Starauflauf unter dem Eiffelturm: Caro Daur ist das Berghain von Paris

Als ich mit 14 Jahren in Hamburg von einem Scout von Place-Models entdeckt wurde (Grüße an Yannis Nicolaou an dieser Stelle) gab es noch kein Instagram, Models wurden noch nicht nach Reichweite beurteilt und Gerhard Schröder war noch Kanzler. Vieles hat sich seither geändert – das Wichtigste aber nicht: Paris gilt damals wie heute als das Epizentrum der Mode.

Eine KolumnevonMarie von den Benken

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Für Designer genauso wie für Models. Und die Crème de la Crème ist nach wie vor die Fashion Week Paris. Zwei Mal im Jahr, im Frühling und im Herbst, strömen sie an die Seine: Die besten Runway-Models, die modebewusstesten Promis, die wichtigsten Designer, die internationalen Fotografen und die bedeutendsten Mode-Journalisten. Oder jedenfalls die, die sich dafür halten.

Während der Modewoche in Paris ist das gesamte Stadtbild ein einziger Laufsteg. Während man von der Fashion Week in Berlin als Unbeteiligter maximal etwas mitbekommt, weil in seinem Lieblings-In-Café in Mitte plötzlich überdurchschnittlich viele junge Menschen auf ihren Chai Latte mit Mandelmilch warten, die offensichtlich alle versuchen, sich zu kleiden wie Riccardo Simonetti. Das klappt mal mehr, mal weniger gut, aber das hält sie nicht davon ab, vierhundert Mal die Kaffeetasse auf dem Tisch vor ihnen zu fotografieren und danach fleißig in ihre MacBooks zu tippen, denn irgendwie ist jeder ein Modeblogger, wenn der Fashion-Zirkus in der Stadt ist.

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Die Champs-Élysées als Catwalk

In Paris fotografieren nur Touristen ihre Kaffees. Die ersten sechs Arrondissements sind im Prinzip eine große Fashion-Projektionsfläche für den Post-Corona-Größenwahn aller Designer, die Flag Ship Stores an der Avenue Montaigne, der Park Avenue in New York oder der Bond Street in London betreiben. Hier können echte Weltstars fotografiert werden – und Roben, für deren kolportierten Verkaufswert man einige kleinere Europäische Länder locker komplett durch den anstehenden Winter heizen könnte.

Da wird dann schon mal die gesamte Champs-Élysées in einen gigantischen Catwalk verwandelt oder im Innenhof des Louvre ein glitzerndes Haute-Couture-Zirkuszelt aufgebaut. Und auch ohne eine der begehrten und raren Einladungen zu den Couture-Shows, Präsentationen, Cocktail-Partys, Mode-Dinner und Défilés kann man seiner Sammlung spektakulärer Instagram-Begegnungen einige selten mögliche Bilder hinzufügen, jedenfalls wenn man sich auf das Straßenbild und die Menschen um einen herum konzentriert und nicht zu viel bei Google Maps den nächsten Starbucks sucht, um mit dem zumeist eher miesen Gratis-WLAN die besten Fotos vom Eiffelturm in diverse WhatsApp-Familiengruppen zu verteilen.

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Wenn man aufmerksam bleibt, läuft schon mal Zoë Kravitz mit ein paar Freundinnen auf der anderen Boulevardseite entlang und schüttet sich lachend einige Coffee to Go in den müden Modelrachen. Oder man entdeckt oben in einem der zahlreichen für Paris typischen Haussmann-Gebäude auf einem großen Balkon Emily Ratajkowski, die gerade in einem Hauch von Nichts für einen Starfotografen posiert, dessen Namen einem nicht einfällt, der aber nie bei „Germany’s Next Topmodel“ fotografiert hat und deswegen in Paris noch gern gesehen ist.

Man sieht Gigi Hadid auf einem E-Scooter durch den Jardin des Tuileries fahren oder Naomi Campbell mondän aus einem Fashion Week Shuttle steigen. Campbell ist eine dieser Expertinnen, bei der jeder Ausstieg aus einer Limousine wirkt wie ein „James Bond“-Film. Man sieht erst einen grandiosen High Heel, dann sehr, sehr viel Bein, dann einen kurzen Kleidansatz – und dann steigt das glamouröse Gesamtkunstwerk aus dem Fond empor hinein ins gleißende Licht der Paparazzi.

Ich habe diese besondere Art, das Entsteigen aus einem Auto zu einem Event zu machen, das den Betrachtern auf ewig in Erinnerung bleiben wird, in den vergangenen Jahren schon sehr oft erlebt. Auch Kate Moss ist eine Königin in dieser Disziplin, genau wie Rosie Huntington-Whiteley, Josephine Skriver oder Gisele Bündchen. Wenn Frauen wie ihnen die Tür geöffnet wird, folgt ein geschmeidiger Bewegungsablauf, der den glücklichen Zuschauern vor Verzückung die Münder offenstehen lässt. Ich habe das bei verschiedenen Gelegenheiten selbst oft probiert. Bei mir wirkt es leider immer, als hätte ich einen Schlaganfall.

Wenn man die Garantie dafür möchte, während der Pariser Fashion Week den einen oder anderen Superpromi in seine Bilderdatenbank übernehmen zu können, ist der sicherste Weg, sich vor einem der beliebtesten Fünf-Sterne-Luxustempel der Stadt zu positionieren. Über die Jahre haben sich einige Lieblingsspots der Starbrigade herauskristallisiert. Darunter beispielsweise das Mandarin Oriental in der Rue Saint-Honoré.

Mein Apartment liegt nur drei Häuser weiter und somit werde ich während der Fashion Week täglich mehrfach Zeugin eines immer wieder faszinierenden Schauspiels. Die ohnehin recht enge Rue Saint-Honoré wird rechts und links des Haupteingangs des Mandarin Orientals von Schaulustigen, Fans, verwunderten Touristen ohne Fashionhintergrund und Agentur-Fotografen ohne Akkreditierung zu den Shows bevölkert. Und so wartet man dann mit gezücktem Handy und geölter Stimme, um im richtigen Moment abdrücken oder „I Love You, Kylie!“ brüllen zu können. Oder natürlich beides.

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Kylie Jenner bewegt die Massen

Stichwort Kylie: Die entscheidende Musik der Pariser Fashion Week spielt traditionell nicht auf, sondern neben den Laufstegen. In den Front Rows, den ersten Reihen direkt am Catwalk, platzieren die PR-Agenturen der Designer die besonders berühmten Freunde des Hauses. Und die sorgen regelmäßig für ein noch viel größeres Blitzlichtgewitter als die Models, die in den neuesten Kreationen der Couturehäuser vor ihnen den Runway entlanggleiten. Diese Saison traf man dort unter anderem die gesamte Familie Beckham, Hailey Bieber (ohne Justin), Shailene Woodley (auch ohne Justin), Amber Valetta, Kanye West, Katie Holmes, Erykah Badu, Pharrell oder Anna Wintour.

Den mit Abstand meisten Aufruhr gab es aber, das muss man neidlos anerkennen, für Kylie Jenner. Als sie die Acne Studio Show im Palais de Tokyo verlässt, kurz durch die Massen geleitet wird und dann sofort in einem schwarzen Van verschwindet, bewegen sich die euphorisierten Massen vor dem neoklassizistischen Gebäude in ihre Richtung, wie man es sonst nur kennt, wenn Borussia Dortmund Deutscher Meister wird und im Westfalenstadion nach dem Schlusspfiff die Fans den Rasen stürmen. Die eigentlichen Stars der Fashion Week sind also weder die neuen Kollektionen noch die präsentierenden Models. Es sind die Weltstars in der Peripherie.

Starauflauf unter dem Eiffelturm

Direkt vor meiner Haustür etwa läuft mir Eva Longoria in die Arme. Oder, naja, eher in den Hüftknochen, denn Eva ist in Natura noch kleiner als Wikipedia mit 1,57 Metern verrät. Auch sie ist auf dem Sprint-Hindernislauf zwischen Shuttle und Mandarin Oriental. Woher sie gerade kommt, weiß ich nicht. Vielleicht aus dem Musée des Arts et Métiers, wo dem Designerlabel Coperni der Clou der Woche gelingt. Am Ende der Show betritt Supermodel Bella Hadid quasi nackt den Laufsteg – bekleidet lediglich mit einem dünnen Slip. Live vor Ort wird ihr ein weißes Kleid auf den Leib gesprayt. Eine Premiere auf der Pariser Fashion Week, von der sicher noch tagelang berichtet wird.

Aber auch anderen Designern gelingt spektakuläres. Bei Dawei laufen die Models zu Live-Musik von Carla Bruni. Für Balmain holt Fashion Director Olivier Rousteing die inzwischen 73-jährige Cher für ihr Laufsteg-Debut auf den Runway im Stade Jean-Bouin – und das vor den Augen von Neymar. Bei Karl Lagerfeld macht Cara Delevingne gefühlte drei Stunden lang Selfies mit so ziemlich jedem Gast. Bei Roger Vivier grüßt Elon Musks Mutter Maye Musk.

Bei Victoria Beckham lachen die Newlyweds Brooklyn Beckham und Nicola Peltz die von der Boulevardpresse heraufbeschworene Familienkrise weg. Bei Saint Laurent (stilecht unter dem Eiffelturm) strahlt das dynamische Mutter-Tochter-Duo Jerry Hall und Georgia May Jagger (wo sind eigentlich Cindy Crawford und Kaia Gerber?). Bei Dior denkt man kurz: Ach was, Audrey Hepburn ist auch da? Ist dann aber nur Dior-Testimonial Natalie Portman.

Caro Daur, das Berghain von Paris

Natürlich sind auch die mittlerweile definitiv auf den internationalen Fashion Weeks etablierten üblichen Verdächtigen aus Deutschland im Pariser Modezirkus direkt an der Manege. Die als „The Germans“ zusammengefasste Haute-Volee der germanischen Mode-Influencer wird von Caro Daur angeführt. Caro übrigens, das für alle Mitleser, die sich für den Stadtplan von Paris interessieren, residiert für die Modewoche in der Stadt der Liebe nur knapp 400 Meter von meinem Apartment entfernt im Hyatt.

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Von meiner Haustür aus nur kurz links um die Ecke, quer über den Place Vendôme und schon sitzt man quasi in Caros Suite auf der Gästecouch. Ich selbst gehöre allerdings nicht zu der handverlesenen Gruppe der gern gesehenen „The Germans“. Entsprechend erhalte ich keine Einladung in Caro Daurs Pariser Fashion Week Abschnitts-Unterkunft. Xenia Adonts: Ja. Marie von den Benken: Nein. Die Tür von Caro Daur ist härter als im Berghain.

Und als ob das nicht schon frustrierend genug wäre für Deutschlands selbsternannte Fashion-Kolumnistin Nummer Eins, kommt es auf den Roten Teppichen noch viel schlimmer: Im Trubel der Superstars bekomme ich nicht mal vom Deutschen Vertrauensfotografen der Herzen in Paris, Jeremy Möller, ein Foto. Mein eigener Elena Miras Moment. Die „Sommerhaus der Stars“ erprobte Trash-TV-Ikone fragte einst mit flehentlich zum Himmel emporgestreckten Armen: „Wo ist die Fairness geblieben? Wo?“

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Kleiner Trost: Als Kylie Jenner das Szenario betritt, wird sogar „The Germans“ Ehrenmitglied Leonie Hanne vom Pulk der Jenneristas für einige Sekunden in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Immerhin etwas: Da war ich mal zwanzig Sekunden genau so beliebt bei den internationalen Fashion-Fotografen wie Leonie Hanne. Das werde ich noch meinen Enkeln erzählen. Und natürlich von der Karaoke-Nacht mit Paris Jackson. Das erzähle ich natürlich auch gerne. Beim nächsten Mal direkt hier. Jedenfalls, wenn ich irgendwann aus diesem NDA rauskomme. Bis dann!

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