"Ich habe mich getraut, ins eiskalte Wasser zu springen"

Wie wandelbar er als Schauspieler ist, stellte er schon häufig unter Beweis. Nun hat sich Bjarne Mädel als Regisseur versucht – in einem Film, in dem er auch Hauptdarsteller ist.

In „Sörensen hat Angst“ ist Bjarne Mädel nicht nur Protagonist, er hatte auch im Hintergrund alle Fäden in der Hand. Erstmals führte der 52-Jährige auch Regie. Dass das keineswegs geplant war und wie wohl er sich dabei gefühlt hat, berichtet Mädel im Interview mit t-online.

„Sörensen hat Angst“ handelt von einem Kommissar, der sich aus Hamburg in eine ländliche Gegend an der Küste versetzen lässt. Er hofft dort auf mehr Ruhe, besonders in Bezug auf seine Angststörung. Lange bleibt sie aber nicht, die erhoffte Ruhe. Ein Mord muss aufgeklärt werden. Immer wieder kommen dabei Sörensens Ängste zum Vorschein.

Bjarne Mädel: Zum einen muss man ja nicht immer der Erwartungshaltung entsprechen und zum anderen hat sich das einfach so ergeben. Es ist mir tatsächlich als erstes Regieprojekt direkt vor die Füße gefallen. Sven Stricker, der Autor, hat das mal als Hörspiel für mich geschrieben. Dann hat er einen Roman daraus gemacht, der sich schon sehr filmisch liest. Man hat die Bilder gleich sehr präsent vor Augen. Mehrere Produktionsfirmen waren daran interessiert, diese Geschichte zu verfilmen. Wir haben uns für die kleine und tolle Firma Claussen und Putz aus München entschieden. Dass ich die Hauptrolle spiele, war klar und wir haben dann zusammen überlegt, wer Regie führen könnte. In einem leichtsinnigen Moment meinte ich: Bevor das der und der macht, mach ich das lieber selbst. Der Produzent Jakob Claussen hat das erstaunlicherweise ernst genommen. Schließlich haben mir auch die Verantwortlichen beim NDR Vertrauen geschenkt – obwohl ich das ja bisher noch nie gemacht habe.

Das ist ja schon eine große Verantwortung.

Allerdings… Ich habe zur Bedingung gemacht, dass ich mein Team mitbringen kann. Das durfte ich und deshalb habe ich mich dann getraut, ins eiskalte Wasser zu springen.

Mit dem eigenen Team fühlt man sich wahrscheinlich direkt wohler und ein bisschen in einer Komfortzone, oder?

Ja, das war für mich extrem wichtig. Ohne Kristian Leschner als Kameramann und künstlerischen Mitstreiter hätte ich diesen Film nicht gemacht. Wir haben zusammen erarbeitet, wie das Ganze aussehen soll: der Look, die Farbigkeit, die Beleuchtung, die Kameraeinstellungen. Zum Dreh kamen dann alle anderen aus dem Team dazu. Tatsächlich fühlte ich mich da sehr aufgehoben und sicher. Die Doppelfunktion war für mich ein Drahtseilakt oder ein Seiltanz, aber ich wusste immer, ich habe ein gutes breites Netz untendrunter, das mich im Notfall auffängt – dieses Netz war die Produktion und mein Team. Das klingt jetzt ein bisschen kitschig, war aber für mich wirklich so. Natürlich hatte ich Respekt vor der Aufgabe. Das ist ja auch viel Geld, das einem vom Sender in die Hand gegeben wird. Man ist dann verantwortlich dafür und für das künstlerische Produkt, aber eben auch für die Menschen, die mit einem arbeiten. Das ist ein enormer Druck. Ich habe das irgendwie angstfrei angenommen, weil ich alle hinter der Kamera gut kannte. Es waren alles Leute, die zusammen mit mir einen besonderen, tollen Film machen wollten. Das hat mich echt durch diese Zeit getragen.

Gute Voraussetzungen. Als Sie den fertigen Film dann gesehen haben, waren Sie zufrieden oder dachten Sie auch mal: Mist, das hätte anders umgesetzt werden können?

Es gibt bestimmte Stellen, wo man weiß, warum sie nicht 100 prozentig so sind, wie man sie haben wollte, weil es an dem Tag vielleicht zu viel geregnet und gestürmt hat oder man ein bestimmtes Motiv nicht bekommen hat. Ich war darauf vorbereitet, dass man als Regisseur immer Kompromisse eingehen oder Abstriche machen muss, aber das waren bei „Sörensen“ erstaunlich wenige. Wenn ich mir den Film ansehe, fühlt er sich genauso an, wie ich wollte, dass er sich anfühlt. Dass man unbeschwert reingeht, mit Humor anfängt und dann in den Abgrund dieses kleinen, finsteren Ortes gerät. Es zieht einen immer mehr rein, gleichzeitig wird die Angststörung, die für mich als Spieler sehr spannend war, darzustellen, zur Seite gedrängt. Dann übernimmt die Härte des Kriminalfalles, es wird düster und ernst. Wie Loriot sagen würde, ist für Humor dann auch einfach kein Platz mehr. Ja, das sollte so sein. Das ist ein beglückendes Gefühl, wenn das aufgeht, was man sich zusammen ausgedacht hat.

Ein Grund für Sie, es wieder zu tun? Es gibt immerhin weitere Sörensen-Teile.

Ja, es gibt bereits einen zweiten Roman bei Rowohlt mit dem Titel „Sörensen fängt Feuer“. 2021 kommt der dritte Teil „Sörensen am Ende der Welt“ raus. Aber ich fände es schade, wenn aus diesen Vorlagen jetzt eine leicht konsumierbare Krimireihe werden würde. Ich habe anderthalb Jahre ausschließlich an „Sörensen hat Angst“ gearbeitet. In der Zeit konnte ich als Schauspieler nichts anderes arbeiten. Die besondere Mischung aus Drama und komödiantischen Elementen in Verbindung mit dem Krankheitsbild der Angststörung hat für mich in diesem Fall gerechtfertigt, meine Lebenszeit und Energie zu investieren. Wenn mich der Inhalt ähnlich reizt, kann ich mir vorstellen, es „wieder zu tun“. Aber ich würde die Seiten nicht dauerhaft wechseln wollen. Ich bin schon gerne Schauspieler. Jetzt bin ich erstmal sehr froh, dass ich das ausprobieren durfte und man mir diese Chance gegeben hat.

Bei „Sörensen hat Angst“ haben sie nicht nur die Seiten gewechselt, sondern eher noch einen Job dazu genommen, immerhin waren Sie auch Hauptdarsteller. Hatten Sie denn als Regisseur was an sich als Schauspieler zu meckern?

Ich habe mich sehr viel gelobt. Ich als Regisseur fand, dass der Hauptdarsteller das meistens sehr, sehr gut gemacht hat. Kaum Fehler im Spiel. (lacht) Aber im Ernst: Es war schon komisch, sich selbst zu beurteilen. Aber ich weiß zum Glück recht gut um meine Wirkung. Außerdem konnte ich mein Spiel immer kontrollieren: Es gibt am Set einen Bildschirm, zu dem man hingehen kann, um zu schauen, was man gerade gemacht hat. Da habe ich dann auch auf mich selbst geguckt. Und eben auf die Kolleginnen und Kollegen, um ihnen nochmal zu beschreiben, was ich mir im Moment des Drehens vielleicht nicht alles merken konnte, weil ich mich gleichzeitig ja auch aufs Spielen konzentrieren musste. Ich bin schon viel hin- und hergerannt.

Das kann ich mir vorstellen. Sie sagten gerade schon, dass Sven Stricker die Sörensen-Figur für Sie geschrieben hat. Gibt es dadurch auch Parallelen zwischen Ihnen und Sörensen? Sie sagten dazu: „Sörensen ist mir mit seinen inneren Zuständen und seiner Sehnsucht nach Ruhe auch persönlich sehr vertraut.“ Wie meinen Sie das?

Ich meinte damit einfach, dass ich Sörensen gut verstehen kann. Aber Sven hat das nicht für mich geschrieben, weil ich an einer Angststörung leide. Wenn es heißt, das wurde jemandem „auf den Leib geschrieben“, dann heißt das eher, dass der Autor oder die Autorin sich beim Schreiben vorstellt, wie man etwas spielen oder sprechen wird und nicht, dass man als Privatperson deckungsgleich wäre. Sven hat die Rolle als schöne Aufgabe für mich als Schauspieler geschrieben. Mit mir privat hat das nichts zu tun. Genauso wenig wie andere Rollen. Der Ernie in „Stromberg“ und der „Mord mit Aussicht“-Polizist, der „Tatortreiniger“ – diese Figuren, die mich bekannt gemacht haben, habe ich ja alle mit erfunden und erschaffen, sie sind mir dadurch vertraut und ich kann sie sehr gut nachvollziehen. Aber das heißt nicht, dass ich jetzt privat eine Trennung von Frau und Tochter hinter mir habe und eine Angststörung oder einen roten Passat fahre. So ist es nicht.

Die mögen sich: Sörensen (Bjarne Mädel) hat einen neuen Freund – Hund Cord. (Quelle: NDR/Michael Ihle)

Klar, vermutlich haben Sie auch keinen Hund, der Ihnen nicht gehört und der Ihnen trotzdem anhaftet …

Nein, habe ich leider nicht. Ich würde den Cord sofort adoptieren, aber ich wohne in der Stadt, da finde ich Hunde generell blöd. Die gehören meiner Meinung nach in die Natur mit Erde unter den Pfoten. Aber wenn ich irgendwo am Waldrand leben würde und einen anderen Beruf hätte, in dem ich nicht so viel unterwegs sein müsste, dann hätte ich gern einen Hund.

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Noch eine Frage zu einem anderen Thema: Vermissen Sie selbst die Serie „Der Tatortreiniger“ eigentlich auch so sehr wie die Fans?

Ja, Schotty vermisse ich schon ab und zu. Es ist ein bisschen so wie bei einem sehr guten Freund, der nach Australien ausgewandert ist, wo man weiß, der ist noch irgendwie da, aber man kommt schwer an ihn ran und man sieht ihn auch gar nicht mehr. Aber für mich existiert er noch. So kann ich es am besten beschreiben. Aber ich habe zum Glück ja andere Aufgaben, wie jetzt dieses Regieprojekt, die mich ganz gut vom Verlust ablenken.

Bjarne Mädel als „Tatortreiniger“ Schotty: Für viele Fans ist die Figur absoluter Kult. (Quelle: imago images / Revierfoto)

Würde so eine Serie denn mal wieder für Sie infrage kommen?

Nachdem ich so viele Jahre in Serien aufgetreten bin, bin ich im Moment ganz froh, eher bei Einzelstücken mitzuwirken. Aber klar, wenn der Inhalt stimmt und die Rolle spannend ist, will ich das nicht ausschließen. Dennoch: Wenn man eine Serienrolle übernimmt und die dann über zehn Jahre spielt, wie bei „Stromberg“, oder sieben Jahre den „Tatortreiniger“, dann wird man damit eben auch oft in Verbindung gebracht. Es ist schwierig, diese Rollen abzuschütteln, was ja nötig ist, damit die Leute diese Rollen nicht immer erstmal mitdenken, wenn sie etwas Neues von einem sehen. Bei Filmen geht das leichter. Insofern bin ich nicht so heiß drauf, die nächste langjährige Serienrolle zu erschaffen.

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„Sörensen hat Angst“ läuft am kommenden Mittwoch, den 20. Januar 2021 um 20.45 Uhr im Ersten.

Die ungewöhnliche Uhrzeit ist dadurch zu erklären, dass die ARD um 20.15 Uhr ein Extra zur Vereidigung Joe Bidens als neuer US-Präsident zeigt. In der ARD-Mediathek ist „Sörensen hat Angst“ bereits verfügbar.

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