"Die Akte Adenauer" von Ralf Langroth im Check

BRD anno 1953: Verletzliche Demokratie

Wie der Titel „Die Akte Adenauer“ schon vermuten lässt, führt uns der Autor Ralf Langroth in die Anfangszeit der Bundesrepublik Deutschland zurück. Genau gesagt in den Sommer des Jahres 1953, die heiße Phase des Wahlkampfes für die zweite Wahl zum Deutschen Bundestages, in dem SPD-Kandidat Herbert Wehner CDU-Kanzler Konrad Adenauer herausfordert. Eine Zeit, in der die Szenerie auf der politischen Bühne noch wesentlich übersichtlicher ist. Die Mehrheitsverhältnisse deshalb um einiges stabiler sind. Was nicht zwangsläufig für die Demokratie gilt. Deren Erhaltung liegt vier Jahre nach der Staatsgründung in den Händen der Alliierten, an erster Stelle der Amerikaner. Deutschland ist weniger ein souveräner Staat, als vielmehr eine Pufferzone im Konflikt mit der Sowjetunion, deren Einflussbereich an der neuen innerdeutschen Grenze endet. Ein Spielball amerikanischer Interessen, die sich innerhalb kürzester Zeit geändert haben. Nach der Blockade West-Berlins durch die Russen und mit dem Beginn des Koreakrieges verlagerte sich der Schwerpunkt amerikanischer Politik in Deutschland von der Entnazifizierung hin zum Anti-Kommunismus.

Von Tobias Elsaesser

Philipp Gerber: Vom amerikanischen Geheimdienst zum BKA

Eine nicht ungefährliche Zielverschiebung, wie Philipp Gerber feststellen muss, als der amerikanische Geheimdienst ihn in den Einsatz in die Bundeshauptstadt Bonn schickt. Ein Hauptkommissar des BKA wurde ermordet, Gerber soll sein Nachfolger werden und den Mord aufklären. Gerber wundert sich zunächst über den Auftrag und muss feststellen, dass er – wie die gerade einmal vier Jahre alte BRD – seinen Platz in der Welt erst noch finden muss.

Auf der Suche nach Heimat und Bestimmung

Vor dem Krieg flüchteten seine Eltern vor den Nazis nach Amerika, Gerber trat der US-Army bei, kämpfte gegen die Nazis, marschierte in sein Geburtsland ein und will nun beim Wiederaufbau helfen, seine Zukunft hat er eigentlich in den USA geplant. Doch genau diese USA kommen ihm nun dabei in die Quere. Um die „Rote Gefahr“ im Fall eines Krieges bekämpfen zu können, hat der US-Geheimdienst ein Netz von sogenannten Stay-Behind-Agenten gebildet. Sie sollen sich im Falle einer sowjetischen Invasion überrollen lassen, Sabotageakte begehen und aus dem Untergrund weiterkämpfen. Die einzige Voraussetzung: Eine stramme anti-kommunistische Gesinnung, und so tummelt sich auch eine nicht unbeachtliche Anzahl ehemaliger Nazis in diesem Agentennetz. Diese pflegen wiederum Verbindungen zu Partisanen, die gegen Kriegsende in den sogenannten Werwolf-Gruppen der SS aktiv waren und die Alliierten aus dem Untergrund bekämpfen sollten. Nun wittern sie ihre Chance, die „alte Ordnung“ gewaltsam wiederherstellen zu können. Als die Sache aufzufliegen droht, versuchen die Amerikaner, ihre Beteiligung daran zu vertuschen. Und Gerber sitzt plötzlich zwischen den Stühlen. Er muss sich entscheiden, welchem Land und welcher Institution er gegenüber loyal ist, und herausfinden, wo seine Heimat ist.

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Spielball politischer Interessen

Langroth gelingt ein eindrückliches Bild eines Landes, das nur acht Jahre nach der totalen Zerstörung und der Befreiung von der Nazi-Diktatur die Front des kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR bildet. Eine junge Demokratie, die den Blick nach vorn richtet und droht, von den Supermächten zerrieben zu werden, während es von den Schatten der Vergangenheit heimgesucht wird. Ein Land, das einerseits zur eigenen Sicherheit die Bindung an die USA festigen will, sich aber andererseits mit Blick auf die Zukunft von dem ehemaligen Besatzer und neuem Partner emanzipieren will. Ein Konflikt, der auch durch den Charakter des Ermittlers Gerber anschaulich dargestellt wird.

Wer sich darüber hinaus über den historischen Hintergrund des Romans interessiert und wissen will, was genau es mit den Stay-Behind-Organisationen der Nato auf sich hatte, dem sei folgendes Buch ans Herz gelegt: „Die Partisanen der Nato – Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946-91“ von Erich Schmidt-Enboom und Ulrich Stoll.



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