Die Star-Köche Jamie Oliver und Tim Mälzer im Interview: "Männer sind wie Hunde"

Es kommt selten vor, dass Tim Mälzer, 51, keine vorlauten Sprüche klopft, sondern einfach nur zuhört. Doch als er mit Jamie Oliver, 47, in seinem Hamburger Restaurant "Bullerei" sitzt, überlässt der "Küchenbulle" seinem englischen Freund und Kollegen gerne die Bühne. Zwischen den beiden Star-­Köchen herrscht erstaunlich wenig Konkurrenz. Dafür sehr viel Herzlichkeit und Wertschätzung. Obwohl beide einen langen Tag hinter sich haben, hungrig sind und es kaum erwarten können, endlich etwas zu essen, nehmen sie sich viel Zeit, um GALA von ihrer schönsten Zeit im Leben zu erzählen. Und die verbrachten sie gemeinsam.

Jamie Oliver und Tim Mälzer: In London haben sie sich kennengelernt 

GALA: Sie beide kennen sich schon ewig.
Jamie Oliver: Wann haben wir uns kennen­gelernt? 1998?
Tim Mälzer: 1995/96? Ich hatte gerade meine Ausbildung beendet und habe mich um einen Job im "Neal Street"-Restaurant beworben, weil ich etwas Geld verdie­nen musste.

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Und dort wurden Sie Kollegen?
Jamie: Er fing eine Woche nach mir an. Wir waren die einzigen beiden Nicht-I­taliener in der Küche. Da wurde viel über Politik diskutiert, oft wurde es laut. Zum Glück gelang es Gennaro Contaldo, der eine Art Mentor von mir und Tim ist, von allen respektiert zu werden. Er konnte den ganzen Irrsinn in Schach halten.

Und wie war Jamie damals so?
Tim: Er war genauso, wie er jetzt hier sitzt. Extrem freundlich, immer fröh­lich. Und Jamie war damals schon sehr neugierig und interessiert, nicht nur an Essen, sondern auch am ganzen Drumherum. Das war für mich eine komplett neue Erfahrung. Ich kam aus dem "Ritz", wo viel und hart tyranni­siert wurde, wo es jeden Tag physische und verbale Misshandlungen gab. Und keinen Spaß. Da hatte ich meinen Glauben ans Kochen verloren. 

Jamie: Für mich und Tim war London damals ein guter Ort. Es gab überall eine Menge Musik und Konzerte. Supermodels und Schauspieler wurden weltweit gehypt. Tim und ich haben für Pavarotti gekocht. Ich habe mich um die Desserts gekümmert, aber Tim hat die Gerichte zubereitet, die dann an  Pavarotti gingen, und wir dachten so: Oh, mein Gott! 

Die Star-Köche inspirieren sich gegenseitig 

Was hat Sie an Tim beeindruckt?
Jamie: Er ist an seinem freien Tag mit dem Zug jede Woche woanders hingefahren. Ich habe ihn gefragt: Tim, was hast du diese Woche gemacht? Und er hatte immer etwas Interessantes in einer anderen Stadt in England erlebt. Ich selbst war dort nie gewesen. Das war eine Lektion für mich: Geh raus, erkunde die Welt! Und Tim hat viel gefeiert. Er war definitiv ein größeres Party-Tier als ich, denn ich war bereits dabei, mich mit meiner Freundin einzurichten.

Tim: Du warst damals schon mit Jools zusammen. Sie war zu der Zeit ein Model. Ich bin auch mit Mädchen ausgegangen, aber das waren nie Models.

Jamie: Tims Haare wechselten damals jede Woche ihre Farbe. Das war schon eine tolle Zeit, oder?

Tim: Ich habe erst viel später realisiert, wie schön es war – die brillanteste Zeit meines Lebens. Ich habe nicht gelebt, um zu arbeiten. Ich wollte einfach leben!  

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Was bewundern Sie an Jamie?
Tim: Er hat diese wahnsinnige Energie. Als er einmal in meiner TV-Show zu Gast war, fiel es mir schwer, die Sendung zusammenzuhalten. Denn nach zehn Minuten stand ich nur noch neben Jamie, lächelte und hörte ihm zu, wie er über Essen sprach. Dabei hätte ich fast vergessen, dass ich der Gastgeber war.

Jamie, Ihre TV-Karriere ist früh gestartet.
Jamie: Ich hatte nie geplant, ins Fernsehen zu gehen, hatte einfach Glück. Ich glaube, für uns beide gilt: Wir haben die richtige Sache zur richtigen Zeit gemacht.

Was heißt das genau?
Jamie: Wenn man sich die Geschichte der letzten 40 Jahre anguckt, egal ob in Deutschland oder England, stieg der Anteil der Frauen, die arbeiten, von 50 auf 75 Prozent. Männer wie Frauen kamen also nun nach einem Zehn-Stunden-Tag abends nach Hause, aber die Männer fragten immer noch die Frauen: "Was gibt es zum Abendessen?"

Auch Männer können sich am Herd wohlfühlen

Und dann kamen Sie und bewiesen, dass Männer auch kochen können – und dass es sogar Spaß macht. Wie kam das an?
Jamie: Als meine Show "The Naked Chef" durch die Decke ging, wurde ich zum Feind Nummer eins bei den Männern in England. Ich war Konkurrenz. Deshalb hatte ich ziemlich schlimme eineinhalb Jahre. Ich wurde verfolgt und auch ein paarmal von Typen verprügelt. Denn ihre Freundinnen sagten: "Warum koche ich sieben Tage die Woche? Warum kannst du nicht wie Jamie sein?" 

Was sagt das über Männer aus?
Jamie: Im Grunde sind Männer wie Hunde, oder? Sie müssen nur gefüttert, geliebt und beschäftigt werden. Das ist alles. Männer haben ein bisschen lange gebraucht, um zu kapieren: Kochen ist nicht nur etwas für Mädchen, sondern mit Kochen kommt man an die Mädchen ran!

Kinder sollen lernen, dass Kochen Spaß macht  

Sie setzen sich beide dafür ein, bereits Kindern beizubringen, dass Kochen Spaß macht. Warum?
Tim: In diesem Punkt ist Jamie meine größte Inspiration. Er hat mir gezeigt, dass ich meine Rolle in der Öffentlichkeit für etwas Bedeutsames einsetzen kann. Unsere Idee ist: Wenn Kinder nicht mehr in den Familien Kochen lernen, müssen wir Küchen ins Leben rufen, in denen wir es ihnen beibringen. 

Jamie: Ich finde, es gibt nichts Deutscheres, als in den Schulen das Kochen von einfachen Gerichten zu unterrichten, oder? Wenn Kinder heimisches Kulturgut erlernen sollen, dann sollte man ihnen auch beibringen, regionale Speisen zu kochen. Denn Essen macht Kultur aus. Ich denke, man braucht jedes Kind nur mit fünf bis zehn Gerichten auszustatten. Angesichts der heutigen Energie- und Lebenshaltungskosten ist es doch eine Superkraft, wenn Millionen deutscher Kinder die Grundlagen von Haushalten und Ernährung kennen.

Tim: Kinder verstehen viel beim Thema Essen. Und sie stellen Fragen. Ein sehr guter Freund von mir betreibt ein großartiges Restaurant in Hamburg, das sich auf Fleisch spezialisiert hat. Sein Sohn ist sechs Jahre alt und gerade Vegetarier geworden. Und das ist toll! Der Sohn hat gefragt: "Was ist das?" – "Das ist Rindfleisch." – "Ist das ein Teil von einer Kuh?" – "Ja." – "Muss man die Kuh dafür töten?" – "Ja." Und dann hat er gesagt: "Das möchte ich nicht." Er hat an dem Tag eine  Entscheidung getroffen, und dabei bleibt er. 

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Jamie, Ihr Sohn Buddy ist 12 Jahre alt und hat bereits eine eigene Show auf Youtube. Welche Reaktionen bekommt er?
Jamie: Unglaubliche! Buddy realisiert noch nicht, wie berühmt er ist. Wenn ich mit ihm einkaufen gehe, bekommt er mehr Aufmerksamkeit und mehr Komplimente als ich. Kinder gucken gerne Kindern zu, klar. Aber auch ältere Männer sagen zu ihm: "Ich habe noch nie in meinem Leben gekocht. Und dein Vater hat nicht meine Geschwindigkeit. Aber als ich dich kochen sah, dachte ich: Wenn der Junge das kann, dann muss ich das auch mal ausprobieren." 

Wie kriegt man Kinder dazu, sich für gesundes Essen zu interessieren?
Jamie: Als erstes sollte man es nicht gesundes Essen nennen, sondern einfach Essen. Ja, man kann damit Spaß haben. Ja, man kann aus dem Einkaufen ein Abenteuer machen und den Kindern die Wahl zwischen verschiedenen Früchten überlassen. Oder man lässt sie im Kochbuch blättern und das Mittagessen aussuchen. Doch am Ende ist es unsere Aufgabe als  Eltern, den Kindern klarzumachen, dass es eine große Bandbreite an Obst und Gemüse gibt, dass man alles probieren sollte und dass es auch okay ist, etwas nicht zu mögen. Wenn sie dann 13 Jahre alt sind und viele verschiedene Sachen gegessen haben, werden sie höchstwahrscheinlich einen offenen Geist besitzen, leckeres Essen zu sich nehmen und ein glücklicheres und gesünderes Leben führen. 

Sie haben eine siebenköpfige Familie. Gibt es Gerichte, die alle im Hause Oliver mögen?
Jamie: Alle lieben Sonntagsbraten. Mit Ofenkartoffeln, Gemüse und Soße. Sie sind verrückt nach Lasagne. Sie lieben Schnitzel, Ravioli und Antipasti. Und Risotto! Das sind die einfachen Sachen. Sobald es etwas verrückter wird, teilt sich das Lager. Aber sie werden noch dazulernen.

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Sie haben beide für die Queen gekocht

Was hat der Tod der Queen bei Ihnen ausgelöst?
Jamie: Es ist das Ende einer Ära. Die Queen war immer eine Konstante, und nun ist sie nicht mehr da. Menschen mögen keine Veränderungen. Und sie war überall in unseren Leben: auf Briefmarken, Banknoten – alles muss geändert werden. Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, dass Prinz Charles jetzt König Charles heißt.

Tim: Als Lady Di starb, habe ich fast geweint. Denn sie wurde mitten aus dem Leben gerissen. Ich kann mich noch ganz genau an den Moment erinnern, als ich im Radio davon hörte. Bei der Queen ist es anders. Ihr Tod war zu erwarten. Sie hatte den Job 70 Jahre lang gemacht. Ich glaube, sie ist die letzte Person, die allen Menschen auf der Welt etwas bedeutet hat.

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