Portugal ist Virusvariantengebiet: Sprengt Delta auch unseren Urlaub in Spanien, Frankreich & Co?

Sonne, Strand & Mutation?

Seit Dienstag ist Portugal Virusvariantengebiet. Bedeutet konkret: Urlauber müssen nach ihrer Rückreise nach Deutschland 14 Tage in Quarantäne – ohne Ausnahme. Grund ist die Delta-Variante, die sich rasant in dem vor allem bei Briten beliebten Urlaubsland ausbreitet. Für alle, die nach Portugal reisen wollten, bedeutet das: umplanen oder die Quarantäne in Kauf nehmen. Wer Urlaub in einem anderen Land geplant hat, hat Glück – zumindest noch. Aber was ist mit Spanien, Frankreich & Co? Macht Delta Urlaubern dort auch einen Strich durch die Reise-Rechnung? Und was wird dann aus Sommer, Sonne, Strand und Meer? Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor Hygienezentrum Bioscientia, und dem RTL-Reiseexperten Ralf Benkö schätzen ein.

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Hohe Inzidenz und hoher Anteil der Delta-Variante in Spanien

Kritisch könnte es vor allem für Portugals Nachbarn Spanien werden. Hier zieht die 7-Tage-Inzidenz gerade wieder mächtig an, liegt mit 57,8 bereits über der Grenze von 50. Doch nicht nur das, auch der Anteil der Delta-Variante ist relativ hoch.

Den Zahlen der Initiative GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data)* zufolge beträgt der Anteil der Delta-Variante der vergangenen vier Wochen in Spanien 24,8 Prozent, was fast doppelt so hoch ist wie der deutsche Wert von 13,8 Prozent. In Portugal liegt der Wert derzeit bei 55,5 Prozent (Stand 30. Juni). Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) schätzte den Delta-Anteil in Deutschland bereits am Montag auf rund 50 Prozent. Aktuelle Zahlen zur Verteilung der Delta-Variante in Deutschland legt das RKI jeweils am Mittwochabend vor.

Dass die Zahlen in Portugal so nach oben geschossen sind, könnte unter anderem daran liegen, dass es keine Beschränkungen für die Einreise von Touristen aus dem Delta-Variantengebiet Großbritannien gab. Spanien hat diese am Montag eingeführt, sie gelten auch für die Balearen und treten am Freitag in Kraft. Nach Mallorca dürfen Briten aber zum Beispiel schon ab Mittwoch reisen – ohne anschließende Quarantäne und zumindest bis Freitag auch ohne Corona-Test.

Könnte Spanien als nächstes Urlaubsland zum Virusvariantengebiet erklärt werden? 

„Es ist nachvollziehbar, dass Urlauber sich jetzt Sorgen machen, welche Länder als nächstes zum Virusvariantengebiet werden könnten“, sagt RTL-Reiseexperte Ralf Benkö im Interview. „Zunächst aber muss man feststellen, bevor Portugal so eingestuft wurde, gab es schon deutliche Vorwarnzeichen. In Spanien gibt es zwar auch steigende Zahlen, bisher aber haben wir noch keine Signale von Behörden oder aus der Tourismusbranche bekommen, dass eine neue Virusvarianten-Einstufung zum Beispiel für Spanien direkt bevor stehen könnte“, kann der Reiseexperte etwas beruhigen.

„Klar ist: Keiner kann genau sagen, was in den nächsten Wochen sein wird, mit Blick auf die Corona-Entwicklung. Das ist schon die berühmte ‚Glaskugel‘. Aber die Verbreitung der Delta-Variante in Deutschland nimmt gerade ja auch zu. Ab dem Zeitpunkt, wo sie hier einen hohen Anteil an den Infektionen einnimmt, dürfte sie eigentlich kein Grund mehr für die Einstufung anderer Länder als Virusvariantengebiete sein. In wie vielen Wochen das sei so sein wird, da müssen wir uns die nächsten Schätzungen des RKI anschauen.“

Auch Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor Hygienezentrum Bioscientia, erklärt im Interview mit RTL: „Die spanischen Zahlen sind noch einigermaßen gut, auch wenn es an Portugal grenzt. Wir haben in Spanien eine Häufigkeit von 20-30 Prozent.“

Zinn sagt aber auch, man müsse damit rechnen, dass die Delta-Variante um sich greift. „Wir haben angefangen mit Großbritannien, dann ging es über Portugal und Russland. Wir behalten zurzeit die Entwicklung sehr sehr genau im Auge und das kann man auch nur jedem Urlauber unabhängig vom Virusvariantengebiet empfehlen.“

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Was könnte auf Urlauber zukommen? Sollte man umplanen – oder sogar stornieren?

„Wenn Urlauber pauschal gebucht haben, wie es die ganze Zeit auch unser Rat war, dann würde in einem Fall wie jetzt – Portugal – der Reiseveranstalter eine Einstufung als Virusvariantengebiet normalerweise als außergewöhnlichen Umstand akzeptieren müssen, der eine kostenfreie Stornierung rechtfertigt – aber erst dann, wenn es wirklich so weit sein sollte“, erklärt Benkö.

„Wer jetzt schon stornieren möchte, der sollte eine Flex-Option beim Reiseveranstalter abgeschlossen haben, die das abdeckt – sonst müsste er damit rechnen, Stornokosten zu bezahlen. Deshalb wäre mein Tipp: erstmal nicht stornieren sondern abwarten, wie sich die Lage weiter entwickelt. Wer individuell gebucht haben sollte, dürfte ein weitaus größeres Risiko haben, dass Stornierungen für ihn in diesem Zusammenhang teuer werden.“

Lese-Tipp: Virusvariantengebiet Portugal – was Urlauber wissen sollten

Was sollte man angesichts dieses Risikos beim Urlaubbuchen beachten?

„Pauschal buchen“, rät Reiseexperte Ralf Benkö. „Und nach Möglichkeit eine flexible Stornierungsoption bei der Buchung mit abschließen, mit Wirkung bis kurz vor Abreise.“ Weiterhin sei wichtig, den Versicherungsschutz auf Pandemie-Tauglichkeit zu überprüfen. „Wer sich im Reisebüro beraten lässt, der sichert sich ab, nicht doch etwas zu übersehen bei der Buchung. Denn die Einreiseregeln für verschiedene Länder ändern sich schnell und halten doch so manche Überraschung bereit.“

Gibt es vergleichsweise „sichere“ Urlaubsziele?

„Da die Corona-Entwicklungen doch sehr dynamisch sind, ist das schwer zu sagen“, erklärt Benkö. „Mit Blick auf Delta scheinen Griechenland, mit Einschränkungen auch die Türkei und vor allem Italien gerade eine noch ganz gute Ausgangsposition zu haben. Doch wirkliche Prognosen sind hier derzeit kaum möglich.“

Auch Zinn gibt mit Blick auf beliebte Urlaubsländer wie Frankreich, Italien oder Griechenland leichte Entwarnung: „Die Franzosen haben einen Anteil der Delta-Variante von etwa 20 Prozent, das ist noch weniger als bei uns. Wir sehen in Italien niedrige Zahlen, auch etwa um die 20 Prozent. In Griechenland sind die Zahlen noch niedriger, ähnlich wie in der Türkei, wobei man da bei diesen letztgenannten Ländern sagen muss: Da wird wenig sequenziert, da wird wenig nachgeschaut, aber wenn wir uns die Zahlen tatsächlich anschauen, Portugal hat ganz sicher eine Verbindung zu den britischen Touristen, die bis vor drei Wochen dort zugelassen waren, insofern glaube ich, dass die besprochenen Länder eher eine beherrschbare Situation haben.“

Neben Spanien hat auch Österreich den GISAID-Daten zufolge einen relativ hohen Delta-Anteil (34,4 Prozent). Im Unterschied zu Spanien ist aber die 7-Tage-Inzidenz mit 7,1 bei unserem Nachbarn ähnlich niedrig wie in Deutschland (5,2) – und nimmt sogar noch ab. Delta ist damit hier erstmal kein allzu großes Problem, wie ntv.de berichtet. Der Grund: Steigt die Inzidenz nicht, führt Delta offenbar auch erstmal nicht zum Anstieg der Corona-Fallzahlen. Zum Vergleich: Portugal liegt derzeit bei einer 7-Tage-Inzidenz von 100,9.

Beim Vergleich der Delta-Daten aus den einzelnen EU-Ländern gilt zu beachten, dass die Testungen je nach Land recht unterschiedlich ausfallen können. Zudem variiert die Quote der Genomsequenzierungen – also die genaue Untersuchung von positiven Corona-Tests auf Mutationen – von Land zu Land stark. Die Dunkelziffer zur Delta-Variante könnte also unter Umständen auch höher liegen.

Wann wird ein Land zum Virusvariantengebiet?

Wann das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ein Land zum Virusvariantengebiet erklären, hängt von verschiedenen Kriterien ab und steht im Verhältnis zur Situation in Deutschland, wie uns eine Sprecherin des BMG auf Nachfrage erklärt.

So können Virusvariantengebiete Regionen sein, „in denen eine Virusvariante (Mutation) des Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet aufgetreten ist, die nicht zugleich in Deutschland verbreitet auftritt und von der anzunehmen ist, dass von ihr ein besonderes Risiko ausgeht. Als Vergleich wird die in Deutschland vorherrschenden Variante (derzeit die Alpha-Variante) herangezogen“.

Besondere Risiken können unter anderem sein:

  • die Virusvariante wird vermutlich oder nachweislich leichter übertragen
  • die Variante beschleunigt aufgrund einer anderen Eigenschaft die Infektionsausbreitung
  • die Variante verstärkt die Krankheitsschwere
  • die Wirkung einer durch Impfung oder überstandene Covid-Infektion erreichte Immunität ist durch die Virusvariante abgeschwächt

Bei der Entscheidung, ob ein Land zum Virusvariantengebiet erklärt wird, werden verschiedene Kriterien bewertet, wie zum Beispiel der Anteil an sequenzierten Proben, Inzidenzen, die Hospitalisierungsrate, die Impfquote sowie die vorherrschenden Hygienemaßnahmen. „Der Anteil der Virusvariante im entsprechenden Land im Verhältnis zu der in Deutschland vorherrschenden Variante spielt hierbei eine wichtige Rolle, stellt aber nicht der einzige Indikator dar“, so das BMG.

Lese-Tipp: Diese Corona-Varianten gibt es bei uns – und so gefährlich sind sie

Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ist zuversichtlich

Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ist derzeit weiterhin „zuversichtlich, dass der Sommerreiseverkehr trotz Entwicklungen in einzelnen Ländern nicht gefährdet ist“, wie ein Sprecher am Dienstag sagte. Denn die geltenden Einreiseregeln sorgten für sicheres Reisen. Sie wurden am Montag von Bund und Ländern unverändert gelassen, obwohl einige Bundesländer eine Verschärfung zur Verhinderung wieder steigender Corona-Zahlen gefordert hatten.

Der Airline-Verband geht nicht davon aus, dass es nach Portugal noch in anderen europäischen Ländern zu Delta-Ausbrüchen kommt. „Nach unseren Informationen achten die Reisezielländer sehr auf die Einhaltung von Hygiene- und Gesundheitsauflagen und haben alle gemeinsam das Interesse, das Infektionsgeschehen gering zu halten“, erklärte der BDL. (akr, rts)

*Die Initiative GISAID veröffentlicht die Delta-Fälle, die weltweit erhoben werden. Auf der Website der Initiative lässt sich die Gesamtzahl der bisher registrierten Ansteckungen und deren Anteil am Infektionsgeschehen der vergangenen vier Wochen ablesen. Die Prozentwerte der GISAID weichen etwas von den wöchentlichen Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ab, ein Vergleich der Entwicklung in den EU-Reiseländern ist aber dennoch möglich.



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