Schlachten für die Massen? "Battlefield 2042" im Test

  • Attacke auf „Call of Duty“: Mit „Battlefield 2042“ will EA die Vormachtstellung des Activision-Shooters brechen.
  • Während „Call of Duty: Vanguard“ die Wohnzimmer-Soldaten in die Vergangenheit katapultiert, spielt EAs Alternative in der Zukunft und unterscheidet sich auch an anderer Stelle deutlich.
  • Der Launch von „Battlefield 2042“ ist jedoch missglückt: Zum Start gab’s Bugs, Probleme und vernichtende User-Kritiken.

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Nach intensiven Testläufen erschien am 19. November „Battlefield 2042“ – EAs Gegenentwurf zur populären „Call of Duty“-Reihe, die mit dem jüngsten Ableger „Vanguard“ Anfang des Monats zu ihren Wurzeln zurückkehrte. Bereits während der Early-Access-Phase zeichnete sich ab: Der Krieg der Zukunft hat mit vielen Problemen zu kämpfen, am Wochenende nach dem offiziellen Startschuss gab es dafür die Quittung: Von der Fachpresse gab es durchwachsene Kritiken, von den Usern teils vernichtende Wertungen. Was ist da los?

Story? Braucht kein Mensch!

Einer der grundlegendsten Unterschiede zwischen „Battlefield 2042“ und dem jüngsten „Call of Duty“-Titel „Vanguard“, der im Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist, und dem vorangegangenen „Black Ops“-Ableger „Cold War“: Electronic Arts und das Studio DICE verzichten komplett auf einen Story-Modus. Während Activision stets bestrebt ist, eine anspruchsvolle, erwachsene Geschichte als Mehrwert für Singleplayer anzubieten, signalisiert EA selbstbewusst: „Battlefield 2042“ soll sich ganz und gar auf das Multiplayer-Erlebnis mit einer rekordverdächtigen Anzahl an gleichzeitigen Spielern konzentrieren – und damit neue Wege gehen.

Immerhin ein konkretes Setting gibt es: „Battlefield 2042“ ist im titelgebenden Jahr angesiedelt. Nach der Klimakatastrophe bekriegen sich die einzig verbliebenen Supermächte USA und Russland um wertvolle Ressourcen. Eine große Rolle spielen allerdings die sogenannten „Non-Patriates“, also staatenlose Kämpfer, deren ursprüngliche Heimat nicht mehr existiert.

Mehr ist mehr: Getümmel auf dem Schlachtfeld

Bis zu 128 Gamer können sich gleichzeitig auf den „Battlefield 2042“ auf Schlachtfeld tummeln. Damit übertrifft EAs Neuling so manchen Battle-Royale-Vertreter. Das allerdings nur, wenn man mit der Power eines modernen PC oder der neuen Konsolengeneration Xbox Series X/S beziehungsweise PlayStation 5 ausgestattet ist. Zwischen diesen Systemen ist auch Crossplay möglich, sodass Konsolen- und PC-Spieler aufeinander treffen können. Wer noch mit der PS4 oder Xbox One zockt, kann aber immerhin mit 64 Soldaten pro Match rechnen. Auch für die alte Generation gibt es Crossplay.

Egal, in welcher Truppenstärke: Dank der großen Maps, zahlreichen Versteckmöglichkeiten und weitläufigem Gelände ist Platz genug für jeden und mehr Zeit zum Nachdenken als beispielsweise im tempogetriebenen „Call of Duty“. Zumindest im Eroberungsmodus von „All Out Warfare“. Bei „Durchbruch“ dagegen gilt es, strategische Punkte anzusteuern und schnell sind alle Spieler an ein und demselben Ort. So oder so: Um größere Distanzen zurückzulegen, empfiehlt es sich, auf ein motorisiertes Fortbewegungsmittel umzusteigen. Andernfalls ist man minutenlang zu Fuß unterwegs, was „Battlefield 2042“ in diversen Foren bereits den scherzhaften Namen „Running Simulator“ eingebracht hat. Schiere Größe ist eben nicht alles …

Liegt es an der großen Zahl der möglichen Mitspieler, dass DICE in Sachen Detailverliebtheit der Kulissen gespart hat, um ein flüssiges Spielerlebnis zu ermöglichen? Fest steht: Die Maps sind mit Ausnahme der Vegetation teils detailarm – vor allem was die Inneneinrichtung von Gebäuden betrifft. Diese wirken auf eine geradezu unnatürliche Art kahl. Auf der Habenseite kann man sagen: Vor lauter Action bleibt ohnehin wenig Zeit, sich Gedanken über Interieur-Design zu machen oder darüber, ob die Landschaft pittoresk genug ist.

Worum geht’s im neuen Modus „Hazard Zone“?

Ist „Hazard Zone“ EAs Antwort auf „CoD: Warzone“? Nicht ganz, denn der neue Modus in „Battlefield 2042“ ist wider Erwarten kein Battle Royale, sondern ein Squad-basierter Modus. Auf einer großen Map trifft man auf menschliche Spieler, aber auch auf Bots. Es gilt – gemeinsam als Vierer-Trupp aus unterschiedlichen Spezialisten – Datenträger zu finden und zu sichern, bevor es die anderen tun.

Nur wer die Missionen lebendig abschließt, punktet. Wer dagegen fällt, verliert sein Loot für das nächste Match. Eine Runde Hazard Zone ist dabei in fünf Phasen aufgeteilt: Planen und ausrüsten, Infiltrieren, Sichern, erste Extraktion und letzte Extraktion. Neben schnellen Reflexen sind die Kombination der passenden Spezialisten und Ausrüstung nebst taktischen Upgrades spielentscheidend. Auf Xbox Series X/S, PlayStation 5 und PC sind in einer Runde mit einer Dauer von 15 bis 20 Minuten insgesamt 32 Personen in Viererteams unterwegs. Auf der Xbox One und PlayStation 4 sind es 24.

Neben Erfahrungspunkten für den Stufen-/Battle-Pass-Fortschritt winken als Belohnung für das Bergen von Datenlaufwerken Schwarzmarkt-Credits, die zu Beginn jeder Runde in Waffen, Ausrüstung und taktische Upgrades investiert werden können. „Hazard Zone“ ist neben „All Out Warfare“ und dem Editor „Portal“ der Kern von „Battlefield 2042“ – und macht durchaus Spaß. Ob er sich allerdings gegen die Free-2-Play-Konkurrenz durchsetzen kann, wird sich zeigen müssen.

Was ist neu in „All Out Warfare“?

„All Out Warfare“ kennt man bereits aus anderen „Battlefield“-Teilen. Gleich geblieben ist der Fokus auf teambasierte, große Schlachten in weitläufigen Maps. Die beliebten Modi Breakthrough (Eroberung) und Conquest (Durchbruch) stehen hier weiterhin im Zentrum. Neu sind natürlich die Karten, mit denen man so unterschiedliche Orte wie Eisklippen, eine Offshore-Plattform und eine Aussichtsstation in der Antarktis (Umbruch), die Wüste Ägyptens (Neuanfang) und ein überflutetes Küstendorf in Indien (Ausrangiert) bereist.

Die Maps sind groß und weitläufig. Feste Routen sind nicht erkennbar, sodass sich die Maps oft so frei wie eine Open World anfühlen. Damit man dennoch nicht irgendwo im nirgendwo verloren geht, helfen Wolkenkratzer oder Berge als Orientierungshilfe. Fahrzeuge dienen Ungeduldigen dazu, schneller von A nach B zu kommen – vorausgesetzt natürlich, sie werden nicht von noch stärkeren Fahrzeugen oder der feindlichen Infanterie gestoppt.

Gebäude lassen sich wie ein Geheimgang benutzen, um unerkannt ans andere Ende eines Gebiets zu kommen oder um sich aus der Vogelperspektive einen Überblick zu verschaffen und das weitere Vorgehen zu planen. Natürlich ist ein Dach auch ein guter Ort für Sniper. Gebäude und natürliche Anhöhen erlauben es allgemein, das Spielgeschehen in die Vertikale zu erweitern – ein Aspekt, der „Battlefield 2042“ deutlich von „CoD“ unterscheidet, denn in Activisions Shooter ist dieser Gedanke allenfalls andeutungsweise vorhanden.

Donnerwetter!

Nicht nur die unterschiedlichen Kulissen sorgen für Abwechslung, sondern auch das Wetter und die Lichtverhältnisse. Diese Veränderungen sorgen für dynamische Karten, denn sie können die Spielsituation verändern und weitere Herausforderungen mit sich bringen – beispielsweise, wenn ein Sandsturm wütet. Naturereignisse können, ebenso wie penetranter Beschuss, Gebäude komplett zerstören. Ein Tornado beispielsweise kann somit einen Teil der Map grundlegend verändern. Dieses Feature bringt zusätzliche Abwechslung und taktische Tiefe ins Gameplay.

Schlachtplatte für Unersättliche: "Battlefield 2042" im Test

Spezialisten statt alter Klassen

Die aus der „Battlefield“-Reihe bekannten Klassen werden im jüngsten Ableger ergänzt durch die Spezialisten. Diese haben, wie der Name schon andeutet, ihre jeweils individuellen Fähigkeiten und bestimmen die Klasse. Manche Spezialisten sind Sturmsoldaten, andere Versorger, Pioniere oder Aufklärer – die bekannten Klassen also. Wer „Apex Legends“ spielt, kennt das Prinzip. Auch die Spezialisten in „Battlefield 2042“ haben neben ihren Sonderfähigkeiten jeweils auch ein besonders Gadget als Alleinstellungsmerkmal – beispielsweise einen Schild, einen Geschützturm, einen Wingsuit, eine Drohne oder einen Enterhaken. Diese sind vor allem in „Hazard Zone“ wichtig, da hier innerhalb eines Squads jeder Operator nur einmal ausgewählt werden kann.

Ein grundlegender Unterschied zu „Call of Duty“, wo man vor einem Match Zeit investieren kann, um seine Waffe mit Liebe zum Detail in allen erdenklichen Loadout-Varianten zu individualisieren: In „Battlefield 2042“ poppt per Knopfdruck auf Wunsch mitten im Spielgeschehen ein Menü auf, in dem man sofort Optionen wie Visier, Unterlauf und Munitionstyp wechseln kann. So kann ein und dasselbe Gewehr beispielsweise spontan von einer Distanz- zu einer Nahkampf-Waffe angepasst werden.

Der Ton macht die Musik

Neben MG-Salven und Explosionen hat „Battlefield 2042“ auch einen filmreifen Soundtrack zu bieten. Das darf man wörtlich nehmen, denn die beiden Komponisten Hildur Guðnadóttir und Sam Slater sind von der Leinwand bekannt. Unter anderen arbeiteten sie an der oscarprämierten Musik von „Joker“ und am Soundtrack von „Chernobyl“.

Alles neu macht „Battlefield Portal“

Ich mach mit die Spielwelt, wie sie mir gefällt: „Battlefield Portal“ nennt sich der neue Level- und Match-Editor mit dem Gamer eigene (und eigenwillige) Spielregeln definieren können. Der Browser-basierte Baukasten dürfte die Grundlage für Unmengen User Generated Content sein, zumal fleißige Bastler nicht nur auf Waffen, Maps und Fraktionen aus dem neuesten „Battlefield 2042“, sondern auch auf Modelle und Fahrzeuge aus „Battlefield 1942“, „Battlefield 3“ und „Battlefield: Bad Company 2“ zurückgreifen können.

Was sagen User und internationale Presse?

„Battlefield 2042“ ist seit 19. November für Xbox One, PlayStation 4 und PC, Xbox Series X und S und PlayStation 5 erhältlich. Die bisherigen Wertungen sind bislang allerdings kein Grund zum Jubeln. Der Metascore bei Metacritic.com pendelt – je nach Version zwischen 62 (Xbox Series X), 65 (PS5) und 74 (PC). Auf der Online-Plattform Steam zeichnet sich ein noch schlechteres Meinungsbild ab. Nur 27 Prozent der fast 40.000 abgegebenen User-Wertungen sind positiv, was im Umkehrschluss zur rot eingefärbten Kennzeichnung „Größtenteils negativ“ führt.

Was sind die größten Schwächen in „Battlefield 2042“?

„‚Battlefield 2042‘ ist meiner Meinung nach vom Kern her für mich ein relativ gutes Spiel, Ich habe aber einfach das Gefühl, dass es schlichtweg nicht fertig ist …“, schreibt ein User bei Steam und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Bereits die Testphase vor dem offiziellen Verkaufsstart verlief holprig. Server-Probleme, Bugs und ein mangelndes Balancing beim Gunplay machten Usern und Fachpresse das Leben schwer. Immerhin: Bugs von einer Tragweite, dass sie das Spielen unmöglich gemacht hätten, kamen im Early Access nicht vor.

Die Schönheitsfehler, die als offene Baustellen auffielen, wolle DICE vor dem Verkaufsstart noch ausbügeln, hieß es zunächst. Dazu zählten Rubberbanding, bei dem Figuren oder Fahrzeuge wie per Teleportation auftauchen, weil Frames fehlen, und Synchronisationsprobleme in den Massenschlachten von „All Out Warfare“, wo bis zu 128 Teilnehmer sich tummeln. Auch Soldaten, die nicht vom Fleck kamen, wurden bemängelt. Manche Kuriositäten konnte man auch teils mit Humor sehen – wenn beispielsweise Panzer fliegen lernen oder Hovercrafts Wände hochfahren.

Aber: Im finalen Spiel wurden längst nicht alle behoben, wenngleich sich EA und DICE sichtlich bemühen, die noch vorhandenen Probleme klar zu benennen und zu beheben – wie etwa den Revive-Respawn-Bug. Ärgerlicherweise läuft dann nach einer tödlichen Verwundung der Timer nicht ab, sodass man weder von anderen wiederbelebt werden noch respawnen kann. Andere User sind am Ende einer Runde im Modus „Breakthroug“ beim Map-Wechsel im Nirgendwo stecken geblieben.

Das Balancing der Waffen wurde mit dem Day-One-Patch angegangen, der Streueffekt der Kugeln (Bloom Effekt) jedoch blieb ebenso bestehen wie der enorme Rückstoß bei Sturmgewehren – offenbar ein Versuch, Realismus zu demonstrieren, aber letztlich wird ein Teil des ohnehin arg überschaubaren Arsenals dadurch schlicht unbrauchbar. Hoffnung macht: In den nächsten 30 Tagen sollen zwei weitere Patches folgen. Diese haben unter dem das Ziel, Bugs beim Wiederherstellen von Soldaten sowie mit fehlender Ausrüstung und mit dem Balancing von Vehikel zu beheben.

Ob dann auch Infantry-Only-Modi wie Team Deathmatch nachgereicht werden, ist noch offen.

Fazit

Wie so oft bei reinen Multiplayer-Titeln steckt der Teufel im Detail. Kleinigkeiten entscheiden darüber, ob User Spaß haben oder Frust schieben. Der Start von „Battlefield 2042“ darf deshalb als verkorkst betrachtet werden – vor allem, wenn man bedenkt, wie stolz DICE im Vorfeld verkündete, dass man dem Zeitplan voraus sei. Nun sind die Entwickler um Schadensbegrenzung bemüht – und die wird dauern. Tage, Wochen. Monate. Neugierige können also noch ein wenig mit dem Kauf warten.

Aber: Im Kern ist das neue „Battlefield 2042“ kein schlechtes Spiel – im Gegenteil. Es mangelt schlicht am Feintuning. Über die Zukunft brauchen sich Käufer keine Sorgen machen: Der Titel ist kein Schnellschuss. Neben den Inhalten, die ab dem Erscheinungstag an Bord sind, werden über die die Live-Services regelmäßig neue Inhalte für „Battlefield 2042“ folgen. Für das erste Jahr sind vier Saisons geplant, die insgesamt vier Battle Passes, vier neue Spezialisten sowie neue Schauplätze, Fahrzeuge, Waffen und andere Inhalte umfassen.

(tsch) © 1&1 Mail & Media/teleschau

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