McFit-Chef Schaller: Fitnessbranche braucht klare Öffnungsperspektive

McFit-Chef Schaller: Fitnessbranche braucht klare Öffnungsperspektive

Klage gegen zehn Städte eingereicht

Für viele Fitness-Fans war es ein echter Lichtblick im Lockdown: McFit öffnete seine Fitnessstudios outdoor, musste diese jedoch schnell wieder schließen. Am Wochenende sorgte die Fitnesskette dann erneut für Schlagzeilen. Am Samstag trainierten Dutzende Berliner outdoor auf einem 10.000 qm großen Feld außerhalb der Stadt mit Geräten. „Wir haben die Aktion durchgeführt, um ein Zeichen für die ganze Branche zu setzen und zu protestieren, dass die Regierung Fitness nicht vergessen soll“, erklärt McFit-Gründer Rainer Schaller im Interview.

„Ich kann die Logik nicht nachvollziehen, warum zum Beispiel Friseure und Nagelstudios, die sehr nah am Kunden arbeiten, wieder öffnen dürfen und wir nicht“, so Schaller weiter und will nun auch rechtlich gegen die Schließung seiner Outdoor-Flächen vorgehen. „Wir haben heute in Berlin und neun weiteren Städten unsere Klage eingereicht.“

Wie frustrierend ist es für Sie zu sehen, dass viele Branchen wie Friseure aufmachen dürfen und für Fitnessstudios noch nicht mal ein Konzept steht?

Rainer Schaller: Die Fitnessstudios wurden bislang von der Politik in Bezug auf mögliche zeitnahe Lockerungen kaum beachtet – für uns gibt es nach wie vor keine ernsthafte Perspektive, wann wir wieder öffnen können. Natürlich bin ich davon sehr enttäuscht und kann die Logik nicht nachvollziehen, warum zum Beispiel Friseure und Nagelstudios, die sehr nah am Kunden arbeiten, wieder öffnen dürfen und wir nicht. Für mich zeigt sich hierdurch, dass die elementare Bedeutung von körperlicher Fitness für die Gesundheit von den Verantwortlichen leider vollkommen unterschätzt, wenn nicht gar ignoriert wird – und das ist sehr frustrierend.

Am Wochenende sorgten Sie mit einer Protestaktion für Aufsehen. Am Samstag trainierten Dutzende Berliner outdoor mit Geräten. Was steckt hinter dieser Aktion?

Schaller: Wir haben die Aktion durchgeführt, um ein Zeichen für die ganze Branche zu setzen und zu protestieren, dass die Regierung Fitness nicht vergessen soll! Sie soll unsere Enttäuschung darüber zeigen, dass wir trotz Hygienekonzept und guter Organisation unsere zehn Outdoorflächen schließen mussten. Laut Verordnung ist Individualsport im Freien in fast allen Bundesländern erlaubt. Die Gerätebenutzung in Ahrensfelde wird hingegen von keinen Trainern betreut und sollte mitten auf einem Acker somit erst recht als Individualsport gelten. Auch wenn es natürlich absurd erscheint, dass ein unkontrolliertes Training eher erlaubt ist, als eines bei uns auf der Outdoor-Fläche mit einem ausgefeilten Hygiene- und Sicherheitskonzept und der Kontrolle durch unser Personal.

Wie genau sieht dieses Hygienekonzept aus?

Schaller: Wir haben gemeinsam mit dem renommierten Infektiologen Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow ein sehr durchdachtes und wohlüberlegtes Hygiene- und Sicherheitskonzept auf die Beine gestellt, das bei seiner Beachtung eine Weiterverbreitung von Corona-Viren auf unseren Outdoor-Flächen eindeutig ausschließt. Das Training findet an der frischen Luft statt und Mitglieder müssen vorab für den jeweiligen Standort einen Zeitslot online buchen. Alle Slots sind auf eine Länge von 45 Minuten limitiert. Somit kann gewährleistet werden, dass die maximale Auslastung nicht überschritten wird, keine Schlangenbildung vor dem Gelände entsteht und eine mögliche Kontaktverfolgung im Nachhinein sichergestellt ist. Außerdem gilt auf der gesamten Fläche ein Mindestabstand von zwei Metern, die Geräte desinfiziert jeder Trainierende nach der Benutzung selbst und in den 15 Minuten zwischen den Zeitslots desinfiziert unser Personal noch einmal alle Geräte. Vor Eintritt des Geländes steht den Mitgliedern eine Lösung zur Verfügung, mit der sie gurgeln können. Sie reduziert die Viruslast im Rachen – ähnlich wie beim Zahnarzt. Sicherer und kontrollierter geht es nicht.

Trotzdem mussten Sie Ihre Outdoor-Flächen schließen, hatten Sie damit gerechnet?

Schaller: Neben unserem Hygienekonzept haben wir von der Berliner Kanzlei Härting zusätzlich ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das uns die grundlegende Basis für die Öffnungen im Außenbereich liefert und genau aufzeigt, in welchen Bundesländern Sport im Freien nicht explizit verboten ist. Wir haben uns daher genau diese Orte ausgesucht und uns an alle Vorgaben gehalten. Trotzdem mussten wir – einige früher, andere später – alle Standorte zeitweilig wieder schließen. Wir haben die Möglichkeit, dass dies passieren könnte, schon in Betracht gezogen, kämpfen aber nun in allen zehn Städten dafür, dass wir sie wieder öffnen dürfen. Zuerst fand dies über konstruktive Gespräche statt – nun über den Rechtsweg in Form von Klagen.

Welche Gründe wurden für die Schließung angegeben?

Schaller: Die Gründe für die Schließungen waren von Standort zu Standort unterschiedlich. Bei einigen stützten sich diese überhaupt nicht auf das Infektionsschutzgesetz, sondern waren anderweitig.

Laufen die Klagen bereits?

Schaller: Ja, wir haben heute in Berlin und den neun weiteren Städten unsere Klage eingereicht.

Wie optimistisch sind Sie, dass Sie mit Ihren Klagen erfolgreich sind?

Schaller: In unseren Outdoor-Flächen findet ausschließlich Individualtraining statt, die Menschen reisen nicht in Gruppen an. Ich hoffe sehr, dass die Gerichte unseren Vorkehrungen, was Hygiene und Sicherheit angeht, anerkennen werden. Abgesehen davon ist in den meisten Bundesländern Sport alleine und zu zweit auf öffentlichen und privaten Sportanlagen zugelassen. Hierzu zählen sowohl große Fußballanlagen als auch die immer beliebter werdenden Open-Air-Fitnessparks. Wieso dort Sport ohne Aufsicht und Hygienekonzept getrieben werden darf, aber nicht auf unseren Outdoor-Flächen, können wir nicht nachvollziehen. Hier kommt es zu einer offensichtlichen Ungleichbehandlung.

Ab kommender Woche soll Sport bis zu zehn Personen im Außenbereich bei den gegebenen Voraussetzungen möglich sein. Was halten Sie davon?

Schaller: Sport im Außenbereich wieder zu erlauben, wäre sicherlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dies ist – nach meinem jetzigen Kenntnisstand – aber erst ab einer Inzidenz von unter 30 im Gespräch. Dennoch sollte dieses Vorhaben dafürsprechen, dass wir auch unsere Outdoor-Flächen wieder öffnen können, wofür wir stark kämpfen.

Warum ist gerade jetzt in der Pandemie Bewegung und Sport so wichtig?

Schaller: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine gute körperliche Fitness eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung und einen entscheidenden Schutzfaktor vor schwerwiegenden Verläufen bei Infektionserkrankungen bietet. Präventives Ausdauer- und Krafttraining hilft dabei, sowohl physisch als auch psychisch im Gleichgewicht zu bleiben und unterstützt die Fähigkeit des Körpers, mit internen und externen Stressoren, wie auch Covid-19, umzugehen. Zudem schlägt vielen Menschen die Auswirkungen des Lockdowns auf das Gemüt. Studien legen nahe, dass schon eine Trainingseinheit pro Woche das Risiko einer depressiven Verstimmung mindern kann. Aus all diesen Gründen ist es ein schwerwiegendes Problem, wenn Menschen keinen Sport betreiben können.

Wie hoch ist der gesundheitliche Schaden, wenn die Menschen keine Möglichkeit haben, ins Fitnessstudio zu gehen?

Schaller: In meinen Augen enorm hoch. Die langfristigen Auswirkungen werden wir wohl erst in einigen Monaten, wenn nicht Jahren sehen. Expertinnen und Expertin sind sich einig, dass wir einen Anstieg von Krankheiten beobachten werden, die durch Bewegungsmangel ausgelöst werden.

Haben Sie Bedenken, dass das Home-Workout die Fitnessstudios ersetzen könnte?

Schaller: Es wird immer Fitnessstudios geben und daran wird auch eine Pandemie nichts ändern. Aber sie werden in Zukunft vielleicht nicht mehr so unangefochten an erster Stelle stehen wie bisher. Immer mehr Menschen möchten ihr Training flexibler gestalten: Mal im Studio, mal in den eigenen vier Wänden, oder auch unterwegs. Die Fitnessbranche muss digitale Lösungen anbieten, um diesem Bedürfnis entgegen zu kommen. Wir arbeiten schon seit Jahren an diesem Thema und bieten unseren Kundinnen und Kunden Trainingsangebote für jede Lebenslage und Vorliebe. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass das Training im Studio zum Erlebnis werden muss. Die Gastronomie ist uns in dieser Hinsicht meilenweit voraus. In den erfolgreichen und populären Restaurants geht es nicht mehr nur um reine Nahrungsaufnahme, sondern darum, ein Erlebnis, eine Experience, für die Gäste zu bieten. Warum sollte man dieses Konzept nicht auch auf Fitnessstudios übertragen?

Wie groß ist der wirtschaftliche Schaden durch den Lockdown?

Schaller: Für uns ist der wirtschaftliche Schaden, der uns durch die Lockdowns entsteht, sehr groß. Er teilt sich auf in den natürlichen Wegfall von Mitgliedern und in die fehlenden Neuverträge, die wir während der gesamten Zeit der Schließungen nicht abschließen können. Diese werden wir in absehbarer Zeit nicht mehr aufholen können. Dadurch, dass wir jedem Mitglied die Zeit, in der sie oder er nicht trainieren konnte, gutgeschrieben haben, entsteht für uns buchhalterisch kein Umsatz. Es ist eine Vorauszahlung für eine zukünftige Leistung. Das fehlende Geld wird nachhaltig einen Schaden darstellen. Wie hoch die Umsatzeinbußen wirklich insgesamt sein werden, können wir aktuell noch nicht mit Sicherheit sagen.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Fitnessstudios in den nächsten Monaten ein?

Schaller: Die Aussage „Too big to fail“ gilt nicht mehr. Die prekäre Situation betrifft mittlerweile auch die Großen der Branche. Studiobetriebe werden durch Liquiditätsengpässe vom Markt verschwinden. Diese traurige Erfahrung mussten bereits zahlreiche Anlagebetreiber in den USA machen. Ich bin mir sicher: Diese Welle wird auch Europa erfassen – und je länger der Lockdown andauert, desto dramatischer wird sie.

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