Kritik zum ‚Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer‘ aus Kiel: Die nötige Wut

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des „Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“. Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 07.03.2020, 20.15 – 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).

Bei diesem Kieler „Tatort“ zum Weltfrauentag überlässt der wortkarge Klaus Borowski (Axel Milberg) die Bühne seiner emotionalen Kollegin: Mila Sahin (Almila Bagriacik) ist in „Borowski und die Angst der weißen Männer“ (Buch: Peter Probst und Daniel Nocke, Regie: Nicole Weegmann) die Handelnde (Borowski begibt sich immerhin auf Undercover-Mission und holt sich eine blutige Nase.)

Kieler Tatort: Eine denkbar unschöne Welt

Sahin taucht ein in die dunkle Welt der weißen Männer, die einander in ihrem bizarr überholten Geschlechterbild bestätigen: Frauen sind darin das Freiwild, das der Mann reißen muss, und Frauen sind immer die Bösen. Dazu kommt noch eine gute Portion Hass auf und Verachtung für alles, was nicht weiß oder mit allzu viel Selbstbewusstsein ausgestattet ist. Eine denkbar unschöne Welt.

Der lokale König dieser Welt ist Hank Massmann (Arnd Klawitter), der tatsächlich in augenkrampfauslösender weißer Kleidung auftritt und das Geistesgift in Vortragssälen und übers Internet in seine Gemeinde trägt. In dieses Szenario wirft das Drehbuch den verkorksten Jung-Erwachsenen Mario Lohse (Joseph Bundschuh), der so gern zum Club der echten Kerle gehören würde. Er kann einem fast leid tun, weil man immer auch einen guten Kern in diesem Charakter sieht. Aber, auch das ist klar, er wird scheitern. Um die Kerle zu beeindrucken, kündigt er im Internet an: „Hab ein krasses Panik-Video“ – das zeigt ihn, wie er auf dem Rad durch Fußgängergrüppchen pflügt. Da lächelt der Münchner Fußgänger nur müde, und auch die Kerle sind nicht beeindruckt. Dann will er eine Frau, die er zufällig kennengelernt hat, bei sich daheim verführen. Doch wir lernen: Wenn der Typ eh schon schräg und die Atmosphäre reines Unbehagen ist – und dann noch die Polizei in Bude stürmt, hat es die Romantik schwer.

Mila Sahin darf den Boxsack nutzen

Mila Sahin gibt in diesem Krimi den Ton an, und sie hat die nötige Wut im Bauch. Sie darf auch mal zuschlagen – dann war das etwas alberne Aufhängen des Boxsacks in ihrem Büro an ihrem allerersten Diensttag also keine völlig an den Haaren herbeigezogene Geste. Sehr angenehm.

Dass der Internet-Spezialist bei der Polizei natürlich eine Trainingsjacke überm geschmacklich fragwürdigen Hemd trägt: geschenkt. Dass die Action-Sequenz am Ende dann irgendwie verpufft: passt schon.

Dieser „Tatort“ leistet auf versöhnliche Weise – immerhin sind hier nicht alle Männer böse, sondern nur eine Gruppe geistig Abgedrifteter und der Vertreter vom Staatsschutz – seinen Beitrag zum Frauentag. Die Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel) lässt sich von den Drohungen im Internet nicht einschüchtern, und Almila Bagriacik hat einen starken Frauenpower-Auftritt. Gerne mehr davon!

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