Berlin – Geht es um Architektur in der NS-Diktatur, denken viele an Hitlers Lieblingsbaumeister Albert Speer. Als Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, der mit dem gigantomanischen Umbau Berlins beauftragt war, genoss er so etwas wie einen Promi-Status.
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Andere Namen dagegen fallen den wenigsten ein. Dass neben Speer viele weitere Bauschaffende in das verbrecherische System der Nazis involviert waren, zeigt jetzt eine neue Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste. Sie macht auch deutlich: Viele von ihnen arbeiteten nach dem Krieg erfolgreich weiter.
Die Schau mit dem Titel „Macht Raum Gewalt. Planen und Bauen im Nationalsozialismus“ geht auf ein Forschungsprojekt einer vom Bundesbauministerium 2017 berufene Historikerkommission zurück. 28 Forschende untersuchten rund fünf Jahre lang, inwieweit die in der NS-Zeit für das Planen und Bauen zuständigen Behörden und Menschen in die Verbrechen des nationalsozialistischen Staates eingebunden waren.
Mörderische Produktionsbedingungen
„Unsere Kernthese ist, dass das Verbrecherische des Bauens im NS weniger die bekannten, riesigen neoklassischen Formen der Repräsentationsarchitektur waren, sondern vielmehr die mörderischen Produktionsbedingungen“, sagte Kurator Benedikt Goebel. Das Bausystem, das vor allem aus dem Bau von Lagern, Baracken, Bunkern und Straßen bestand, sei ohne KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter völlig unmöglich gewesen. „Das wussten die Verantwortlichen.“ Ihnen müsse daher eine Mitverantwortung für die Ausübung von Gewalt und Verbrechen zugeschrieben werden.
Die Ausstellung beleuchtet 150 Biografien – 146 Männer und 4 Frauen -, die vor 1945 im Bauwesen leitend tätig waren – und von denen die meisten nach dem Krieg ihre Karrieren fortsetzen konnten. Den Forschungsergebnissen zufolge waren 75 bis 80 Prozent der nach dem Krieg in Westdeutschland in leitender Stellung tätigen Baubeamten auch zur Nazizeit in leitender Stellung tätig, in der DDR 19 Prozent.
Träger des Bundesverdienstkreuzes
„14 der am verbrecherischen Bausystem beteiligten Herren bekamen in der Nachkriegszeit sogar das Bundesverdienstkreuz“, sagte Goebel. Das wohl bekanntestes Beispiel ist der spätere Bundespräsident Heinrich Lübke (1894-1972), der zu NS-Zeiten als Ingenieur an der Planung von KZ-Baracken beteiligt war. Nach Kriegsende gründete er mit Speer-Vize Rudolf Wolters ein Baubüro im westfälischen Höxter.
Die Ausstellung soll auch dazu beitragen, den durch Speer entworfenen Mythos des unschuldigen, verführten Architekten zu brechen, der auf viele andere Berufe übertragen wurde – und in Teilen immer noch anhält.
Die künstlerische Dimension des Bauens steht bei der Schau nicht im Vordergrund. „Ob jemand vor 1945 modern gebaut hat, ist allein nicht entscheidend, ob man unschuldig war – und jemand, der in neoklassischen Formen baute, schuldig“, sagte Goebel. Nach 1945 sei es aber so gewesen: „Egal, wie schuldhaft man in dem System verstrickt war – wer fortan moderne Formen baute, galt per se als Demokrat.“
Die Ausstellung nimmt auch die Raumplanungen in den Blick, mit denen die besetzten Länder im Osten neu strukturiert und im Sinne der NS-Ideologie umgestaltet werden sollten. Sie zeigt, wie das Planen und Bauen alle Lebensbereiche durchdrang und mit darüber bestimmte, wer zur Gesellschaft gehörte und wer nicht – und deswegen ausgeschlossen wurde oder sogar sterben musste.
Was macht man mit den Relikten?
Zudem stellt sie die Frage, wie heute mit den baulichen Relikten der NS-Zeit umgegangen werden sollte. „Bisher ist es so, dass man es aufgrund des Föderalismus den Stadtverwaltungen vor Ort überlässt, etwa beim Reichsparteitagsgelände in Nürnberg mit der Zeppelintribüne und der Kongresshalle“, sagte Goebel. „Wir plädieren dafür, dass die Bundeskulturpolitik mehr helfen und auch mitfinanzieren sollte.“
Der Standort in der Akademie der Künste am Pariser Platz 4 ist für die Schau allemal passend. Dort hatte Albert Speer als Generalbauinspektor ab 1937 seine Räumlichkeiten – dort bewunderte Adolf Hitler immer wieder die Modelle für die künftige Reichshauptstadt. Der Eintritt in die Ausstellung, die bis zum 16. Juli läuft, ist kostenlos. © dpa
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