Psychedelic-Wahnsinn von King Gizzard im Wiener Gasometer

Die australische Psychedelic-Rock-Band King Gizzard & The Lizard Wizard sorgte mit viel Wahnsinn und viel System für ein dampfendes Wiener Gasometer.

Mit einer Flut an Veröffentlichungen und Ausflügen in zahlreiche Musikgenres hat sich die Psychedelic-Rock-Band King Gizzard& The Lizard Wizard weltweit eine nicht zu vernachlässigendeFanbasis erarbeitet. Warum dem so ist, offenbarte sich am Montagabendauch beim ausverkauften Wien-Gastspiel im Gasometer.

King Gizzard im Wiener Gasometer

Die österreichischen Interessenten an dem auf der rätselhaften Logikdes Psychedelic- und Garage-Rock der 1960er- und 1970er-Jahre fußendenStil-Mischmasch von „KingGizz“ – wie der zungenbrecherische Bandname vielfach abgekürzt wird -mussten sich durchaus lange gedulden, um nun schlussendlich in denGenuss des Liveerlebnisses zu kommen. Machte zuerst dieCovid-19-Pandemie den Plänen einen Strich durch die Rechnung, war esjust am Tag vor der ursprünglich im Sommer 2022 in der Arena Wienals Open Air angesetzten Veranstaltung eine Ankündigung von Mastermindund Leadsänger Stu Mackenzie, in der er seine Morbus-Crohn-Erkrankungerstmals öffentlich machte.

Er habe versucht, sich nicht über die Krankheit zu definieren, „aber ich werde mit Sicherheit davon beherrscht“, schrieb Mackenzie damals in einer Stellungnahme. Sein zu dem Zeitpunkt schlechter körperlicher Zustand machte eine Absage des Konzerts und der laufenden Tournee notwendig. Er begab sich daraufhin in Behandlung in Australien – trotzdem wartete die Gruppe im Herbst mit mehreren Neuerscheinungen auf. „Finally, we’re here“, verlautete man dann beim Entern der Bühne, um mit dem hypnotisch-stampfenden „Rattlesnake“ die erste, rund zehnminütige Bewegungsvorlage zu liefern. Die wurde im bummvollen Gasometer auch dankend angenommen.

King Gizzard wurde erst 2010 gegründet

Zum Start des rund zweieinviertelstündigen Sets dominierten die mikrotonalen Phasen des Schaffens der Band, die zwar erst 2010 gegründet wurde, aber bereits auf mehr als 20 Studioalben zurückblicken kann. In Wien gab man einen mehr als repräsentativen Einblick in die Spannweite des Werkes, das von Metal über Jazzanklänge, Jam- und Progrock, klassischen Hip-Hop bis Synthpop mehr oder weniger all Stückerln spielt. Eindrucksvoll offenbarte die augenscheinlich über Jahre intensivst eingespielte sechsköpfige Truppe, was in einem solchen Setup alles möglich ist – und stilistisch zusammengeht.

Dabei ist die breite Palette der musikalischen Zutaten durchaus bekannt und weithin erprobt, trotzdem schafft es die Combo, sich all das zu Eigen zu machen und in unverkennbarer Weise zu verbinden. Das Publikum erwies sich als ebenso empfänglich für die schräge und stellenweise anspruchsvolle Kost und applaudierte an Stellen, die Hintergrundmusik-Afficionados und Plastikpop-Fans vermutlich nicht einmal als Stellen ausmachen würden.

Ausverkauftes Wiener Gasometer: Psychedelic-Wahnsinn von King Gizzard

Nach ausufernden Ausflügen in Richtung Metal („Gaia“) und Anspielungen auf den Opener und frühen Kulminationspunkt „The Dripping Tap“ aus dem Vorjahres-Album „Omnium Gatherum“ in „I’m Not in Your Mind“ nahm man langsam etwas das Tempo und die Intensität aus dem Set. So kühlte man die vermutlich rauchenden Finger nach diversen Double- oder Triple-Lead-Orgien quasi an den Tasten der Keyboards.

Ein jähes Ende bereitete man diesem etwas relaxteren Treiben dann mit besagtem „The Dripping Tap“. Auch hier wurde bei all dem vordergründigen Irrsinn klar, wie durchdacht King Gizzard ihre ureigene Welt zusammenzimmern. So entpuppte sich der vermeintliche Jam, der auf dem Album schlanke 18 Minuten umfasst, live nur in Ansätzen als Improvisation. Zwischen einem Gospelteil und dem ausladenden Herumreiten auf einem Grundton bauten die Musiker ihre Klanggebilde akribisch auf. So blieb man trotz des wilden Ritts durch verschiedene Spielarten des Rock’n’Roll an den neuralgischen Punkten der Kompositionen durchwegs höchst kontrolliert.

Musikalische Vielfalt und ausladener Hall von King Gizzard

Inder musikalischen Vielfalt und dem teils ausladenden Hall auf denStimmen etwas unterzugehen drohten mitunter die Songtexte, bei denen esneben der dem Psychedelic-Genre quasi ureigensten Auseinandersetzung mit Science Fiction oder der Introspektion beim Experiment mit psychotropen Substanzen durchaus auch um „wichtigere“ Themen wie Umweltverschmutzung oder Klimawandel geht. Doch das blieb im immer heißer werdenden Gasometer letztlich weit im Hintergrund. Kurz nach 23.30 Uhr taumelten dann zahlreiche komplett verschwitzte Besucher mitbreitem Grinsen durch das Foyer. Trotz olfaktorischerGrenzüberschreitungen und Klangexzessen in Frequenzbereichen, die jederzurechnungsfähige Tonmeister am liebsten aus dem Spektrum streichenwürde, verteilte die lange erwartete Band ein übergroßes Trostpflasteran das Wiener Publikum.

(APA/Red)

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