"Ich hoffe, ich habe noch 10, 15 Jahre"

Der Tiger brüllt wieder: Tom Jones meldet sich zum Comeback zurück. Im Interview mit t-online spricht er über sein Leben, den Tod, Groupies und die Versprechen, die er seiner verstorbenen Frau Linda gab.

„It’s Not Unusual“, „What’s New Pussycat“, „Sexbomb“, die Liste von unsterblichen Hits von Sir Tom Jones ist noch viel länger. Und auch die Liste des Spätwerks des Briten wird immer länger. Mit „Surrounded by Time“ meldet er sich zum ersten Mal mit neuer Musik zurück. Dass er noch einmal neue Songs aufnehmen würde, haben Fans im Grunde seiner 2016 verstorbenen Frau Linda zu verdanken. Mit ihr war die lebende Musiklegende bis zu ihrem Tod fast 50 Jahre verheiratet. Dass er jetzt wieder Musik macht, musste er der Verstorbenen versprechen.

Sie haben nun Ihr erstes Album seit dem Tod Ihrer Frau Linda vor fünf Jahren veröffentlicht. „Surrounded by Time“ ist Ihre erste Platte seit gut sechs Jahren. Wollten Sie sich nicht sofort in die Arbeit stürzen?

Der Tod meiner Frau war wie eine Art Barriere. Sie hatte mir noch gesagt: „Du musst weitermachen. Ich werde gehen, aber du lebst und musst weitermachen“. Ich konnte Konzerte spielen, ja. Aber es fiel mir schwer über den Verlust hinwegzukommen. Sie war in meinem Leben solange ich mich erinnern kann. Sie starb im April 2016 und ich habe im Juni schon wieder Konzerte gespielt. 

Tom Jones und seine Frau Linda 1967. (Quelle: IMAGO / United Archives International)

Aber neue Songs aufnehmen war Ihnen da noch nicht möglich?

Nein, mit der Band auf der Bühne zu stehen, war die eine Sache. Aber mich mit neuen Liedern zu befassen, fiel mir schwer. Ich fand keine Inspiration, keinen Antrieb. Jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich reflektieren muss. Ich habe mir Songs ausgesucht, die über mein Leben sprechen. Daher auch der Titel, „Surrounded by Time“, umgeben von Zeit. Ich singe „Popstar“ von Cat Stevens. Das war etwa zu Beginn meiner Karriere. „I’m Growing Old“ wollte ich sogar schon in meinem Dreißigern singen, aber ich war noch nicht alt genug dafür. (lacht)

Inwiefern?

Ich war damals noch nicht so weit. Ich fand, ich musste etwas weiser werden für die Nummer. Außerdem werde ich alt, aber ich bin es noch nicht. (lacht)

In „Popstar“ heißt es „I’m going to be a popstar“. Wann hatten Sie diesen Gedanken zum ersten Mal?

Da war ich etwa drei.

Das ist früh, oder?

Ja! (lacht) Ich erinnere mich, dass ich als kleiner Junge gerne auf Feiern gesungen habe. Ich komme aus Wales und ich hatte eine große Familie mit vielen Cousins. Auf Feiern kamen wir alle zusammen. Ich habe immer darauf gewartet, dass man mich zum Singen auffordert. Ich war richtig ungeduldig und habe auch meine Mutter immer gefragt ‚Mama, wann kann ich denn etwas singen?‘ Aber ich musste stets warten, bis ich nach meinen Cousins an der Reihe war. Die waren alle im Chor und konnten gut singen. 

Das klingt nach Konkurrenz.

Zwei Cousins von mir sind Zwillinge. Sie haben irgendwann später mal gefragt, was im Gegensatz zu ihnen anders gewesen wäre, wenn ich damals als kleiner Junge gesungen habe. Da hat man gesagt, dass ich immer auf die Tische gesprungen bin und mir meine Bühne gesucht habe. Für meine Familie war das Singen oft eine Pflicht, während ich daran viel Spaß hatte und eine Show daraus gemacht habe. 

Trotz Ihrer frühen Ambitionen mussten Sie aber noch gut 20 Jahre warten bis Sie wirklich ein Popstar wurden. Mit 24 landeten Sie mit „It’s Not Unusual“ Ihren ersten großen Hit. 

Das lag daran, dass ich mit 16 geheiratet habe. Ich hatte einen Job in einer Fabrik, um Geld für meine Familie zu verdienen. Wenn man unter 21 Jahre alt war, hat man nicht das volle Gehalt verdient. Ich musste dem Besitzer damals beweisen, dass ich die Maschinen bedienen kann. Ein Mitarbeiter an der Maschine neben mir meinte einmal zu mir „Ich habe gehört, du kannst singen. Warum machst du das nicht statt dem hier? Wenn du so alt bist wie ich, hast du nur noch Erinnerungen. Mach daraus gute Erinnerungen!“ Und ich sagte „Das werde ich, aber ich muss arbeiten bis ich 21 bin!“.

Und dann rief die Bühne?

Tagsüber habe ich weiterhin geschuftet, abends trat ich in den Clubs auf. Das war 1961. Ab dann arbeitete ich sehr hart für einen Plattenvertrag. Aber der kam erst 1964. Ich traf den Songwriter Gordon Mills und der half mir dann. Zusammen haben wir „It’s Not Unusual“ geschrieben. Meine erste Single war eine Rock’n’Roll-Nummer, „Chills and Fever“. Da spielte sogar Jimmy Page von Led Zeppelin Gitarre. Aber das war kein Hit und dann kam „It’s Not Unusual“.

Was hat denn der plötzliche Ruhm mit dem 24 Jahre alten Tom Jones gemacht, der davor noch in einer Fabrik an einer Maschine stand?

Das war großartig. Ich war gerade auf einer Tour, als „It’s Not Unusual“ erschien. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass der Song so schnell die Charts hochkletterte. Ich erinnere mich, dass ich vor einem Auftritt mal ein Sandwich aß und danach durch das Publikum gehen musste, um auf die Bühne zu kommen. Die Leute waren wild. Ich hatte einen Mantel an, der war auf einmal weg. (lacht

Tom Jones: Der Tiger bei einem Konzert 1983. (Quelle: IMAGO / United Archives)

Konnten Sie direkt mit der Aufmerksamkeit dieser schreienden und Mantel klauenden Fans umgehen?

Ich kannte das schon aus Wales, wenn auch deutlich kleiner. Ich habe in der Schule gerne gesungen und da haben die Mädels schon gekreischt. (lacht) Meine Frau war auch eines dieser Mädchen. Als wir geheiratet haben, sagte sie zu mir: „Ich weiß, was diese Frauen denken, also pass auf! Ich bin hier, vergiss das nicht. Für mich bist du nicht Tom Jones, sondern Tommy Woodward.“ Und ich sagte zu ihr: „Linda, Sweetheart, egal, was passiert, du bist meine Nummer 1“. Und das war sie. Immer.

Trotz all der Groupies? Da ranken sich ja Legenden um Sie.

Ach, diese Legenden. Die Leute haben so viel darüber getratscht. Ich hätte Superman sein müssen, um das alles zu schaffen. Das war doch alles nur fun and games, wie man so schön sagt. Ich habe Linda immer respektiert. Aber man kann als Sänger keinen Erfolg haben und eine normale Person bleiben. Das geht einfach nicht. Das ist mir aber nie zu Kopf gestiegen. Ich habe nie Drogen genommen oder andere Sachen, die mir nicht gut tun würden. Ich habe lediglich den einen oder anderen Drink genossen. Ich hatte viel Glück, war aber auch immer sehr vorsichtig.  

Wie kam das?

Nun, ich habe viele Freunde an dem Zeug sterben sehen. Jimi Hendrix war ein guter Freund. Oder Janis Joplin. Oder Elvis. Das alles hat mir gezeigt, dass ich im Leben vorsichtig sein muss. 

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie „I’m Growing Old“ früher nicht aufgenommen haben, weil Sie noch nicht soweit waren. Wie gehen Sie jetzt mit Ihren Alter um? Sie sind 80, aber noch immer in guter Form, wenn man aktuellen Livevideos von Ihnen Glauben schenken darf.

Ich mache jeden Tag Sport. In meinem Schlafzimmer habe ich ein Fitness-Bike stehen. Außerdem hänge ich gerne von der Decke. (lacht)

Wie bitte?

Ich habe so eine Maschine, wo ich mich an die Decke hänge und Übungen mache. Und ich mache viel Sport daheim. Aber ich muss Ihnen auch ehrlich sagen: Ich achte jetzt mehr auf meinen Körper als früher. Wenn man jung ist, denkt man darüber doch gar nicht nach. Ich frage mich mittlerweile oft, wie viel Zeit mir noch bleibt. Es stehen noch viele Songs an, die ich singen möchte und viele Konzerte, die ich spielen will. Ich hoffe, dass wir diese Pandemie schnell in den Griff kriegen und ich wieder richtig arbeiten kann. Das Alter ist etwas, was mich irgendwann daran hindern wird, das zu machen, was ich gerne machen möchte. 

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Ihr Einstellung klingt dennoch positiv.

Ich hatte bisher ein tolles Leben. Und ich hoffe, dass ich weitermachen kann, bis ich unter der Erde liege. Ich möchte im Leben so viel erleben, wie es nur geht. Ich bin 80 Jahre alt und ich hoffe, ich habe noch 10, 15 Jahre. Noch lieber wären mir 20. (lacht)

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