Leben in Ost und West – Wolf Biermann wird 85

Berlin/Hamburg (dpa) – Es gibt einige Menschen, die haben das unterschiedliche Leben in Ost und West kennengelernt. Aber kaum jemand hat über Anspruch und Realitäten, Widersprüche und Widerstände in den beiden deutschen Staaten DDR und BRD so viel geschrieben und gesungen wie Wolf Biermann.

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Songs wie „Ermutigung“ mit dem kämpferischen Einstieg „Du, lass dich nicht verhärten / In dieser harten Zeit“ oder „Warte nicht auf bessre Zeiten“ sind Klassiker des Aufbegehrens gegen Obrigkeiten. Am Montag (15. November) wird der deutsch-deutsche Liedermacher 85 Jahre alt.

Er lebt in Hamburg, feiert in Berlin. „Das Thema ist unlösbar. Der Wolf ist ein Hamburger und Biermann ist ein Berliner“, sagt der Lyriker im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Das Schöne ist, dass die Frage Hamburg oder Berlin inzwischen keine Religionsfrage mehr ist auf Leben und Tod, sondern so schön privat geworden ist seit der Wiedervereinigung. Wer ein Langweiler ist, ist überall ein Langweiler. Und wer lebendig leben kann, kann es sowohl in Berlin als auch in Hamburg.“

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Apropos Religion. Biermanns jüngstes Buch „Mensch Gott!“ befasst sich in alten und neuen Texten ausgiebig mit dem Thema. Eine Altersfrage für den Atheisten? „Mit meinem Alter hat das überhaupt nichts zu tun“, widerspricht Biermann. „Seitdem ich Gedichte und Lieder schreibe, befinde ich mich in einem Disput mit Gott, an den ich allerdings nicht glaube.“ Er schreibe in der deutschen Sprache, die nur verstehen könne, wer Martin Luthers Werk sehr gut kenne. Als Luther die Bibel übersetzt habe, existierten noch viele deutsche Sprachen. „Er ist der Schöpfer unserer deutschen Sprache. Und egal ob jemand an Pflaumenmus oder an die Liebe glaubt, er muss Luther lesen und gerät so automatisch in diesen Disput.“

Alter ist auch ein Hinweis auf Endlichkeit. „Da ich lebendig lebe, muss ich nicht dauernd an den Tod denken. Es hat sich auch zu mir schon rumgesprochen, dass die Menschen sterblich sind“, sagt Biermann. Er möchte dann einen Platz auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. Dort erwarten ihn Bertolt Brecht, Heiner Müller, Anna Seghers, Helene Weigel, Hanns Eisler oder Stephan Hermlin. „Und wenn ich irgendwann mal begraben werden muss, dann möchte ich gerne dort leben, wo ich wirklich viele vertraute Freunde habe und auch treue alte Feinde, mit denen ich mir die Zeit vertreiben kann, wenn ich tot bin.“

Freunde und Feinde sind Teil seines Lebens. Der in Hamburg geborene Biermann zieht 1953 in die noch junge DDR. Der jüdische Vater, überzeugter Kommunist, war zehn Jahre zuvor in Auschwitz ermordet worden. Mutter Emma schickt das Kind aufs DDR-Internat. Der Schritt ist auch als Rache gedacht, indem der Junge im Arbeiter- und Bauernstaat Vaters Wunschtraum vom Sozialismus umsetzten hilft.

In Ost-Berlin kann Biermann am Theater seines großen Vorbilds Bertolt Brecht arbeiten, wird von Hanns Eisler gefördert. Biermann bot aber mit seinen ebenso poetischen wie subversiven Liedern den Machthabern mutig und anhaltend die Stirn. Die SED-Oberen ziehen die Grenzen enger, 1965 kommt das Berufsverbot. Die Auseinandersetzungen mit Staat und Partei gipfeln 1976 in seiner Ausbürgerung, die in Ost und West einen Sturm der Entrüstung auslöst.

Eine Protestresolution gegen die Ausbürgerung liest sich wie eine Top Ten der DDR-Literatur: Stephan Hermlin, Erich Arendt, Jurek Becker, Volker Braun, Franz Fühmann, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Heiner Müller, Rolf Schneider, Christa und Gerhard Wolf. Bis heute wird der Rauswurf des Sängers – dem noch viele beim Gang in den Westen folgen sollten – häufig als Anfang vom Ende der SED-Diktatur interpretiert, auch wenn es bis zum Fall der Mauer noch 13 Jahre dauerte.

Den Systemwechsel von DDR zu BRD muss er verdauen. „Als ich in den Westen geschmissen wurde, 1976 ausgebürgert wurde, ging es mir geradezu komisch schlecht. Ich jammerte rum“, sagt der Liedermacher. „Ich brauchte viele Jahre, um die Demokratie unserer Gesellschaft zu lernen.“ So hat er heute viel Verständnis für die unterschiedlichen Entwicklungen im geeinten Deutschland. „Die Ostdeutschen haben eben das Pech, dass sie nicht eine Diktatur hinter sich haben, sondern zwei Diktaturen.“ Das brauche Zeit. „Die Verwüstungen in den Menschen sind komplizierter, komplexer und langwieriger.“

Über die Jahrzehnte hat Biermann ein enormes Werk geschaffen: 24 Alben, mehr als 40 Publikationen von Gedichten, Übersetzungen, Nachdichtungen, Essays, Noten, Hörbüchern. In mehr als 100 großen Kisten voller Tagebücher, Manuskripte, Briefe, Fotos, Zeitdokumente hat Biermann sein privates Archiv bereits der Staatsbibliothek Berlin vermacht.

„Ich habe viel mehr erlebt als ich schreiben kann. Ich habe auch viel mehr erlebt als ich begreifen konnte“. Da gehe es ihm wie den meisten Menschen, findet Biermann. „Ich gehöre zu den Dichtern, die sich nichts ausdenken.“

Kritiker werfen Biermann häufig Arroganz, Überheblichkeit, Großmäuligkeit vor. „Ich habe mich niemals aus Gründen der Eitelkeit hinreißen lassen, irgendetwas Dummes zu tun“, sagt der Liedermacher. „Ich habe etwas Dummes getan, aber nicht aus Eitelkeit, sondern aus echter, ehrlicher Dummheit.“ Nach Fehlern „im Privaten mit der Liebe oder im Politischen“ habe er immer den Mut gehabt, sich deutlich und öffentlich zu korrigieren. „Und wenn ich es schaffte, habe ich daraus ein schönes Lied gemacht.“

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