auch wenn wir natürlich keine internationale Politik ändern können -, dass die Menschen, die in Kampfeinsätze gehen, besser behandelt werden.

Was sagen Sie zu der Kritik, dass sich eure Songs zu sehr ähneln würden?

Mike: Unseren Fans gefällt das sehr (lacht). Wir haben einen eigenen Klang kreiert und den lieben sie wirklich. Das ist unsere Sprache. Ich würde dem also gar nicht widersprechen, es stimmt. Nickelback hat einen bestimmten Sound. Sie können irgendeinen unserer Songs vorspielen und sobald mein Bruder zu singen beginnt, wird es jeder wissen.

Geht ihr sehr kritisch mit euch um?

Mike: Auf jeden Fall. Im Studio gibt es keine Kompromisse. Alles muss stimmen. Aber auch im Leben allgemein gehen wir sehr kritisch mit dem um, was wir tun. Welche Art von Show wir den Leuten anbieten… wir sind da sehr bewusst und aufmerksam. Wir wollen die höchste Nickelback-Qualität liefern, die wir ihnen geben können.

Wie hilft Ihre Familie Ihnen bei der Arbeit?

Mike: Vor allem mit Unterstützung. Sie sind für mich und uns da und bestätigen uns und dass wir das Richtige tun. Diese Art Leben, die wir führen, kann schwer für Familien sein. Zum Glück hat mich meine immer immens unterstützt und steht hinter jedem meiner Schritte auf diesem Weg.

Ihr hört euch eure eigene Musik ja nicht privat an. Tun es Ihre Kinder?

Mike: Die auch nicht. Sie sind einfach an ganz anderen Arten von Musik interessiert. Sie hören sie natürlich, wenn sie bei mir und mit auf Tour sind. Aber es ist nicht ihre bevorzugte Musik. Das ist vielleicht auch ihre Art, gegen ihren Vater zu rebellieren.

Wie nahe stehen Sie ihrem Halbbruder Chad?

Mike: So nahe wie es nur sein kann. Wir sind wahre Brüder und halten uns gegenseitig den Rücken frei und unterstützen uns. Es gibt auch Momente, in denen wir nicht einer Meinung sind. Aber so ist es bei allen Brüdern oder Menschen, mit denen man Zeit verbringt. Manchmal kommt man bei einzelnen Themen nicht auf einen Nenner. Aber wir bekommen das immer irgendwie hin und finden einen Weg. Wir teilen schließlich das gleiche Ziel: Wir wollen, dass Nickelback erfolgreich ist und dass die Fans genießen, was wir tun. Es ist ein Konsens, dass wir den Leuten das Beste bieten müssen.

Sie haben mal in einem Coffee Shop gearbeitet und dort ist der Name der Band entstanden, stimmt das?

Mike: Ja genau. Ich habe Wechselgeld rausgegeben, meistens fünf Cent. Da habe ich immer gesagt: 'Here´s your Nickel back.' Ich hatte mehrere Jobs damals: Ich habe parallel im Coffee Shop, im Supermarkt und in einer Holzfällerei gearbeitet, während wir dabei waren, unsere Band aufzubauen.

Mal angenommen, Sie wären kein Rockstar geworden: Was würden Sie heute arbeiten?

Mike: Ich habe aktuell eine Nebenkarriere als Gemmologe. Ich studiere schöne Steine, das ist auch eine Leidenschaft von mir. Ich beende gerade mein Studium, da werde ich mich direkt nach dem Gespräch auch wieder mit beschäftigen. Meine Frau und ich haben auch ein Juweliergeschäft, fertigen Einzelstücke an. Da wir in Hollywood leben, tragen viele der berühmten Leute unsere Arbeiten. Also wenn Nickelback nicht funktionieren würde, würde ich als Gemmologe und Juwelier arbeiten.

Vor ein paar Jahren meinten Sie mal, dass sie gern ein Metal- oder Slayer-Coveralbum machen würden. Ist das immer noch ein Thema?

Mike: Das war nie als Nickelback-Ding gedacht. Ich hatte das eher für mich allein überlegt. Aber ich weiß nicht, man wird sehen was passiert. Das Leben bietet noch eine Menge Zeit. Aber die Slayer-Songs sind und bleiben weiterhin die besten, die verschwinden nicht.

Metal ist also weiterhin Ihr Ding?

Mike: Auf jeden Fall!

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