Katarina Witt im GALA-Interview: "Ich verzichte auf nichts"

Bevor man sich versieht, hat sie einem den Mantel abgenommen und weggehängt. Als nächstes serviert Katarina Witt, 58, ein Glas Wasser mit Sprudel – das passt, denn wir sind in ihrem Gesundheitsstudio in Potsdam. Das GALA-Interview findet im Besprechungsraum "Calgary" statt, benannt nach dem Ort, wo sie 1988 ihr zweites Olympisches Gold gewann. Ob als Unternehmerin, Werbe-Ikone oder mit ihrer eigenen Stiftung – der Sport ist immer noch allgegenwärtig im Leben der erfolgreichsten Eiskunstläuferin der Welt. 

Katarina Witt: „Von nüscht kommt nüscht“

Wie viel Leistungssportlerin steckt heute noch in Ihnen? 
Tja, "von nüscht kommt nüscht" ist immer noch mein verflixtes Motto. (lacht) Ich habe das Gefühl, zunächst meine Verpflichtungen abarbeiten zu müssen und erst dann kommt der Rest. Manchmal denke ich allerdings, dass das Eigenschaften sind, auf die ich endlich verzichten möchte.

Wie meinen Sie das? 
Ich würde gerne lernen, auch mal loszulassen. Stattdessen stehe ich hinter mir selbst mit der Peitsche. Ich würde mir wünschen, ich könnte die Peitsche mal zur Seite legen. 

Über hohen Druck im Sport und den Wert von Wettkämpfen

Zuletzt haben Leistungssportler wie die Ausnahmeturnerin Simone Biles öffentlich über psychische Probleme gesprochen. 
Der Druck, unter dem Leistungssportler heute stehen durch all die sozialen Kanäle, ist noch mal anders als der, den wir früher hatten. Ich stand unter einem immensen politischen Druck, für mein Land anzutreten, wo dir gesagt wird, deine Verpflichtung ist, zu gewinnen, weil wir beweisen müssen, dass der Sozialismus das bessere System ist. Das war damals so. Ich persönlich fühlte mich in einem Wettkampf immer wie eine Kriegerin. Es geht um gewinnen oder verlieren. Überleben oder sterben. 

Was haben Sie damals gemacht, um mit diesem Druck klarzukommen?
Ich habe den Wettkampf geliebt und bin damit klargekommen. Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn ich in den Wettkampf gehe und Angst habe, dann geht's schief. Daraus habe ich gelernt, dass ich Angst in positive Aggression umwandeln muss. 

Wie gucken Sie heute auf den Sport? 
Mittlerweile sind die anderen Nationen einfach besser als wir, gerade im Eiskunstlauf. Da sind wir in Deutschland leider auf Provinzniveau angekommen, muss ich traurigerweise so sagen. Allgemein scheint es sich gesellschaftlich durchzusetzen, bloß nicht zu viel Leistung zu bringen. 

Was meinen Sie damit konkret? 
Ein kleines Beispiel: Die Bundesjugendspiele sollen kein Wettkampf mehr sein. Da wächst eine Generation heran, wo es nicht mehr gewünscht ist, dass es ums Gewinnen oder Verlieren geht – weil man Angst hat, die Kinder könnten damit nicht umgehen. Ich persönlich finde, das ist ein Fehler. Man muss lernen, mit Niederlagen umzugehen. Dass man sich nur noch gegenseitig mit Wattebäuschchen bewirft, das werden wir langfristig in unserem Land nicht durchhalten. 

So kommt sie doch mal zur Ruhe

Womit belohnen Sie sich nach einem langen Tag? 
Mit spannenden TV-Serien, die ich am liebsten am Stück schaue, oder Essen gehen, gemütlich im Freundeskreis. 

Italienisch, asiatisch oder was ganz anderes? 
Egal, für mich ist immer das Ambiente wichtiger und dass ich mich wohlfühle. Es gibt zum Beispiel einen Italiener in Potsdam, wo man schön draußen sitzen kann, da kenne ich die Karte mittlerweile auswendig. 

Sündigen Sie manchmal beim Essen? 
Also, ich verzichte auf nichts. Oder nur auf das, was mir nicht schmeckt. Ich gestehe, die Corona-Zeit war nervlich anstrengend, und da habe ich zum Teil aus Frust, zum Teil aus Verzagtheit viel mehr Comfort Food genossen, als mir lieb war. 

Gibt es bei Ihnen Weihnachtsrituale? 
Weihnachten ist immer Familie! Da wird die ganze Zeit nur gegessen, getrunken, gequatscht und geschlafen. Wir gehen spazieren, dann geht alles wieder von vorn los. Es gibt auch die typischen politischen Gespräche, die in allen Familien stattfinden, aber der Haussegen hat noch nie schief gehangen, toi, toi, toi.

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Sind Sie dabei die Tante mit den vielen Geschenken? 
Nein, gar nicht. Ich hasse immer dieses viele Papier. Ich bin eher diejenige, die die Geschenke in eine schöne Tüte legt, und die Tüte bekomme ich garantiert im nächsten Jahr gleich wieder zurück. (lacht) Mittlerweile schenken wir uns lieber gemeinsame Zeit. Letztes Jahr sind wir mit unseren Eltern nach Amsterdam gefahren. Museum, Bootsfahrt und Tulpenparadies. Vorher waren wir mal in Wien, und das nächste Mal ist es vielleicht eine Stadt bei uns, Görlitz oder Weimar. Wobei, Schloss Neuschwanstein steht auch noch auf dem Wunschzettel. 

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