Schweigers gefährliches Hin und Her

Til Schweiger hat mit seinen Aussagen zur Corona-Impfung von Kindern für viel Aufregung gesorgt. Dabei ist der Schauspieler bekannt dafür, kontroverse Positionen zu vertreten.

Den „Querdenker“-Award hat er bereits. Vor zehn Jahren bekam Til Schweiger die Trophäe in München verliehen. Zur Begründung hieß es 2011: „Weil sich Til Schweiger nicht auf ein Genre festlegen lässt, sondern Action, Roadmovie und Komödie auf eigenwillige Art und Weise vereint, wird ihm in diesem Jahr der Querdenker-Ehrenpreis überreicht.“

Ein offensichtlich angetrunkener Schweiger hatte Mühe mit der Dankesrede. „Glaubt an das, an was ihr glaubt“, lallte Schweiger unter anderem ins Mikrofon – und produzierte damit eine ganze Reihe an Schlagzeilen.

Damals wurde dieser Wirtschafts- und Innovationspreis vom Querdenker-Club München an „Vordenker“ verliehen, und der Begriff „Querdenker“ war nicht negativ behaftet wie heute. Seit den Protesten im Zuge der Coronavirus-Pandemie formiert sich unter dem Sammelbegriff „Querdenken“ eine diffuse Mischung aus Rechtsextremen, Verschwörungsideologen und Reichsbürgern. Und dort hält man Schweiger heute für preiswürdig.

Til Schweiger nennt Kinderimpfungen „entsetzlich“

Grund hierfür sind Aussagen, die der 57-Jährige in einem Trailer der Dokumentation „Eine andere Freiheit“ tätigt –  mehr dazu lesen Sie hier. Er spricht über die Coronavirus-Pandemie und die damit einhergehende Debatte zu Impfungen von Kindern. „Für Kinder ist dieser (sic!) Virus absolut harmlos. Und die Gefahr so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber (sic!), deswegen halte ich das persönlich für, also, entsetzlich. Entsetzlich finde ich das.“

Til Schweigers eigene Kinder – Luna, Emma, Valentin Florian und Lilli – sind inzwischen alle über 18 Jahre alt. Dennoch fühlt sich der Schauspieler berufen, seine Meinung öffentlich kundzutun. Allerdings ohne Belege zu liefern. Die gibt es auch nicht. Die Impfung wird in Deutschland für Kinder ab 12 Jahren empfohlen, weil nach allen bisherigen Daten die Erkenntnis vorherrscht, dass die Vorteile die Risiken überwiegen. Die Ständige Impfkommission hatte sich für die Empfehlung viel Zeit gelassen und weitere Daten abgewartet. 

Wir wollten daher von dem Schauspieler wissen, ob er bewusst in Kauf nimmt, als Prominenter ohne Belege mit seinen Thesen Eltern und Kinder zu verunsichern. Doch Til Schweiger will sich auf Anfrage von t-online nicht zu dem Thema äußern. Nun wabert Schweigers Privatmeinung durchs Netz und bildet nicht nur in den sozialen Medien Diskussionsstoff. Am Montag ist der Hashtag #Schweiger auf Platz eins der Twittertrends gerutscht. Weit mehr als 10.000 Beiträge wurden allein bis zum frühen Montagnachmittag zu dem Thema veröffentlicht.

Til Schweiger: Der Schauspieler ist hier in einer Szene des Trailers für den Dokumentarfilm „Eine andere Freiheit“ zu sehen. (Quelle: Schutzfilm/dpa)

Dabei werden auch deutliche Vorwürfe gegen Til Schweiger und seine Mitstreiter laut. Zu denen gehört unter anderem der Initiator der Schauspieler-Kampagne „#Allesdichtmachen“, Dietrich Brüggemann, sowie Miriam Stein, die dort mit ihrem Lebensgefährten Volker Bruch mitgewirkt hatte. „Solche Filme kosten Menschenleben“, schreibt etwa der österreichische Physiker und Autor Florian Aigner in einem Tweet und fügt an: „Wer bei solchen Filmen mitmacht, macht sich schuldig. Das hier ist nicht bloß ‚Meinungsäußerung‘, sondern klarer Schwachsinn.“

Aigner kritisiert die Aussagen Til Schweigers als „Dummheit“, weil der Schauspieler davon spricht, der Impfstoff sei „nicht erforscht“. Dem hält der Physiker entgegen: „Es gibt kaum medizinische Eingriffe, die besser erforscht sind. Die klinischen Studien wurden mit Zehntausenden Menschen durchgeführt, inzwischen gibt es Milliarden Geimpfte.“ Wichtige Fragen und Antworten zu Corona-Impfungen für Kinder lesen Sie hier.

Doch nicht nur Schweigers unbelegte Statements zu den Kinderimpfungen sorgen für Unmut. Der „Honig im Kopf“-Macher sieht durch das Infektionsschutzgesetz das Grundgesetz abgeschafft. „Das andere Schlimme ist die Gesetzesänderung, die unser Grundgesetz mehr oder weniger außer Kraft gesetzt hat. Damit werden die Leute ja jetzt praktisch erpresst oder verführt – indem man sagt: Wir geben euch einen Teil eurer Grundrechte, die man uns aufgrund unserer Verfassung nicht nehmen kann, aber dann könnt ihr wieder reisen, dann können die Kinder wieder zu Oma gehen, ohne Angst“.

Das sind Äußerungen, die auch immer wieder im Umfeld von „Querdenker“-Veranstaltungen zu hören sind. Den Aussagen von Schweiger zum Grundgesetz widerspricht allerdings selbst ein engagierter Kritiker vieler Maßnahmen: „Falsch und übertrieben“, nennt sie der Jurist Norbert Haerting, Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin im Gespräch mit t-online. Der Anwalt klagt vielfach gegen Corona-Beschränkungen. Er findet es zumindest „nachvollziehbar, dass nach fast 18 Monaten mit Grundrechtseinschränkungen, die sich die wenigsten von uns je vorstellen konnten, Künstler zu solchen Überreaktionen kommen.“ Es fehle ja auch an Perspektiven, die Regierenden wirkten planlos, so Haerting.

„Schauspieler, die wilde Behauptungen in die Welt setzen“

Der Münchner Filmproduzent und Anwalt Peter Heilrath, der Schweiger flüchtig kennt, wird mit Kritik deutlicher: „Völliger Unsinn“ sei es, dass das Grundgesetz praktisch außer Kraft gesetzt worden ist, sagte er t-online. „Auch ein Til Schweiger sollte wissen, dass verschiedene Grundrechte, wie zum Beispiel Leben und Freiheit, immer in Konkurrenz zueinander stehen. Parlamente und Verwaltung loten das Verhältnis aus. Und jede Entscheidung und jedes Gesetz kann auch gerichtlich überprüft werden – auch von Schauspielern, die wilde Behauptungen in die Welt setzen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Til Schweiger mit wenig durchdachten Erklärungen in der Pandemie aufhorchen lässt. Als er in einem Interview mit der „Teleschau“ gefragt wurde, wie er in die Zukunft blicke, antwortete er: „Ich weiß nicht (…) wie sich diese sogenannte Pandemie entwickeln wird – diese Pandemie, die man irgendwie gar nicht richtig spürt.“ Veröffentlicht wurde das Gespräch am 1. Oktober 2020. Zu diesem Zeitpunkt waren in Deutschland bereits knapp 10.000 Menschen an Corona gestorben. Im Herbst explodierten dann die Zahlen, die Intensivstationen arbeiteten vielerorts an ihren Kapazitätsgrenzen – und die Bundesregierung zog kurze Zeit später mit einem harten Lockdown die Reißleine.

Dabei hatte Schweiger noch zu Beginn der Pandemie beklagt, einige Menschen würden im öffentlichen Raum nicht den Mindestabstand einhalten und nähmen das Risiko einer Corona-Erkrankung offenbar nicht ernst. Doch das Bild, das der Schauspieler öffentlich abgab, änderte sich spätestens im April 2020, als er den heute als Corona-Leugner bekannten HNO-Arzt Bodo Schiffmann zitierte. Schweiger berief sich bei Instagram auf den Mann, der Covid-19 als leichte Erkältung abtat.

Und damit nicht genug: Schweiger machte Werbung für den Verschwörungsideologen Ken Jebsen, beschwichtigte, als Christian Drosten und Karl Lauterbach Morddrohungen gegen sich öffentlich machten und zeigte sich dann im Juni 2021 mit Boris Reitschuster, einem früheren Focus-Journalisten und einschlägig bekannten „Querdenken“-Blogger. Inzwischen feiern Menschen Schweiger, die ihn noch 2015 heftig für seine klare Positionierung für Flüchtlinge und gegen rechtsradikale Hetze angefeindet hatten.

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Ein Hin und Her, das die ohnehin angespannte Lage in der Corona-Pandemie weiter verschärfen kann. Schließlich hat Til Schweiger, ungeachtet seiner oft harsch kritisierten Filme und schauspielerischen Auftritte, als Prominenter eine gewisse Vorbildfunktion und viele Anhänger. Allein bei Instagram folgen dem Schauspieler mehr als 400.000 Menschen.

Vermutlich hätten es seine Anhänger und auch er selbst im Jahr 2011 nicht für möglich gehalten, dass er nach seinem „Querdenker“-Award noch einmal so stark mit diesem Begriff assoziiert wird: Doch nun ist es so weit – die Verschwörungsszene jubelt ob der jüngsten Aussagen Schweigers, wie unter anderem Postings von Attila Hildmann oder Michael Wendler bei Telegram zeigen. Und bislang ist nicht zu erkennen, dass Schweiger das stört.

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