Ian Gillan: Warum Impfgegner für ihn zum Problem werden

Vor über 50 Jahren gab Ian Gillan seinen Einstand bei Deep Purple. Doch in einem halben Jahrhundert Rock’n’Roll hat der Brite nichts Vergleichbares erlebt, wie die Pandemie. Mit t-online sprach er über das Leben in der Risikogruppe, seine Strafakte, Einbrüche und Stripclubs.

2020 konnten Deep Purple mit der LP „Whoosh“ einen großen Erfolg feiern. Platz 1 in den deutschen Charts zum Beispiel. Doch anstatt den ewiggleichen Album-Tour-Album-Zyklus zu verfolgen, mussten die Hard Rocker – wie die gesamte Welt – in die Zwangspause. Ian Gillan und Co. haben diese für „Turning To Crime“, ein Coveralbum, genutzt. Nun huldigt die Rocklegende anderen Rocklegenden wie Bob Dylan, Love oder Fleetwod Mac. t-online hat mit dem Frontmann der Band, Ian Gillan, gesprochen. 

Das Gespräch mit dem 76 Jahre alten Rockstar beginnt nahezu dramatisch. „Etwas Schlimmes ist passiert“, sagt Gillan, als ich ihn per Videocall frage, wie es ihm gehe. „Irgendwie hat sich der Computer bewegt und eine Wasserflasche umgeworfen. Ich habe diese Videointerviews mittlerweile x-mal gemacht, doch jetzt ist der Tisch voller Wasser…“ Nun, immerhin ist sein Humor noch trocken.

t-online: Ihr neues Album heißt „Turning to Crime“. Wie sieht denn Ihre Strafakte aus?

Ian Gillan: Ich war recht unauffällig. Tatsächlich musste ich neulich noch ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Wofür?

Das war für ein amerikanisches Arbeitsvisum. Ich musste offensichtlich beweisen, dass ich keine bösen Absichten habe. Die Behörden fanden in diesem Dokument nichts. Scheinbar wurde alles aus den Akten gelöscht (grinst).

Musikalisch machen Sie sich jetzt des Coverns schuldig. Ist das wirklich so schlimm?

Schon ein bisschen. Die ersten drei Deep-Purple-Alben bestanden fast nur aus Coversongs. Nehmen Sie „Hush“ oder „Kentucky Woman“. Als es jetzt darum ging, dass wir ein reines Coveralbum machen, dachte ich mir nur: „Ich hasse diese Idee“.

Warum haben Sie es dennoch mitgemacht?

Nun, alle Konzerte wurden verschoben oder abgesagt. Wir konnten auch nicht am gleichen Ort arbeiten, wie sonst. Unser Drummer Ian Paice war der Meinung, dass wir diesem Projekt zumindest eine Chance geben könnten. 

Und? Sind Sie jetzt zufrieden?

Ja. Wir hatten eine Liste mit 50 Songs, haben die dann deutlich gekürzt. Ich selbst hätte ganz andere Nummern ausgesucht, wie etwas von Elvis oder Ray Charles. Jede Band auf der Welt könnte so ein Album aufnehmen, wie wir jetzt. Dennoch fand ich die Aufnahmen sehr aufregend.

Inwiefern?

Nun, normalerweise sind wir alle zusammen und arbeiten an neuen Songs. Dann geht es gemeinsam ins Studio. Das war natürlich dieses Mal nicht so und jeder war woanders.

In einem Promovideo sieht man Sie und Ihren Bassisten Roger Glover aber im gleichen Studio.

Mein eigenes Studio wurde mir gestohlen.

Wie geht denn das?

Ich lebe in England, habe jedoch auch ein Haus in Portugal. Dort arbeite ich meistens. Primär, weil das Wetter dort besser ist, als in England. Jemand ist in mein Studio in Portugal eingebrochen und hat alles gestohlen … Ich konnte es bisher noch nicht wieder aufbauen, also ging ich in ein anderes Studio in der Nähe von Bath, in England. Roger ist mein Kumpel und kam auch dazu. Er musste aber zunächst für zehn Tage in Quarantäne. 

Sie sagten, dass Sie die Idee eines Coveralbums hassten. Nun spielen Sie aber in einer Band, deren Hit „Smoke on the Water“ gefühlt eine Million mal gecovert wurde. Genug YouTube-Videos beweisen das. Ehrt es Sie, dass so viele Musiker sich Ihre Songs aneignen?

Es ist fantastisch. Aber ich finde gerade die Interpretationen spannend, die etwas völlig eigenes daraus machen.

Haben Sie da ein Beispiel?

Ich habe eine japanische Band gesehen, die mit traditionellen Instrumenten etwas völlig anderes aus dem Lied macht. Oder das Moskauer Staatsorchester. In Brasilien habe ich eine Stripperin gesehen, die „Smoke on the Water“ nur mit einem Hang (ein melodisch-perkussives Instrument, sieht aus wie ein Wok mit Dellen, Anm. d. Red.) in einem Stripclub spielte. Da ist es wirklich ein Nervenkitzel, wenn andere Menschen den eigenen Song spielen. 

Der Track ist auch ein Muss in Ihrem Liveset. Den haben Sie aber schon länger nicht mehr gespielt, oder? Was macht diese Zwangspause mit Ihnen?

Tatsächlich hat sich in meinem Leben nicht so viel geändert. Ich schreibe jeden Tag.

Songs?

Nein, Texte. Sei es fürs Theater, Artikel, Gedichte, Essays, Romanstücke. Die anderen Jungs bleiben ebenfalls aktiv. Zu unserem Job gehört es, Konzerte zu spielen und um die irgendwann wieder zu absolvieren, muss man einfach sein Level halten. Ich halte mich also fit.

Und wie verlief Ihr Leben abseits der Arbeit?

Wir waren in den letzten Jahren so viel unterwegs. Durch die Pause sind mir die alltäglichen Freuden des Lebens wieder ins Auge gefallen. Es war schön, einfach mal Zeit in meinem Heimatort mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Wir sind schon so oft um den Globus gereist, da konnte ich die Auszeit im Lockdown genießen. Dennoch juckt es mich in den Fingern wieder loszulegen. Die Songs unseres letzten Albums „Whoosh“ konnten wir noch immer nicht spielen.

In Deutschland diskutieren wir gerade über den Sinn von 2G-Regelungen, also Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene, bei größeren Events. 

Ich denke, diese Diskussionen sind vergleichbar mit dem Brexit: Es gibt jetzt viel Aufruhr. Aktuell fällt die Politik radikale Entscheidungen, die auf Untersuchungen und Meinungen von Medizinern und anderen basieren. Es ist hin und her, wo man Vor- und Nachteile abwägt. Ich weiß nicht, was kommt. Ich habe das Gefühl, dass wir alle sehr im Moment leben. Diese Pandemie ist eine fürchterliche Sache.

Woran machen Sie das in Ihrem Umfeld fest?

Meine Frau und ich zählen in unserem Alter natürlich zur Risikogruppe. Generell wird gerade viel über Geimpfte und Ungeimpfte diskutiert. Ich habe enge Freunde, die sich nicht impfen lassen wollen. Auch einzelne Leute, die für mich arbeiten, weigern sich, sich impfen zu lassen.

Was sind die Gründe dafür?

Absolut unterschiedliche. Aber für mich bedeutet es, dass ich nicht reisen kann. Für den Job ist das natürlich ein großes Problem. Ich hoffe wirklich, dass sich das wieder entspannt und wir nächstes Jahr alle wieder ein bisschen freier sind. 

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Sie blicken also optimistisch ins neue Jahr?

Wenn wir diesen Winter überstehen, werden sich die Dinge ändern. Wir Menschen haben schon andere Pandemien als Corona hinter uns. Nehmen Sie doch nur Ebola oder SARS. Diese Viren sind auch zurückgegangen. Ich kann natürlich nicht vorhersagen, was passieren wird, aber ich denke, dass wir bald klarer sehen werden.

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