Verschwörungsmythen auf der Spur

Seit mehr als zwölf Jahren beleuchten Alexa und Alexander Waschkau in ihrem gemeinsamen Podcast "Hoaxilla – Der skeptische Podcast" grenzwissenschaftliche Themen, Urban Legends und Verschwörungsmythen. Standen zu Beginn noch Themen wie Nessie oder das Bermuda-Dreieck im Mittelpunkt, kamen vor allem in den letzten Jahren immer mehr Verschwörungsmythen dazu. "Gerade in gesellschaftlich unruhigen Zeiten haben Verschwörungserzählungen Konjunktur", erklärt das Hamburger Ehepaar. Durchschnittlich bis zu 50.000 Hörer sind bei jeder Hoaxilla-Folge dabei.

Nun erobert der Podcast auch das TV. Am Sonntag (31. Juli, 15:20 Uhr) feiert der rund 20-minütige Animationsfilm "Hoaxilla: Nazis in Neuschwabenland?" seine deutsche TV-Premiere auf The History Channel. Auch über History Play, History.de und über die Social-Media-Kanäle des Senders ist die Episode auf Abruf verfügbar. Wie Verschwörungsmythen entstehen, warum sie so brandgefährlich sind und was es mit Hitlers angeblich geheimer Ufo-Basis am Südpol auf sich hat, erklären Alexa und Alexander Waschkau im Interview.

Mit Ihrem Podcast „Hoaxilla“ nehmen Sie seit mehr als zwölf Jahren Verschwörungsmythen auseinander. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Alexa Waschkau: Als wir 2010 mit unserem Podcast gestartet sind, standen Themen wie Nessie oder das Bermuda-Dreieck im Mittelpunkt. Wir wollten selber mehr über diese Phänomene erfahren und fragten uns, wie man sie mit wissenschaftlich-kritischen Methoden untersuchen kann.

Alexander: Unser ursprüngliches Ziel war es, unterhaltsam aufzuklären und dabei eigentlich unpolitisch zu sein. Als dann Verschwörungsmythen zum Themenkanon dazukamen, wurde uns bewusst, dass diese eine hochpolitische Bedeutung haben können.

Wie und warum entstehen und verbreiten sich Verschwörungsmythen?

Alexa: Verschwörungserzählungen haben immer in gesellschaftlich unruhigen Zeiten Konjunktur. Wirtschaftskrisen, Kriege oder die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 sind Beispiele für Ereignisse und Zeiten, in denen sich Verschwörungserzählungen im Aufwind befinden.

Alexander: Waren es nach Einführung des Buchdrucks Flugblätter mit Verschwörungsmythen, ist es seit den 2000er Jahren das Internet, das die Verbreitung dieser Art von Erzählungen beschleunigt und vereinfacht. Sie sind dabei häufig der Versuch, komplexe gesellschaftliche Sachverhalte einfach zu erklären.

Welche Dinge haben alle Verschwörungsmythen gemeinsam und ab wann werden sie gefährlich?

Alexander: Eine Hauptfunktion und Gemeinsamkeit vieler Verschwörungsmythen sind die Reduktion von Komplexität und das Schaffen eines fiktiven Freund-Feind-Dualismus. Dabei ist sehr häufig die Identifikation eines "Sündenbocks" für gesellschaftliche und/oder private Probleme zentral.

Alexa: Und genau da kann es dann auch gefährlich werden. Grundlage vieler Verschwörungserzählungen sind tradierte antijüdische Muster. Fühlen sich Menschen gar durch solche Mythen bedroht, können sie das Gefühl haben, sich wehren bzw. Widerstand leisten zu müssen. Gewalttaten, die im Kontext der Corona-Pandemie zu verzeichnen waren, lassen sich häufig so herleiten.

Warum sind gerade jetzt in der Corona-Krise so viele Menschen anfällig für Verschwörungserzählungen?

Alexa: Wir hatten ja schon angedeutet, dass Verschwörungsmythen in Zeiten großer Aufruhr auf fruchtbaren Boden fallen. Die Corona-Krise war und ist zum Teil immer noch genau so eine Zeit der gesellschaftlichen Unruhe.

Alexander: Auch bei der Influenza-Pandemie von 1918 bis 1920, der sogenannten "Spanischen Grippe", gab es eine Reihe von Verschwörungserzählungen, inklusive Maskengegnern. Insofern sind die Dinge, die wir seit 2020 erlebt haben, nicht neu – es liegt allerdings nahe, dass die Informationsgeschwindigkeit durch das Internet zugenommen und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen deutlich beschleunigt hat.

Gibt es Unterschiede in den verschiedenen Kulturen/Ländern?

Alexa: Verschwörungserzählungen sind dann erfolgreich, wenn sie in den kulturellen Kontext passen, in dem sie erzählt werden. Der weltweite Antisemitismus, der vielen dieser Mythen zugrunde liegt, ist ein Beispiel für einen Topos, der – leider – weltweit anschlussfähig ist.

In Ihrem animierten Kurzfilm „Hoaxilla: Nazis in Neuschwabenland?“ greifen Sie eine Verschwörungserzählung rund um die Region in Ostantarktika auf. Was hat es damit auf sich?

Alexander: Bei dieser Verschwörungserzählung wird davon ausgegangen, dass Adolf und Eva Hitler die Flucht aus Deutschland gelang. Gemeinsam mit Teilen der Wehrmacht wurde dann eine geheime U-Boot-Basis am Südpol erbaut, von der aus die Rückkehr der Nationalsozialisten geplant wird.

Alexa: Kern der Geschichte ist eine reale Expedition der Nazis im Winter 1938/39, bei der es darum ging, einen Ort für eine Walfangstation zu finden, um mithilfe des Walöls die sog. "Fettlücke" in der deutschen Industrie zu schließen.

Was macht diese Verschwörungserzählung so brandgefährlich?

Alexa: Ein Motiv hinter dieser Mär ist die Variation der Bergentrückung. Das kennen wir von Kaiser Friedrich I. Barbarossa oder Karl dem Großen, die in manchen Sagen im Untersberg auf ihre "Auferstehung" warten. Wie in diesen Sagen warten im Falle der Nazis in Neuschwabenland die heutigen Neonazis und rechten Verschwörungsgläubigen, dass "die Helden des Deutschen Reichs" wiederkommen und sie von den "schrecklichen Zuständen" hierzulande befreien. Dabei werden die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert, geschichtsrevisionistische Fiktionen verbreitet und die Gräuel des Dritten Reichs auf angebliche militärische Errungenschaften und Hochtechnologien heruntergebrochen.

Alexander: Wer glaubt, irgendwelche Befreiungsfantasien und -hoffnungen in die Nachfolger der Nationalsozialisten – oder gar Hitler selbst – setzen zu müssen, verbreitet keine harmlosen Geschichten, sondern gefährliche politische Ideologien.

Sie haben für Ihren Podcast bereits 299 Episoden produziert, gehen Ihnen langsam die Verschwörungsmythen aus?

Beide lachend: Nein! Fast jeden Tag erhalten wir Zuschriften aus dem Kreise unserer Hörer und Hörerinnen, die uns auf neue Mythen oder skurrile Dinge hinweisen. Da ist genug Material für mindestens weitere 300 Episoden!

Sie beschäftigen sich auch mit paranormalen Themen wie UFOs oder Kornkreise. Lassen sich solche Themen überhaupt wissenschaftlich angehen?

Alexander: Sehr gut sogar. Nehmen wir das Thema UFOs – die allermeisten Menschen haben bei UFO-Sichtungen ein zunächst unerklärliches Phänomen am Himmel wahrgenommen. Für mich als Psychologen mit dem Steckenpferd der Wahrnehmungspsychologie ist die Suche nach wissenschaftlichen Erklärungen für die Sichtungen hoch spannend. Damit kann man dann 98 bis 99 % aller Sichtungen erklären. Wenn man dann noch akzeptiert, dass eine unerklärliche Sichtung eben NUR das ist und nicht ein direkter Beweis für außerirdische Intelligenzen – dann ist das ein super Thema für uns und kann vielen durch eine Sichtung verunsicherten Menschen helfen.

Alexa: Bei den Kornkreisen wiederum weiß man inzwischen sehr genau, wie diese entstanden sind und wie die Macher gearbeitet haben. Dazu gibt es zahllose Reportagen und YouTube-Videos. Auch hier muss man natürlich bereit sein, das zu akzeptieren und von dem Wunsch nach Aliens als Erklärung Abstand zu nehmen.

Welche Verschwörungserzählungen haben Sie bisher am meisten fasziniert?

Alexander: Oh, das ist eigentlich genauso unmöglich zu beantworten, wie die Frage "Welches Deiner Kinder liebst du am meisten?". Eigentlich ist es immer die, zu der wir gerade für einen Podcast oder ein anderes Projekt recherchieren.

Wird es neben Ihrem Podcast auch weitere Kurzfilme im TV geben?

Alexa: Der vorliegende Kurzfilm ist ursprünglich als Pilot für eine ganze Staffel konzipiert worden. Wir haben also noch eine Reihe Drehbücher und Ideen in der Hinterhand und könnten gemeinsam mit den Produzenten von Gary Glotz schnell mehr produzieren, sollte sich der Bedarf zeigen.

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel