Wird er verurteilt, droht Prinz Andrew ein Debakel

Die Missbrauchsvorwürfe gegen Prinz Andrew wiegen schwer: Er wird sich wohl einem Prozess stellen müssen – als Privatperson, nicht als Royal. Das könnte für den 61-Jährigen äußerst unangenehme Folgen haben. 

Seit 2015 stehen Vergewaltigungsvorwürfe gegen Prinz Andrew im Raum, seit dieser Woche ist ein Zivilprozess gegen den Herzog von York, der immer als der „Lieblingssohn“ von Queen Elizabeth II. galt, nicht mehr zu stoppen. Das Königshaus hat darauf nun reagiert – wenn auch reichlich spät. Was genau steht Andrew jetzt bevor, welche Optionen hat er und inwiefern könnten weitere Royals in den Prozess involviert werden?

Am Donnerstag gab die Queen bekannt, dass ihm all seine militärischen Titel und Schirmherrschaften entzogen werden. Er übernimmt keine royalen Aufgaben mehr und wird sich als Privatperson einem möglichen Prozess stellen müssen. Mit der Aberkennung der militärischen Titel geht auch der Verlust der Anrede „Seine Königliche Hoheit“ einher. Der Palast geht also auf Distanz zu dem 61-Jährigen. Wohl im Herbst 2022 muss er sich laut Angaben des Richters Lewis Kaplan einem Hauptverfahren in den USA stellen.

Das wirft Virginia Giuffre Prinz Andrew vor

Die Klägerin in dem Verfahren heißt Virginia Giuffre, geborene Roberts. Sie wirft Andrew vor, sie im Rahmen des Missbrauchsrings des verstorbenen US-Geschäftsmanns Jeffrey Epstein und seiner jüngst schuldig gesprochenen Handlangerin Ghislaine Maxwell Ende der Neunziger vergewaltigt zu haben. Sie war damals 17 Jahre alt. Die schweren Vorwürfe hat Andrew kategorisch abgestritten, auch die Zustellung der Klage wollten seine Anwälte lange verhindern. 

Eine Aufnahme aus dem Jahr 2001: Prinz Andrew hat Virginia Giuffre im Arm, im Hintergrund lächelt Ghislaine Maxwell in die Kamera. (Quelle: CAP/PLF Image)

Nun kann Andrew sich aber offenbar nicht länger aus der Verantwortung stehlen, ein Zivilprozess steht dem Royal bevor. Virginia Giuffre blickt positiv auf diese Entwicklungen: „Mein Ziel war es immer zu zeigen, dass die Reichen und Mächtigen nicht über dem Gesetz stehen und zur Rechenschaft gezogen werden müssen“, schrieb sie in einem Tweet. 

Giuffre ist stets sehr offen mit ihren Anschuldigungen umgegangen und will ihre Geschichte erzählen. Der Zivilprozess bietet ihr zudem die Möglichkeit, eine große Summe an Schadenersatz zu erhalten, sagt der Rechtsexperte und ehemalige US-Bundesanwalt Neama Rahmani der dpa. Häufig würden zivile Klagen außergerichtlich geklärt – dieser Fall aber liegt Rahmanis Meinung nach anders.

So kann der Queen-Sohn peinliche Details verhindern

Die Anwältin Sarah Krissoff ist hingegen der Meinung, dass Prinz Andrew ein großes Interesse an einer außergerichtlichen Einigung haben sollte, um peinliche detaillierte Schilderungen vor Gericht zu vermeiden. Deshalb könne er Giuffre womöglich einen guten Deal vorschlagen. Insider berichten dem britischen „Mirror“ jedoch, dass dies „im Moment keine Option ist, die in Betracht gezogen wird“. 

Im Falle eines Prozesses stellt sich die Frage, mit welchem Richterspruch Prinz Andrew rechnen müsste. „Da es sich um eine Zivilklage handelt, kann es für Andrew neben einem weiteren Imageschaden nur um finanzielle Konsequenzen gehen. Jegliche geldwerten Besitztümer des Royals in den USA sowie Konten könnten für diesen Zweck dann ins Visier der Justiz geraten – sofern Virginia Giuffre Recht bekommt. Haftstrafen oder Ähnliches sind aber nur in einem Strafprozess möglich“, erklärt der Experte.  

Virginia Roberts Giuffre: Die heute 38-Jährige wirft Prinz Andrew vor, sie missbraucht zu haben. (Quelle: IMAGO / Ritzau Scanpix)

Die „finanziellen Konsequenzen“ könnten dabei immens sein. Allein die Anwaltskosten liegen laut dem britischen Blatt „Daily Mail“ bei fünf bis sechs Millionen Pfund (rund sechs bis sieben Millionen Euro), ein Wert, den Andrew aus eigener Tasche kaum aufbringen kann, berichtet das Blatt. Hinzu könnte eine beträchtliche Abfindung kommen, die er je nach Urteil an Virginia Giuffre zahlen müsste.

So steht es um die Finanzen von Prinz Andrew

Er lebe privat von Zuwendungen seiner Mutter aus dem Nachlass des Herzogtums Lancaster sowie von persönlichen Investitionen und Vermächtnissen von Familienmitgliedern wie der 2002 verstorbenen Queen Mum. Hinzu komme seine bescheidene Pension von der Royal Navy, der er von 1979 bis 2001 diente und für die er im Falklandkrieg 1982 im Einsatz war. 

Andrew wohnt in der Royal Lodge unweit von Schloss Windsor. Das Haus ist von der Krone gepachtet. Die Möglichkeit eines Verkaufes besteht hier nicht. Zudem hatten sich der Prinz und seine Ex-Frau Sarah Ferguson 2014 gemeinsam ein Chalet im schweizerischen Verbier gekauft. Die Schulden dafür seien erst kürzlich von dem einstigen Paar getilgt worden. Ein Verkauf des Hauses sei bereits in die Wege geleitet, berichtet die „Daily Mail“ weiter. Da darauf jedoch eine Hypothek von 13 Millionen Pfund (15,5 Millionen Euro) liege, ist ungewiss, wie viel Andrew dann noch bleibt. 

Queen Elizabeth II. und ihr Sohn Prinz Andrew: Offenbar könnte sie ihn schon bald nicht mehr finanziell unterstützen. (Quelle: Chris Jackson/Getty Images)

Angeblich habe die Queen ihren „Lieblingssohn“ bislang beim Zahlen seiner Anwaltskosten unterstützt. Dass sie sich an einer finanziellen Entschädigung an sein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer beteilige, sei aber „undenkbar“, wie familiennahe Quellen berichten. 

„Der Herzog wird sich weiterhin gegen die Behauptungen wehren“

Prinz Andrew stehen derzeit einige Optionen offen. Theoretisch könnte der 61-Jährige mit dem Gericht zusammenarbeiten und versuchen, seine Unschuld zu beweisen. Rechtsexperte Rahmani sieht das aber als unwahrscheinlich an: Prinz Andrew sei nicht verpflichtet, in die USA zu reisen und könnte nicht zu einer Kooperation gezwungen werden. Zudem berge jede Zusammenarbeit das Risiko, sich angreifbar für eine Strafanklage zu machen. Eine Andrew nahestehende Quelle sagte dem britischen Blatt „Guardian“ außerdem: „Dies ist ein Marathon, kein Sprint, und der Herzog wird sich weiterhin gegen die Behauptungen wehren.“

Im Zusammenhang mit dem Zivilverfahren bestehe nicht die Möglichkeit, dass US-Behörden eine Auslieferung des Prinzen ersuchen. Nicht einmal zu einer Aussage unter Eid könne Andrew gezwungen werden, wie Neama Rahmani erklärte. 

Bliebe noch die Möglichkeit eines Strafprozesses. Ob Staatsanwälte gezielt gegen Andrew ermitteln oder ob es eine nicht veröffentlichte Anklage gibt, ist unklar. „Ich gehe davon aus, dass die US-Staatsanwaltschaft, wenn es genügend glaubwürdige Beweise gibt, jeden anklagen wird, der an dem sexuellen Missbrauch mit Epstein beteiligt war – ob es nun Prinz Andrew oder jemand anderes ist“, sagt Rahmani.

Was bedeutetet der nahende Prozess für Andrews Familie?

Könnten in den anstehenden Prozess auch Mitglieder der Royal Family involviert werden? Ja, erklärt Spencer Kuvin, Anwalt aus Florida und Vertreter von neun Epstein-Opfern, dem britischen „Mirror“. Das desaströse Interview, das Prinz Andrew 2019 der britischen BBC gegeben hatte, könnte der Grund dafür sein. Er hatte dem Gespräch mit der Intention, sich von Giuffres Vorwürfen freizumachen, zugestimmt, sich jedoch mit seinen Aussagen tiefer in die Angelegenheit hineingeritten und war daraufhin von seinen royalen Pflichten zurückgetreten. 

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Prinzessin Beatrice, Sarah Ferguson und Prinzessin Eugenie im Jahr 2015: Sie könnten in den Prozess gegen Andrew involviert werden. (Quelle: IMAGO / Everett Collection)

Kuvin betont: „Er erwähnte sowohl seine Frau als auch seine Töchter. Sie alle könnten nun befragt werden. Die Anwälte könnten es sogar bei der Königin versuchen.“ Eine Aussage der Monarchin sei aber unwahrscheinlich, so Kuvin. Eines ist jedoch klar: Dem Ansehen des Königshauses werde durch die Vorwürfe und durch den Prozess sicherlich geschadet, sagte der Medienanwalt Mark Stephens der BBC.

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