Über Stasi-Akte: "Es fühlte sich fast an wie im Krimi"

Am Sonntag spielt sie als abgebrühte Ex-Venus-Falle der Stasi das „Tatort“-Team aus Köln an die Wand: Ulrike Krumbiegel. Im Interview mit t-online spricht die Schauspielerin über ihren verrückten Look, Stunts und die eigene Stasi-Akte.

Immer wieder zieht es Ulrike Krumbiegel in Produktionen, die einen zeitgeschichtlichen Hintergrund haben. Die in der DDR aufgewachsene Schauspielerin brilliert dabei vor allem in tragenden Nebenrollen – und drückt den Filmen ihren Stempel auf. Bestes Beispiel: der neue „Tatort“ aus Köln.

In „Der Tod der Anderen“ ist sie kaum wiederzuerkennen: mit Perücke und regungsloser Miene. Wie es dazu kam, erzählt die 59-Jährige im Interview mit t-online – und verrät dabei auch, welche Details aus der eigenen Stasi-Akte sie bei der Sichtung schockierten.

Ulrike Krumbiegel: Glücklicherweise kam die Anfrage früh genug, denn ich wollte noch von den Azoren segeln, da kann man nicht mehr zur Vorbereitung schnell mal vorbeikommen. Und von Anfang an hatte ich ein anderes Bild von ihr als das, was ich morgens im Spiegel sehe. Dann hat Torsten mich zum Essen eingeladen, da haben wir diesen wichtigsten Punkt besprochen und ich hab mich in die Anproben, die ich so liebe – was wiederum Kostüm- und Maskenbildner lieben –, gestürzt.

Das heißt: Die Perücke war Ihre Idee?

Die Perücke war von Anfang an meine Idee, weil ich den Look so radikal ändern wollte. Und weil das neben ein paar Problemen auch entscheidende Vorteile hat. Der Kameramann kratzt sich besorgt am Kopf, weil Kunsthaar meist stark reflektiert und nur eingeschränkt zu verwenden ist. Die Produktion kriegt Schnappatmung, wenn Echthaarperücken angefertigt werden sollen: das ist zeitaufwändig und kostspielig. Die Maske wiegt den Kopf, weil eine Laden-Perücke ja nie genau passt. Aber, bei Wind und Wetter sitzt die auch nach Stunden noch.

Nicht das erste Mal, dass Sie Ihren Look derart verfremden.

Nach vielen Jahren im Theater mit fantastischen Maskenbildnern habe ich mich jetzt im Film in kurzer Zeit viermal mit Perücken verändert. Davor für „Die Anfängerin“, „Polizeiruf: Muttertag“ und „Glück kommt selten allein“. Es hatte immer mit den Figuren zu tun, aber es erweitert auch die eigenen Möglichkeiten. Und jetzt kann ich natürlich immer gleich mit überzeugenden Bildern punkten.

„Tatort: Der Tod der Anderen“: Als Bettina Mai spielt Ulrike Krumbiegel in dem Sonntagskrimi groß auf. (Quelle: WDR/Thomas Kost)

Wieviel Spaß hat Ihnen Bettina Mai bereitet? 

Eine Frau, die es gewohnt ist, dass gemacht wird, was sie will – auch wenn sie Leute erst um den Finger wickeln muss, klar: Das macht auch Spaß. Schick aussehen, Ansagen machen, unverschämt sein.

Und Sie gehen auch richtig hart zur Sache. Liegt Ihnen das kämpfen?

Gleich zuerst haben wir die Szenen gedreht wo ich die Männer (Anm. d. Red.: Dietmar Bär, Hilmar Eichhorn) überwältige. Auch mit Hilfe eines Stunt-Koordinatoren, aber jeder weiß: Das kann ich eigentlich nicht, sieht nur durch den Schnitt gut aus. Sport mit Körperkontakt ist nichts für mich.

Der DDR-Hintergrund Ihrer Figur, die Rolle als IM bei der Stasi, hat das dazu geführt, dass Sie sich wieder mit Ihrer eigenen DDR-Vergangenheit auseinandergesetzt haben?

Für Sie liegt das wahrscheinlich im letzten Jahrtausend, kurz nach Napoleon. Aber für mich ist es ja meine Kindheit, Jugend, die beruflichen Anfänge, fast die Hälfte meines bisherigen Lebens – das ist mit oder ohne Auseinandersetzung einfach immer da.

Sie haben in den Neunzigern Ihre Akten gesichtet. Was haben Sie erfahren?

Ich wusste gar nicht genau, was ich da erwartete, fühlte sich fast ein bisschen an wie im Krimi. Manche haben erzählt, sie haben befürchtet, gar nichts zu finden, obwohl sie sich für unheimlich dissidentisch und konspirativ hielten. Bei mir mäanderte es hauptsächlich um die Frage, dass ich zu wenig Bindung an Besitz hätte und ob ich wohl von den West-Gastspielen immer wieder zurückkäme – dabei hatte ich ein kleines Kind zuhause!

Ulrike Krumbiegel: Auch für den Film „Die Anfängerin“ setzte die Schauspielerin am Set eine Perücke auf. (Quelle: Charles Yunck/imago images)

Was hat Sie am meisten schockiert? 

Dass es da Kopien von den Briefen mit meiner Tante aus Westberlin gab, fand ich schrecklich. Die Vorstellung, wie man die Post raussortiert, öffnet und das womöglich mit Wasserdampf über einem Topf in einem finsteren Keller und wie in meinem Privatleben rumgebohrt wurde, die abfälligen Kommentare über mich. Zum Lachen war eine Aussage: Meine Kollegen in Schwerin würden meinen, mit mir ginge es jetzt künstlerisch bergab – da hatte ich gerade das Angebot ans Deutsche Theater nach Berlin bekommen. Wissen Sie, was das beste am Sichten der eigenen Akte war?

Nein, sagen Sie es mir.

Damit war endlich mal vom Tisch, wer es alles vielleicht hätte gewesen sein können, die Bespitzelungen, das Aushorchen – und das war gut.

Der „Tatort“ wurde in einem ‚Land vor unserer Zeit‘ gedreht, wenn man so will. Das Coronavirus war damals noch kein Thema. Wie hat sich das letzte Jahr mit dem Virus für Sie angefühlt? 

Es war wie für alle sehr seltsam. Ich hatte Proben am Schauspielhaus Zürich als der erste Lockdown kam, da bin ich immer durch die völlig leere Stadt gewandert. Dann erreichte das Schiff, mit dem ich ab Mai segeln wollte, gerade noch den rettenden Hafen Tahiti und die Weltreise löste sich in Luft auf. Wer konnte sich vorstellen, dass wir in eine Krise dieser Art stürzen könnten?

Tatsächlich niemand. Was vermissen Sie denn derzeit am meisten?

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Ich versuche nicht daran zu denken, was ich vermisse. Ich versuche, die Zeit für Dinge zu nutzen, die ich sonst wohl nicht machen würde. 

Der „Tatort: Der Tod der Anderen“ läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten. Es ist der 80. Fall des Kölner Ermittlerteams um die Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk, gespielt von Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär. Der Krimi dreht sich um eine Tote in einem Berliner Luxushotel, welches von Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel) geführt wird.

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