Stefanie Heinzmann nach Therapie: "Alle Gefühle sind richtig"

"Ich war eine Gefahr für mich selbst." Mit diesen Worten beschreibt Stefanie Heinzmann, 32, im "Mental Health Matters"-Interview den Moment, kurz bevor sie sich mit 17 Jahren selbst in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie einwies. Rückblickend ist die Schweizer Sängerin dankbar für diese Erfahrungen. Sie habe gelernt, dass "Hilfe annehmen etwas Gutes ist".

Mit GALA taucht Stefanie noch einmal ab in die dunkelsten Phasen ihrer Jugend, um anderen zu zeigen, dass es "ok ist, nicht ok zu sein" und wie wichtig eine Therapie sein kann. Doch vorher wollen wir unbedingt von ihr wissen, wer ihr Favorit bei der Vox-Sendung "Sing meinen Song" ist, und wovon ihr neues Album "Labyrinth" (am 14. Mai erschienen) handelt.

Stefanie Heinzmann über „Sing meinen Song“: „Es wird noch wahnsinnig emotional“

GALA: Gibt es bei "Sing meinen Song – Das Tauschkonzert" eine:n Favorit:in für Sie?
Stefanie Heinzmann: Ich bin ein Mensch, der ungern vergleicht. Aber klar, DJ Bobo ist eine Legende. Mit ihm auf einem Sofa zu sitzen und ihn meine Songs singen zu sehen, ist total abgefahren.

Können Sie einen Ausblick auf die nächsten Folgen geben?
Jeder muss aus seiner Komfortzone kommen. Es wird noch wahnsinnig emotional.

Das zentrale Thema Ihres neuen Albums "Labyrinth" ist eigenverantwortliches Handeln. Was verstehen Sie darunter?
Eine Gesellschaft hält sich an Regeln, sonst würde es viel Chaos geben. Aber ich finde, dass der Mensch oft verpasst, sein eigenes Leben darin zu leben. Jeder will jedem gefallen. Viele nehmen gerne eine Opferhaltung ein und geben anderen die Schuld. Das will ich nicht. Ich übernehme Verantwortung für mich.

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„Sie haben mir Zettel geschrieben, auf denen ‚f*** you‘ stand“

Das klingt sehr kontrolliert. Was wirft Sie dennoch aus der Bahn?
Ich bin wahnsinnig sensibel, emotional und empathisch. Ich kann mich manchmal, wenn ich viel zu tun habe, schlecht abgrenzen. Dann werde ich unsicher und fange an, an mir selbst zu zweifeln. Als Sängerin bin ich auf die Meinung anderer angewiesen. Manchmal verliere ich mich darin und definiere mich über positives oder negatives Feedback. Dieses Problem kommt, glaube ich, aus meiner Kindheit. Damals wurde ich krass gemobbt.

Was ist Ihnen genau passiert?
Als ich zwölf Jahre alt war und in die sechste Klasse ging, kam ich eines Tages mit Buffalos in die Schule. Das fanden meine Mitschüler wahnsinnig doof und fingen an, mich zu mobben.

Es war schwer für mich, nicht mehr dazuzugehören. Ich habe aus Scham mit niemandem darüber geredet. Irgendwann habe ich rebelliert und mir neue Freunde gesucht.

Was hilft Ihnen heute in solchen Momenten?
Ich frage mich dann: Was brauche ich jetzt? Im Stress fahre ich runter und versuche eins nach dem anderen anzugehen. Meditation hilft mir dabei sehr. Und sich alles von der Seele reden. Ich spreche viel mit meiner besten Freundin oder mit meinem Partner.

Stefanie wog nur noch 43 Kilo: „Ich fand mich nicht schön“

Ihre nachfolgenden Teenagerjahre wurden nicht einfacher. Sie hatten eine Essstörung. Wie kam es dazu?
Mit 16 Jahren hatte ich einen Bandscheibenvorfall und bekam sehr starke Schmerzmittel verschrieben. Ich sang in einer Band, in vielen Chören und nahm Gesangsstunden. Durch den ganzen Stress habe ich immer weniger gegessen. Ich habe von anfänglich 58 Kilo nach circa zwei Monaten nur noch 43 Kilo gewogen. Ich hatte auch Probleme mit meiner Weiblichkeit und fand mich nicht schön.

Das sind viele Kilos in kurzer Zeit. Wie hat Ihr Körper darauf reagiert?
Ich wurde immer schwächer und war oft müde – auch durch die Schmerzmittel. Meine Periode war völlig durcheinander und kam nur noch unregelmäßig.

Sie haben sich in dieser Zeit auch selbst verletzt und hatte einen imaginären Freund.
Da kommen zwei Sachen zusammen. Zum einen habe ich eine dunkle Seite in mir. Ich stehe auf Horrorfilme und hatte damals Bilder, auf denen Blut zu sehen war. Zum anderen hatte ich wegen des Bandscheibenvorfalls so krasse Beinschmerzen, dass ich mir wünschte, dass man es amputiert.

Was hat es mit dem imaginären Freund auf sich?
Der kam durch die starken Medikamente. Das war Lester, ein Monster, das abends auftauchte und mich anschrie, dass ich nicht mehr so viel jammern soll. Der war ganz schön gemein, hat mir aber irgendwie auch geholfen. Je besser es mir ging, desto netter wurde Lester und verschwand irgendwann.

Nach Nervenzusammenbruch: Einweisung in Psychiatrie

Wann haben Sie gemerkt, dass alles außer Kontrolle gerät und Sie Hilfe brauchen?
Als ich mit 17 Jahren einen Nervenzusammenbruch in der Schule hatte. Alles war auf einmal zu hell, zu laut. Ich stand völlig neben mir, habe gelacht, geweint und wieder gelacht. Das war der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass es so nicht weitergehen kann.

Sie haben sich dann – nachdem Sie in ambulanter Therapie waren – in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen.
Ich hatte Angst vor der geschlossenen Psychiatrie, wusste aber, dass ich diese Hilfe brauche.

Meine Gesangslehrerin war meine Vertrauensperson. Sie hat meine Eltern angerufen und ihnen die Entscheidung mitgeteilt. Ich konnte das nicht, da ich mich so geschämt habe. Aber die haben echt toll reagiert und unterstützen mich ohnehin schon immer in allem.

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Was haben Sie in den drei Monaten dort erlebt?
Ich hatte jeden Tag Therapien, habe Medikamente genommen, war viel Spazieren und habe gelesen. Dieser geregelte Alltag und die Ruhe haben mir sehr geholfen – wie auch das Malen. Das war ein Ventil für meine inneren Gefühle, denen ich dadurch Ausdruck verleihen konnte.

Stefanie Heinzmann ist heute dankbar für diesen steinigen Weg

Und was haben Sie durch die Therapie und Ihre Erfahrungen über sich gelernt?
Dass alle Gefühle richtig sind, dass Hilfe annehmen etwas Gutes ist und dass es ok ist, nicht ok zu sein. Wenn es mir schlecht geht, nehme ich das an und mache das Beste draus.

Es geht mir heute sehr gut und das verdanke ich auch dem Weg, den ich gegangen bin, ich bin ihm daher sogar dankbar.

Informationen zu Hilfsangeboten

Erkennen Sie bei sich Anzeichen einer Essstörung? Das Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hilft Ihnen anonym weiter, zu erreichen ist es unter: 0221/892 031. Weitere professionelle und spezialisierte Beratungsangebote finden Sie außerdem auf den Infoseiten der BZgA.

Verwendete Quelle: eigenes Interview, instagram.com

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